Anmerkungen zu OpenOffice.org

(Stand: Dezember 2005)

Inhalt:

1. Einleitung
2. Informationen zur Migrationsproblematik
3. Kurzer Erfahrungsbericht
4. Zusammenfassung
5. Anmerkungen zur aktuellen Version OpenOffice.org 2


1. Einleitung

OpenOffice.org (hier abgekürzt als OO.o) ist eine kostenlose Sammlung von Büroprogrammen, die mit MS-Office (Excel, Word, Powerpoint, Access, Outlook u.a.) vergleichbar ist, daher wird es hier in erster Linie mit diesem Produkt verglichen. Es wird auch davon ausgegangen, daß der typische OpenOffice.org-Anwender bzw. OO.o-Interessent zumeist über mehr oder weniger große Erfahrung in der Benutzung von MS-Office verfügt, sei es aus Schule, Berufsausbildung, Universität oder aus der beruflichen Nutzung heraus. Insbesondere wird im Folgenden auf die zu treffenden Überlegungen im Zusammenhang mit dem Umstieg bzw. der betrieblichen Migration von MS-Office zu OO.o nachgedacht.

Nachdem Microsoft mit MS-Office nun seit etwa zehn Jahren eine monopolartige Stellung auch bei Büroprogrammen innehat, stellt das kostenlose OpenOffice.org neuerdings eine wirkliche Konkurrenz dar. Das Open-Source-Prinzip stellt dabei sicher, daß das Programm jederzeit und von jedermann bei Bedarf verbessert und angepaßt werden kann und zwar auch zu kommerziellen Zwecken. Derzeit beschränkt sich die Entwicklung zwar auf eine Kerngemeinde unter der Schirmherrschafft der Firma Sun Microsystems, die damit nicht zuletzt das Ziel verfolgen dürfte, das eigene, weitgehend identische und kommerzielle Produkt Star Office bekannter zu machen, dennoch wird vermieden, daß notwendige Verbesserungen aufgeschoben werden, wie es bei Microsoft seit Jahren zu beobachten ist. Eine wachsende Anzahl von EDV-Firmen beschäftigt sich mittlerweile mit (kostenpflichtigen) Dienstleistungen und der Entwicklung nützlicher Zusatzprogramme zu OO.o. Es ist also nicht davon auszugehen, daß die Weiterentwicklung von OO.o mangels Verdienstmöglichkeiten irgendwann im Sand verliefe, stattdessen sorgt das Open-Source-Prinzip dafür, daß eben nicht ein Quasi-Monopolist Entwicklungen hinauszögert oder beim Kundendienst spart, sondern ständig Programmverbesserungen und Dienstleistungen unter Konkurrenzbedingungen und gleichzeitig unter der freien Verwendung von Vorleistungen entwickelt werden. Das ist nicht nur Theorie. Wer in den letzten drei Jahren die Entwicklung von OO.o beobachtet hat, wird ein geradezu unglaubliches Weiterentwicklungstempo festgestellt haben.

Der derzeitige Stand (2005) von MS-Office unterscheidet sich dagegen nicht wesentlich von der 97er-Version. Die zwischenzeitlich veröffentlichten neueren Office-Versionen sind z.T. sogar mit neuen Fehlern auf den Markt gebracht worden. Wer intensiv mit MS-Office arbeitet, wird einige Fehler schon selbst kennengelernt haben. Auf Einzelheiten will ich hier nicht eingehen, da die offizielle Updateseite von Microsoft-Office zusammen mit den entsprechenden Support-Seiten ausreichend Auskunft gibt. Die Zahl der Fehler, die Microsoft offen zugibt und korrigiert, liegt allerdings weit unter der tatsächlichen. Wer genauer liest, wird feststellen, daß Microssoft teilweise sogar zugibt, bestimmte Fehler nicht korrigieren zu wollen oder zu können. Wer lediglich Grundfunktionen nutzt, hat hingegen im allgemeinen keine Probleme.

2. Informationen zur Migrationsproblematik


Bei einer Entscheidung zwischen OpenOffice.org und MS-Office muß zunächst einmal bedacht werden, für welchen Benutzertyp die Entscheidung gefällt werden muß:

- Bei den grundlegenden Funktionen besteht nahezu kein Unterschied zwischen OpenOffice.org und MS-Office. Abgesehen von kleinen Unterschieden in der Bedienung, ist der Funktionsumfang nahezu identisch. Die Bedienungsunterschiede sind dabei kaum größer, als diejenigen, die MS-Office-Anwender bei der Umstellung von einer Version zur nächsten bewältigen müssen. Als nützlichste zusätzliche Funktion von OO.o dürfte dem typischen Anwender die Speichermöglichkeit der Dokumente in Form von PDF-Dateien ins Auge fallen, die Microsoft bisher nicht bietet.

- MS-Office-Anwender, die sich mit Makroprogrammierung beschäftigen, also z.B. mit der Automatisierung wiederkehrender Aktionen, die sonst (zeitaufwendig)von Hand durchgeführt werden müßten, sollten sich vor einem eventuellen Umstieg auf OO.o etwas näher mit der von OO.o verwendeten Programmiersprache Starbasic beschäftigen. Aufgrund der betriebssystemübergreifenden Auslegung von OO.o ist diese Programmiersprache recht gewöhnungsbedürftig. Der Code an sich ist ähnlich intuitiv verständlich, wie das bei MS-Office eingesetzte VBA, jedoch im Mittel schätzungsweise dreimal so lang, wie das entsprechende VBA-Equivalent. Zudem erstreckt sich die ansonsten sehr weitgehende Kompatibilität von OO.o zu MS-Office bzw. die Möglichkeit, MS-Office-Dateien in OO.o zu öffnen und zu verwenden, nicht auf die eventuell vorhandenen VBA-Makros. Diese müssen, sofern man auf den mit Automatisierungen verbundenen Komfort bzw. die Zeitersparnis nicht verzichten kann, neu programmiert werden. Der derzeit in OO.o integrierte Makro-Rekorder ist dabei längst nicht so leistungsfähig, wie der in MS-Office vorhandene und erzeugt zudem einen besonderen Code, der sich relativ schwer nachvollziehen und ergänzen läßt. Alles in allem ist OO.o in dieser Beziehung weitaus weniger anwenderfreundlich, als MS-Office.

- Wer neu vor der Entscheidung für ein Büroprogramm steht, sich also insbesondere nicht um die Konvertierung bestehender Dateien sorgen muß, erhält mit OO.o ein zu MS-Office gleichwertiges, kostenloses und nicht mit "Lizenzfallen" behaftetes Produkt. Die Dateigrößen sind weitaus geringer, als die von MS-Office und aufgrund des offen verfügbaren Programmcodes und des offenen Dateiformats ist die Zukunftssicherheit der Daten (zumindest für mein Empfinden) größer. Nicht zuletzt dürfte die Entscheidung auch eine Kostenfrage sein. Aufgrund dieser Vorteile wird OO.o zunehmend an Bedeutung gewinnen. Ein Vergleich kann jedoch nicht schaden und die derzeitigen Marktpreise für ältere, immer noch voll einsatzfähige und lizenzrechtlich einwandfreie MS-Office Versionen (ab 97) um die 30,- Euro machen dies leicht möglich. Wie schon oben angedeutet: Seit der 97er-Version von MS-Office sind hauptsächlich Fehler hinzugekommen, aber im Grunde keine nützliche neue Funktion.

- Weitaus schwerwiegender, als für den einzelnen Anwender dürften betriebliche Entscheidungen zugunsten des einen oder anderen Programms sein und dies insbesondere dann, wenn bisher MS-Office im Einsatz war. Schon bei den eigentlichen Dateien besteht, wie oben gesagt, keine 100%ige Kompatibilität und Makros müssen komplett neu programmiert werden. Dabei ist zu bedenken, daß erstens die Zahl der in Betrieben insgesamt vorhandenen, häufig verwendeten Office-Dateien bzw. der Dateien mit "Vorlagecharakter" weitaus größer ist, als die der eventuell vorhandenen betriebsoffiziellen Formular- bzw. Vorlagedateien. Darüber hinaus muß bedacht werden, daß aufgrund der einfachen Handhabung des MS-Office Makrorekorders viele automatisierte Vorlagen vorhanden sind. Im Klartext: Es ist auch für Anfänger (nach 5-minütiger Einarbeitung) möglich, mittels des Makrorekorders selbst stundenlange Kopier-, Speicher-, Formatierungs- oder Texteingabeaktionen usw. nebenher aufzuzeichnen und diese, wenn dieselbe Aufgabe wieder ansteht, automatisch und in Sekunden ablaufen zu lassen. Mit etwas Geschick (Wechsel zwischen absoluter und relativer Aufzeichnung) sind hier sogar sehr flexible Aufzeichnungen möglich, die sich je nach Situation verwenden lassen. Ein großer Teil betrieblicher Rationalisierungserfolge läßt sich auf solche von Nicht-EDV-Mitarbeitern entworfenen, einfachen Automatisierungen zurückführen, ohne daß dies unbedingt ins Blickfeld betrieblicher Entscheidungsträger gelangt wäre. Dieselben Anwender, die mit MS-Office weitreichende Automatisierungen erreicht haben, müssen mit OO.o buchstäblich bei Null anfangen und - wie oben schon angedeutet: die Möglichkeit, einfachere Abläufe neu aufzuzeichnen, ist mit dem OO.o Makrorekorder nur eingeschränkt gegeben und die Programmiersprache Starbasic orientiert sich an "höheren Aufgaben", weniger an der schnellen Lösung alltäglicher Probleme.

Dies ist kein Plädoyer gegen OpenOffice, sondern die Aufforderung, eine Migration genau zu planen. Hier gibt es bisher nur sehr wenig Referenzmaterial in Form von Ablaufplänen oder Fallstudien.

Ein sehr interessanter Artikel findet sich in der Zeitschrift iX (Ausgabe 12/04): "G(e)leitschutz", wo auf Basis allgemeiner Machbarkeits-Überlegungen und insbesondere der Analysetools einer kommerziellen Migrationssoftware das Pro- und Contra diskutiert wird. Die grundsätzliche Tendenz Pro-Migration verstellt im Artikel nicht den Blick auf die möglichen Kosten, die beispielhaft anhand einer unternehmensoffiziellen Excel-Vorlage nach StarOffice/Openoffice-Calc auf über 19.000,- Euro kalkuliert werden. Abgesehen von solchen Fällen, in denen sicher grundsätzlich über Sinn und Unsinn einer 1:1-Migration nachgedacht werden müßte, bleiben als grundsätzliche Kalkulationshilfen ein durchschnittlicher Aufwand von zwei Stunden für die Migration eines einzigen Dokuments und Umprogrammierungskosten von 6,24 Euro für eine Zeile VBA-Code.

Hilfreich ist auch ein Dokument der Firma M.I.C.-Consulting: "Hinweise zum Umstieg", in dem ebenfalls die positiven Aussagen zu Openoffice vorherrschen. Dennoch werden kritische Töne, insbesondere zu möglichen Produktivitätseinbrüchen, negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation und zum Umschulungsaufwand nicht unterdrückt.

Beide oben genannten Texte sind pro OO.o eingestellt, der letztere stammt aus einem Unternehmen, das mit OO.o-Dienstleistungen sein Geld verdient, ebenso wie die im ersten Link vorgestellte Migrationssoftware, die horrende Umstellungskosten ausweist (insbesondere, wenn man bedenkt, daß mittels des MS-Office-Makrorekorders leicht 100 Zeilen VBA-Programmcode in einer Minute und auch von Anfängern aufgezeichnet werden können).

An dieser Stelle soll nicht verschwiegen werden, daß sich die Texte noch auf die 1er-Versionen von OO.o beziehen. Mit Version 2, die seit Oktober 2005 zum Download bereitsteht, sind viele Probleme hinsichtlich der Übernahme von Formatierungen und Formeln aus MS-Office-Dateien verschwunden. Der Konvertierungsaufwand einer durchschnittlichen Datei (ohne Makros) sollte nunmehr weit unterhalb von zwei Stunden liegen und in vielen Fällen sogar verschwinden. In älteren OO.o-Versionen gab es bereits bei recht einfachen, in der Praxis häufig verwendeten Formatierungen (z.B. verbundene Zellen) größere Probleme. Ganz unten soll noch einmal stichpunkthaft auf die Verbesserungen in OO.o 2.0 eingegangen werden.

Was in der derzeitigen Diskussion etwas vernachlässigt wird, ist die Möglichkeit, beide Büroprogramme nebeneinander zu nutzen. Zumindest vorhandene MS-Office-Lizenzen müssen nicht mehr gekauft werden und es ist absolut nicht nötig, ständig zu updaten (mit Ausnahme der kostenlosen MS-Fehlerbeseitigungs-Updates). So könnte sich letztlich das bessere Programm durchsetzen und an vielen Arbeitsplätzen, vielleicht sogar an den meisten dürfte OO.o tatsächlich die bessere Wahl sein oder könnte es bei der derzeitigen Entwicklungsgeschwindigkeit auf Sicht von vielleicht zwei, drei Jahren auch allgemein sein.


3. Kurzer Erfahrunsgbericht


Nun ganz kurz zu meinen persönlichen Erfahrungen bei der Entwicklung von Rechnung-Easy, einer Programm-Datei, die ich für MS-Office kostenpflichtig, für OO.o als Open-Source-Freeware anbiete (siehe unter Fertige Programme). Beide enthalten die Möglichkeit, Rechnungen wahlweise von Hand, durch Stammdatenübertrag oder gemischt zu erstellen. Dies erfordert, daß eventuell von Hand überschriebene Formeln wiederhergestellt werden. Unter MS-Excel sind die zugehörigen Abläufe, Schaltflächen und Layouts theoretisch leicht in einer Viertelstunde zu programmieren, jedoch führt ein in allen neueren MS-Excel-Versionen vorhandener Fehler dazu, daß sich (zumindest bei meiner flexiblen Lösung des Problems) Formeln nicht mehr aktualisieren, auch nicht durch eine erzwungene Neuberechnung. Die nächste Rechnung zeigt im Klartext teilweise immer noch die Daten des Vorgängers an, obwohl diese in einer Referenztabelle längst gelöscht bzw. geändert sind. Es hat schließlich etwa vier Wochen gedauert, bis ein perfekter Ablauf gefunden war, um diese Microsoft-Fehler zu umgehen, natürlich nicht in ununterbrochener Arbeit, aber dennoch begleitet von vielen Versuchen, endlosen Tests und Rückschlägen. Die jetzige Version ist natürlich so flexibel wie der Ursprungsentwurf.

Im Gegensatz dazu war die Aufgabenstellung unter OO.o für mich eine ganz andere, nämlich - abgesehen vom automatischen Einlesen der fertiggestellten Excel-Datei - bei Null anfangen zu müssen: Keinerlei Erfahrung bezüglich der Kompatibilität zu haben und alle Makros, also nicht nur die Formelwiederherstellung in einer unbekannten Programmiersprache und mit einem - wie ich aus früheren Tests wußte - relativ unbrauchbaren Makrorekorder zu erstellen. Ausgehend von den Excel-Erfahrungen habe ich mit einer mindestens ebenso langen Entwicklungszeit gerechnet bzw. auch damit, daß eventuell nicht alles 1:1 übernommen werden könnte. Entsprechend der nicht 100%igen Kompatibilität mußte die eingelesene Excel-Datei im Layout tatsächlich etwas angepaßt werden, was (mit OO.o 1.1.4 !) ca. zwei Stunden dauerte. Darüberhinaus mußte ich mich auf www.openoffice.org über die Programmiersprache informieren. Ergebnis: Die Datei war nach zwei Tagen fertig, einschließlich aller Tests, die (abgesehen von der Beseitigung meiner eigenen Fehler) absolut fehlerfrei verliefen. Eine 1:1-Umsetzung war zwar tatsächlich nicht möglich; die Datei ist jedoch gleichwertig. Im Gegensatz zu Excel, wo die Bildschirmaktualisierung abgestellt werden mußte, da hier eine Unzahl kleiner, verwirrender Abläufe nötig waren, sieht der Anwender in der OO.o-Version sogar, was passiert und kann zusätzlich Belegkopien als PDF-Datei erstellen.


4. Zusammenfassung


Microsoft Office ist eine Büroprogramm-Sammlung, die mit hohen Lizenzkosten und einer undurchsichtigen Lizenzpolitik verbunden, seit Jahren nicht mehr ausreichend weiterentwickelt wird und hochgradig fehlerhaft ist. In einigen Punkten stellt sie allerdings immer noch das Non-Plus-Ultra dar und der hohe Verbreitungsgrad garantiert im Moment eine Austauschbarkeit der Daten. Niemand wird Monopolist (und dies ist Microsoft auch im Bereich von Bürosoftware wohl ohne Frage) durch die Herstellung schlechter Produkte. Dennoch kann ein Monopolist es sich leisten, Produkte nicht mehr ausreichend weiterzuentwickeln, Fehler über Jahre hinweg nicht abzustellen und ungerechtfertigte Preise zu verlangen. Dies tut Microsoft nunmehr seit etwa einem Jahrzehnt.

Ganz anders zeigt sich OpenOffice.org als eine mittlerweile in vielen Bereichen überlegene Software, die unablässig weiterentwickelt wird, frei und kostenlos verfügbar ist. Die Gleichung kostenlos=schlecht stimmt in diesem Fall überhaupt nicht.

Was abgestellt werden muß, ist die Polarisierung, die im Moment betrieben wird. Solange keine eindeutige Überlegenheit einer Software vorhanden ist, ist es Unsinn, ein endgültiges Urteil zu fällen und insbesondere im betrieblichen Umfeld eine 100%ige Migration durchzuführen bzw. einfach umzustellen und die Mitarbeiter mit dem Umstellungsaufwand alleine zu lassen. Die Diskussion bewegt sich derzeit zu sehr zwischen den Extremen 100%iger OO.o-Fanatiker, die MS-Office scheinbar nicht aus eigener Anwender-Erfahrung kennen und eingefleischter "MS-Office-Fans", die scheinbar niemals wirklich intensiv mit den Programmen gearbeitet, die Fehler und die mangelnde Weiterentwicklung also nicht kennengelernt haben.

Angesichts des immer noch unzureichenden Bekanntheitsgrads von OO.o kann nur die Empfehlung gegeben werden, das Programm selbst auszuprobieren und ein eigenes Urteil zu fällen. Die Relation von Aufwand bzw. Kosten und Ertrag kann immer nur im Einzelfall zwischen den beiden Programmen bestimmt werden.

Meine persönliche Entscheidung geht dabei in die Richtung, beide Programme weiterhin nebeneinander zu verwenden. Meine Überzeugung ist jedoch diejenige, daß OpenOffice in absehbarer Zeit überlegen sein wird. Microsoft wird derzeit sowohl auf der Betriebssystemebene (durch Linux) als auch bei den Büroprogrammen (durch OpenOffice) aufs schärfste bedrängt und die Art und Weise, wie Microsoft darauf reagiert oder besser: nicht reagiert, deutet für mich darauf hin, daß man den Kampf bereits aufgegeben hat und nunmehr nur noch so lange wie möglich "abzusahnen" versucht. Auch wenn das Open-Source-Prinzip bei OO.o an sich schon eine Konkurrenz innerhalb eines einzigen Produkts garantiert, wäre es mir persönlich jedoch lieber, wenn Microsoft als echter Konkurrent im Sinne eines Qualitätskampfs erhalten bliebe. Das Potential hätte das Unternehmen jedenfalls.

5. Anmerkungen zur aktuellen Version OpenOffice.org 2

Abschließend möchte ich kurz auf OpenOffice.org 2.0 eingehen.

Was die Kompatibilität zu MS-Office-Dateien angeht, hat sich, wie oben schon kurz erwähnt, einiges getan. Die meisten MS-Office- und insbesondere Excel-Dateien, auch mit komplexen Formeln und Formatierungen lassen sich nun problemlos mit OO.o öffnen und bearbeiten. Mangelhaft ist hingegen die (Rück-)Konvertierbarkeit nach MS-Office. Hier gibt es weiterhin große Probleme bereits bei einfacheren Dateien. OO.o-Anwender, die gezwungen sind, einen häufigen Austausch mit MS-Office-Nutzern vorzunehmen, haben hier einen erheblichen Aufwand bei der Entwicklung konvertierungssicherer Dateivorlagen.
Geblieben ist leider auch die Nicht-Nutzbarkeit der Microsoft-VBA-Makros und die eingeschränkte Brauchbarkeit des OO.o-Makro-Rekorders. Die OO.o-Makrosprache StarBasic ist weiterhin hoffnungslos überfrachtet. Ein VBA-StarBasic-"Übersetzungsprogramm" ist derzeit nicht verfügbar. Lediglich Sunīs kostenpflichtiges StarOffice 8 (Unternehmensedition) enthält ein kommerzielles VBA-Makro-Übersetzungstool eines Drittanbieters, das jedoch nur mithilfe einer nachgeahmten VBA-Umgebung einsatzfähig ist und einen in OO.o nicht lauffähigen, schlecht editierbaren, höchstwahrscheinlich nicht zukunftssicheren VBA-StarBasic-Mischcode erzeugt und zudem bereits bei einfachen Übersetzungsaufgaben versagt. Insgesamt scheint hier - sofern der Ansatz nicht wieder aufgegeben wird - noch viel Entwicklungsarbeit vonnöten. Die aussagekräftigsten Informationen zum Thema bieten derzeit in aller Kürze die Faq zu StarOffice , insbesondere die Punkte 13 und 16 sowie der OO.o-Forumthread HOW TO: Porting Excel/VBA to Calc/StarBasic .
Das derzeitige, recht neue StarBasic erfährt allerdings Unterstützung, in dem Sinne, daß sich zunehmend verwertbare Literatur und Codebeispiele für gängige Problemstellungen finden lassen.

Negativ fällt auch auf, daß die Anforderungen an die Leistungsfähigkeit des Rechners mit OO.o 2 nochmals erheblich gestiegen sind. Auf älteren Windows-PCs mit weniger als 128 MB Arbeitsspeicher ist das Programm nicht mehr vernünftig nutzbar, erzeugt Abstürze oder fehlerhafte Makro-Abläufe und damit Datenverlust. Letzteres dürfte zwar auf das mangelhafte Speichermanagement von MS-Windows zurückzuführen sein, dennoch wurde hier ein Entwicklungsziel eindeutig verfehlt und es besteht meiner Ansicht nach dringender Nachbesserungsbedarf. Für nicht wenige Anwender dürfte schon die Ladezeit des Programms Grund für die sofortige Deinstallation sein. Für Benutzer der im betrieblichen Umfeld häufiger anzutreffenden älteren Rechner bis Baujahr 1998/99 ist Version 2.0 schlicht unbrauchbar. Zu bedenken ist auch, daß selbst neueste Windows-Rechner recht leicht in eine Speichermangel-Situation kommen können. Häufiger Datenverlust, wie ich ihn persönlich bei der Benutzung der neuen OO.o-Version erlebt habe, darf einfach nicht passieren! Die mangelhafte Wiederherstellungsfunktion des Programms nach Abstürzen verschlimmert die Datenverluste sogar noch.

Optisch zeigt sich OO.o 2 sehr stark angelehnt an Microsoft-Office, während sich allerdings an den Bedienungsunterschieden nichts grundlegendes geändert hat. Von eingefleischten Microsoft-Gegnern (z.B. im OO.o-Forum) wird die Optik teilweise bemängelt. Entscheidender ist in diesem Zusammenhang aber wohl eher, daß ehemalige OO.o 1-Anwender aufgrund der Designänderung nun denselben Umstellungsaufwand (ohne direkten Zusatznutzen!) haben, den man zuvor als Malus der (seit nunmehr 10 Jahren eigentlich überflüssigen) MS-Office-Neuauflagen kritisiert hatte. Wie schon mehrfach erwähnt, ist MS-Office 97 immer noch technisch gleichwertig und auch leichter zu bedienen sowie wesentlich fehlerärmer, als die seither erschienenen Neuauflagen.
Allgemein nähert man sich in vielerlei Hinsicht an Microsoft an, leider sowohl im positiven, wie im negativen. Zum einen steht zu befürchten, daß die Funktionsfülle des Programms zu einer ähnlichen, wenn nicht höheren Instabilität führt, als sie allgemein bei Microsoft-Programmen zu beobachten ist, andererseits deutet vieles darauf hin, daß Sun Microsystems über kurz oder lang auch kommerzielle Erfolge durch das Projekt erwartet und z.B. die OO.o-Entwicklung zugunsten von StarOffice ausbremst.

Trotz dieser größtenteils kritischen Anmerkungen sollen die Vorteile von OO.o nun zusammengefaßt werden:
  • OpenOffice.org ist technisch absolut gleichwertig, für viele Zwecke auch eindeutig besser als Microsoft-Office.
  • Mit Version 2 hat sich die Kompatibilität zu MS-Office-Dateien entscheidend verbessert.
  • OO.o ist kostenlos.
  • Es kann frei von Lizenzfallen verwendet, verbessert und sogar verkauft werden.
  • Mit "Base" ist in OO.o 2 nun auch ein brauchbares Gegenstück zu (der nur in den teuren Professional-Editionen von Microsoft-Office vorhandenen Datenbank) MS-Access vorhanden.
  • Ein technisches Grund-Hemmnis der 1er-Versionen von OO.o wurde beseitigt: Die maximale Anzahl von Zeilen und Spalten einer Excel-Tabelle (65536 x 256) wird nun auch von OpenOffice.org-Calc geboten, so daß eine vollständige Datenübernahme auch sehr umfangreicher Tabellen möglich ist und (wichtiger bzw. praxisrelevanter:) die auf diesen (meist nur theoretischen) Höchst-Datenmengen aufbauenden Formeln korrekt übersetzt werden.
  • Die Hemmschwelle zur Nutzung fortgeschrittener Funktionen oder hin zur Makroprogrammierung ist grundsätzlich nicht größer, als bei MS-Office und der Makrorekorder für einfache Aufgaben durchaus brauchbar.
  • Wer, sei es aus Kosten- oder Qualitätsgründen, auf der Suche nach einer Alternative zu MS Office ist, wird zweifellos nichts besseres finden.
  • Wer, wie die Mehrzahl der Anwender, lediglich Grundfunktionen nutzt, wird praktisch keinen Unterschied feststellen.
  • Fortgeschrittene MS-Office-Anwender hingegen werden positiv überrascht sein von der Fehlerfreiheit des Programms (ausreichend Arbeitsspeicher vorausgesetzt) und von der Unterstützung, die seitens der Entwickler- und Anwendergemeinde geboten wird - ganz im Gegensatz zu der typischen Microsoft-Politik, für übertriebene Preise quasi keine Leistung zu erbringen.
  • Abgesehen von der Preisen, die für MS-Office zu zahlen sind, bleibt das Unding der proprietären bzw. geheimgehaltenen Dateiformate und der damit mangelhaften Zukunftssicherheit der MS-Office-Dateien. Insbesondere Behörden wechseln daher zu OpenOffice.org und das von OO.o benutzte, offene OASIS-Dateiformat steht kurz vor einer ISO-Standardisierung.
Es bleibt weiterhin nur der Rat an jeden Interessenten, das Programm selbst zu testen.

Wer arbeistspeicherbedingte Probleme oder allgemein Instabilitäten erlebt, sollte in Betracht ziehen, Version 2.0 nur dort einzusetzen, wo sinnvoll, also z.B. zur Konvertierung von MS-Office-Dateien oder für Datenbankanwendungen mit dem neuen Modul "Base", ansonsten aber auf die sehr empfehlenswerte Version 1.1.5 zurückzugreifen.

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