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SAP et cetera
Einleitung
Moderne ERP-Systeme versprechen, sofern man das Kürzel übersetzt, eine elektronische
Ressourcenplanung. Die englische Originalbezeichnung "Entreprise
Ressource Planning" macht noch deutlicher, worum es geht:
Sämtliche betrieblichen Verwaltungsabläufe (technischer wie kaufmännischer Natur)
werden unter dem Dach einer Universalsoftware zusammengefasst
und - soweit möglich - automatisiert.
Die Werbung
ERP-Systeme, unter denen SAP wohl das bekannteste sein dürfte, ermöglichen
es, einzelne Belege betriebsweit verfügbar zu machen. Doppelerfassungen, wie
sie etwa beim Übertrag handschriftlicher Vorerfassungen in ein Buchungssystem vorkommen,
entfallen. Daten werden dort erfaßt, wo sie enstehen. Die Daten stehen für ad-hoc-
Auswertungen tagesaktuell bereit.
Die Wirklichkeit
Inhalt und thesenartige Vorschau
1. Einrichtung
Stammdatenbankaufbau ist unumgänglich. Parallel zu den
Auswertungsmöglichkeiten
moderner ERP-Systeme steigen die Datenerfassungserfordernisse, so daß es
dringend geboten ist, wiederkehrende Daten als solche zu speichern.
Sofortige Einsetzbarkeit eines ERP-Systems (sofern gegeben) darf dabei
nicht wörtlich verstanden werden, sondern als ein Hinweis auf das
Vorhandensein von Wahl- und Optimierungsmöglichkeiten, die betriebsindividuell
und fortlaufend abgeschätzt und umgesetzt werden müssen.
2. Programmdesign
ERP-Programme müssen Entscheidungsträger überzeugen. Daher herrscht ein
Design vor, das durch eine Vielzahl von Menüs, Untermenüs und verschachtelte
Datenmasken einerseits Mächtigkeit bzw. Leistungsfähigkeit suggeriert,
andererseits durch die sich ergebenden, überschaubaren Bildschirmansichten
Beherrschbarkeit andeutet. Effektives Arbeiten ist bei einem solchen Design
nicht möglich, da Routinearbeiten vielfältig behindert werden.
3. Customizing
Customizing, also die weitreichende Möglichkeit der Anpassung einer
ERP-Software bedeutet in vielen Fällen die Beseitigung von nicht benötigten
Programmoptionen und unsinnigen Designelementen. Neben der Chance, quasi
ein abgespecktes Individualprogramm zu schaffen besteht die Gefahr, es durch
die Nachbildung überholter Betriebsstrukturen wieder aufzublähen. Gleichzeitig
bedeutet Customizing eine Verlagerung von Programmieraufwand und Fehlerrisiko
auf den Anwender.
4. Netzwerkvoraussetzungen
Es existieren viele erprobte Netzwerkarchitekturen.
Innerhalb dieser wird neben zentraler Datenhaltung auch die zentrale
Bereitstellung von Rechenleistung zunehmend beliebter. In allen Punkten
ist zu bedenken, daß sowohl eine perfekte Stabilität als auch eine
ausreichende Rechenleistung unabdingbar sind. Wegen der enormen Bedeutung
zentraler Daten und Rechenleistung für jeden einzelnen Arbeitsplatz
darf hier weder an Planungsaufwand noch an Hardwarekosten zu sehr gespart
werden.
5. Datensicherheit
Zentrale Datenhaltung erfordert hohe Sicherheitsmaßnahmen. Neben
der doppelten Datenhaltung, die zum Standard geworden ist, ist insbesondere
ein umfassender, nicht unproblematischer Virenschutz notwendig.
Ebenfalls nicht trivial sind Beschränkungen der Dateneinbringung, des
Datenaustauschs und insbesondere mitarbeiterbezogener Zugriffsrechte, ohne
die ein früher oder später eintretendes Datenchaos quasi unvermeidlich wäre,
mit denen aber effizientes Arbeiten oft unmöglich wird.
6. Workflow
Workflow, also die fließ(band)artige Gestaltung insbesondere
von Verwaltungsarbeiten, war als Forschungsgebiet lange aus der Mode,
nachdem die bereits während der Rationalisierungseuphorie der 20er Jahre des
vergangenen Jahrhunderts durchgeführten Versuche an der Vielfältigkeit und
Unkalkulierbarkeit
der Prozesse gescheitert waren - und dies in einem wesentlich unkomlizierteren
Arbeitsumfeld als heute. Die seinerzeit mit viel Manpower entwickelte und
überwachte, nunmehr durch Computereinsatz vereinfachte Zwangs-Strukturierung der
Arbeiten führt zu oft zu unlogischen Arbeitsabläufen und damit zu
Doppelarbeiten. Workflow-Projekte, die über die Sicherstellung des notwendigen,
innerbetrieblichen Belegflusses hinausgehen, sind auch heute nichts weiter, als
teurer Unsinn.
7. Vertragspartner
Bei ERP-Software handelt es sich um neueste Technologie ohne
Normierung, für die
Erfahrungen auf der Auftraggeberseite zwangsläufig fehlen. Nur so ist es
erklärbar, daß die Softwareindustrie problemlos unvorteilhafte
Vertragsbedingungen durchsetzen, den hinter den Automatisierungen stehenden
Aufwand verschweigen, die Programmierarbeit teilweise auf den Kunden
abwälzen, sinnvolle, schwer zu programmierende Funktionen weglassen,
zur Vorgängerversion inkompatible Updates herausbringen und
aus Gewährleistungsarbeiten Nachträge machen kann.
8. Information
Bei der Suche nach Informationen als Entscheidungshilfe für
ein bestimmtes ERP-System wird man viele Meinungen zu hören bekommen.
Ein Hersteller aber auch ein Projektverantwortlicher mit Praxiserfahrung
wird natürlich sein eigenes System
empfehlen, ein EDV-Leiter das komplizierteste, ein Sachbearbeiter oder auch
ein Abteilungsleiter dasjenige, das ihn nicht überflüssig macht. Bleiben
unabhängige Berater, die natürlich das System empfehlen, das möglichst
viele Folgeberatungen notwendig macht. Persönlich zumindest stichprobenhaft mit
verschiedenen Programmen beispielhafte Arbeiten auszuführen, ist die einzige
Möglichkeit der Information für Entscheidungsträger.
9. Der Entwicklungsstand der EDV im Allgemeinen
Grafisch immer anspruchsvolleres Programmdesign,
Abwärtskompatibilität zu Normen der 1960er-Jahre und ein Datenbankdesign,
das sich an vergangenen Speicherplatzminimierungen und akademischen
Idealvorstellungen orientiert, bremsen derzeit alle Leistungszuwächse
der Hardware aus. Proprietäre Datenformate einzelner Hersteller, die
qualitätsmindernde und Entwicklung bremsende Monopolstellung von Microsoft
sowie die weitgehende Fixierung der Softwareindustrie auf den Massenmarkt, mit
anfängerorientierten Programmen und entsprechend langwierigen Abläufen tun
ihr übriges.
10. Das Personal nach Systemeinführung
Die EDV-Mitarbeiter bis hin zur Leitungsebene müssen bereit sein,
ein weit überdurchschnittliches Fachwissen aufzubauen und gleichzeitig
mühselige Kleinarbeit im Tagesgeschäft zu leisten. Die Sachbearbeiter
dürfen nicht durch stumpfsinnige Arbeit oder die Unsicherheit des eigenen Jobs
demotiviert werden, damit sie bereit sind, eventuelle
Mängel der EDV pragmatisch auszugleichen.
Das Leitungspersonal darf nicht den Eindruck haben, durch die EDV entmachtet
zu werden und gegensteuern zu müssen. Alle strukturellen
Anpassungen und Personalentscheidungen müssen vor der Systemeinführung
erledigt sein.
11. Sonstige Rahmenbedingungen
Größere Unternehmen, für die ERP-Software interessant ist, sind selten
unternehmergeführt, daher sind die mit der Software verbundenen
Erfolgserwartungen fast immer kurzfristiger Natur. Planung und
sinnvolle Einrichtung werden vernachlässigt.
Nicht selten wird ERP-Software auch als Instrument für überfällige
strukturelle Anpassungen
gesehen, die auf dem normalen Entscheidungsweg nicht möglich zu sein
scheinen. Oft wird ERP-Software überstürzt eingesetzt,
um in einer schnellebigen Wirschaft einen vermeintlichen Vorsprung der
Konkurrenz aufzuholen. Individuelle Erfolgsfaktoren einzelner Unternehmen
bleiben zwangsläufig auf der Strecke.
12. Implementationsbeispiele und Zusammenfassung
Ein lediglich Kosten und Risiken minimierender Projektansatz, der eine
überhastete Systemeinführung mit sich bringt, ist ähnlich
problematisch wie ein Optimierungsversuch, der ein Übermaß an Planung
und Kommunikation erfordert.
Das grundsätzliche Defizit von ERP Software besteht in der Unterschätzung
betrieblicher Komplexität und der gleichzeitigen Überschätzung EDV-technischer
Möglichkeiten der Abbildung und Optimierung. Das ERP-Konzept fasziniert
allenfalls in der Theorie und der Werbung. In der Regel werden mehr
neue Probleme, Doppelarbeiten und Verzögerungen geschaffen, als beseitigt.
Unter dem Punkt ERP-Praxis werden einige anschauliche Beispiele gegeben.
1. Einrichtung
Mit dem Kauf der Software ist es nicht getan.
Der Versuch, ein ERP-Programm direkt nach der Installation praktisch zu nutzen,
hätte zwangsläufig extremen Mehraufwand zur Folge.
Der Grund liegt im
Universalcharakter der ERP-Systeme, die versuchen, die Datenerfassungs- bzw.
Belegbearbeitungsungstraditionen
der gesamten Wirtschaft oder zumindest einer ganzen Branche
in einem Programm abzudecken. Dies führt dazu, daß standardmäßig zu jedem
Beleg oder Vorgang Angaben verlangt werden, die über die Notwendigkeiten des
einzelnen Betriebes hinausgehen. Praktisch gesehen müßten die Sachbearbeiter
also am PC zu jedem noch so unbedeutenden Vorgang eine Unzahl von leeren
Eingabefeldern mit Daten füllen,
die gar nicht benötigt werden und demzufolge zuvor auch nicht erfaßt worden sind.
Die oben geschilderte Situation ist natürlich praxisfremd,
da man sich in den meisten Fällen über einen nicht zu unterschätzenden
Einrichtungsaufwand im Klaren sein dürfte. Die enormen Preise, die für ERP-Software
bezahlt werden müssen, führen zwangsläufig dazu, daß man sich nur in solchen Betrieben
damit auseinandersetzt, die diese auch bezahlen können bzw. bei denen überhaupt die
Möglichkeit besteht, die Kosten wieder hereinzuholen. Betriebe, die sich ERP-Software
leisten können, dürften einfach ausgedrückt über genügend personellen Sachverstand
verfügen, diese nicht blindlinks einzuführen.
Im ersten Schritt wird bzw. muß ein ERP-System also mit betriebsinternen Daten gefüllt
werden, die zur Folge haben, daß bestimmte Eingabefelder nicht mehr leer sind, sondern
bereits die Standardwerte enthalten. Standardwerte sind dabei z.B. Anschriften,
Kontonummern, Bankleitzahlen, vertragliche
Zahlungsziele, Buchungszuordnungen, Konten, Kostenträger,
die Kreditwürdigkeit von Auftragnehmern,
der mengenmäßig notwendige Lagerbestand des einzelnen Rohstoffs, der Zeitaufwand
für die Bestellabwicklung, mathematisch verwertbare Angaben zur Versorgungssituation,
aus denen sich z.B. Bestellfristen oder Lieferfristen ableiten lassen bzw.
die exakte Angabe dieser
Fristen, Artikelnummern, Artikelbezeichnungen, verschiedene Preise für
unterschiedliche Auftragnehmer, Auftraggeber, Verträge, Bestellmengen, Kapazitäten,
Deckungsbeiträge usw.
Jede Aufzählung über notwendigerweise zu erfassende Standard-Daten wird letztlich
langweilig und bleibt zwangsläufig lückenhaft. Der Menge an erfassbaren Daten
sind kaum Grenzen gesetzt. Eine riesige Bildungsmaschinerie
leitet Ihre Existenz zum größten Teil aus der Entwicklung neuer wirtschaftlich
verwertbarer Entscheidungsverfahren ab. Eine Vielzahl von Größtunternehmen
verfügt über die personelle Kapazität, diese Verfahren zu prüfen und umzusetzen bzw.
die erforderlichen Daten zu sammeln und zu verarbeiten. Die Menge an Ideen und
Verfahren, deren Umsetzung sich zumindest für Großunternehmen angesichts hoher
Produktionskapazitäten auch dann noch lohnt, wenn sich der stückbezogene Gewinn
im Cent- oder Promillebereich oder darunter bewegt ist immer noch unüberschaubar.
Am Ende der Kette stehen dann große Softwareunternehmen, die entscheiden, welche
Optionen standardmäßig in ihr ERP-Programm integriert werden müssen, damit dieses
nicht als "primitiv" empfunden wird.
Unabhängig davon, ob man sich für eine "lehrmeisterhafte" Software im
Stile von SAP entscheidet, die den Anwender zur Stammdatenerfassung zwingt und
damit den Erfassungsaufwand bei Einzelfall-Vorgängen teilweise extrem steigert
oder für eine Software im Stile von Microsoft-Navision, die dem Anwender die
Wahl läßt, was oft zu dem Ergebnis führt daß ein sinnvoller
Datenbankaufbau stattdessen oft mehr oder weniger ganz unterbleibt: Letztlich
bleibt der Anwender in der Pflicht. Eine Firma, die sich nicht schon vor der
Einführung eines ERP-Systems
in intensivster Weise mit Datensammlung, Datenverarbeitung und Automatisierungs
möglichkeiten auseinandergesetzt hat und praktische Umsetzungserfahrung besitzt
, wird keine Chance haben, den Arbeitsaufwand
der Sachbearbeiter und Datenerfasser zu verringern oder gar Personal abzubauen.
Für Firmen, die sich vor der
Anschaffung einer ERP-Software vor allem
auf das Organisationstalent
der Sachbearbeiter und Sachbearbeiterinnen bzw. auf die Entscheidungsfähigkeit
des Leitungspersonals verlassen haben, kann die Einführung einer ERP-Software sogar
leicht im Chaos enden.
Abgesehen davon muß die Schnittstellenproblematik
beachtet werden, d.h. es ist zu prüfen, inwieweit die bisherigen Daten bzw.
Datenformate automatisiert bzw. ohne nochmalige manuelle Erfassung in das ERP-System
übertragen
werden können.
Einen begrenzten Ausweg bietet das sogenannte Customizing, durch das ERP-Programme
an betriebliche Erfordernisse angepaßt werden könnnen. Hierzu in einem eigenen Punkt
später mehr.
Es bleibt festzuhalten, daß die Einführung eines ERP-Systems besser nicht
in einer Phase der Hochkonjunktur stattfinden sollten, da eine Aufwandsverminderung
nur dann möglich ist, wenn zunächst einmal beträchtliche personelle Kapazitäten
für die Einrichtung der Software zur Verfügung stehen.
2. Programmdesign
Aufgrund der hohen Kosten und der Eingriffe in die Betriebsabläufe
, die die Einführung eines ERP-Systems mit sich bringt,
wird die Investitionsentscheidung zwangsläufig auf höchster Ebene gefällt.
ERP-System werden aufgrund dessen speziell für den Blickwinkel von
Entscheidungsträgern entwickelt. Tabellen, die für jeden Sachbearbeiter sofort
nachvollziehbar sind, wirken auf Entscheidungsträger wenig attraktiv. Tabellen, die
sich über tausende Zeilen erstrecken, haben für Sachbearbeiter nichts
abschreckendes, stellen sie doch lediglich ein gewisses, belegbezogenes
Arbeitspensum dar und können sofort (auch auf Automatisierungsmöglichkeiten)
hinterfragt werden.
Entscheidungsträger hingegen könnten durch eine tabellenorientierte
Programmpräsentation lediglich abgeschreckt werden, da eine umfangreiche Tabelle
sofort als gleichbedeutend mit einem hohen Arbeitsaufwand gedeutet würde.
Aus diesem Grund arbeiten ERP-Programme standardmäßig mit Bildschirmmasken.
Bildschirmmasken sind Fenster, in denen zu jeder zum Programmablauf notwendigen
Angabe ein eigenes Eingabefeld vorhanden ist. Sie wurden ursprünglich
konzipiert, um
komplizierte Eingaben und Arbeitsabläufe zu vereinfachen, gewissermaßen, um diesen
eine grafische Richtschnur zu geben. Durch den Zwang, sich von Eingabefeld zu
Eingabefeld durchzuarbeiten, werden lückenhafte Angaben vermieden. Durch
feldspezifische Hilfetexte werden Verständnisprobleme beseitigt. Fehleingaben werden
verhindert, indem
zu jedem Eingabefeld bestimmte Datenformate und zulässige
Datenwerte(Bsp. Datum, Zahl, Preis, Währung
zulässige Umsatzsteuersätze oder auch
kompliziertere Gebilde, wie Text + Zahl - z.B. für ein Feld "Straße und Hausnummer")
fest vorgegeben sind) Nicht zuletzt
können Bildschirmmasken eine Übersicht über die Möglichkeiten eines EDV-Instruments
bieten, indem alle Einstellmöglichkeiten aufgeführt sind (Die Grundstruktur
dieser Website wurde z.B. mit Hilfe einer Eingabemaske erstellt, die mir alle
Möglichkeiten aufgezeigt hat. Das einfache zwei Spalten-Design
ohne viel Schnickschnack ist dabei eine
bewußte Entscheidung. Kompliziertere Stukturen wären mit der Eingabemaske
innerhalb von einer Minute möglich gewesen).
Das Hauptproblem von Eingabemasken im Zusammenhang mit ERP-Systemen ist jedoch,
daß Routinearbeiten ausgebremst werden:
- Zum ersten durch den Zwang, sich von
Feld zu Feld
durcharbeiten zu müssen, selbst wenn (z.B. da es sich nur um eine Teilerfassung
handelt und die endgültige Belegbearbeitung noch aussteht)
nur ein Teil tatsächlich auszufüllen ist. Teilweise müssen sogar mehrere Fenster
nacheinander aktiviert werden, da Entscheidungsträger ja auch durch zu umfangreiche
Eingabemasken noch abgeschreckt werden könnten.
- Zum zweiten durch fehlende Automatisierungsmöglichkeiten. Die bei der
Bearbeitung gleichartiger Belege sinnvolle Möglichkeit, die Daten des Vorbelegs
zu übernehmen und nur die unterschiedlichen Daten neu zu erfassen, ist mit Bildschirm-
masken nicht vernünftig machbar. Eine mit den Daten des Vorbelegs bereits ausgefüllte
Maske würde ein zu großes Fehlerpotential bergen (z.b. dadurch, daß die Notwendigen
Änderungen nur zum Teil erfolgen). Eine generelle Vorgabe, welche Daten zu ändern
sind (aus der sich beispielsweise Eingabemasken mit teilweise übernommenen und
teilweise leeren Feldern erzeugen ließen) ist nicht möglich, es sei denn
in sehr diversifizierten Größtunternehmen, in denen die einzelnen Sachbearbeiter
einen äußert begrenzten Aufgaben- bzw. Belegbereich bearbeiten. Die entsprechenden
Designentscheidungen müßten dann aber firmenindividuell und für jeden Arbeitsplatz
gesondert getroffen und programmiererisch umgesetzt werden ("Customizing").
Anstatt Sinn, Unsinn und Automatisierungsmöglichkeiten von Eingabemasken
hier weiter in allen Einzelheiten zu erörtern, sei der Vergleich mit Programmen
gestattet, die ehemals Gegenstand von Vergleichen und Investitionsentscheidungen
auf höchster Ebene waren, heute jedoch unabdingbarer Standard sind. Nachdem
beispielsweise Microsoft-Office Mitte der 1990er Jahre zum Standard geworden
war, wurden Datenmasken, Diashows und Präsentationsmodule (also schlicht alles,
womit man Entscheidungsträger beeindruckt, Sachbearbeiter hingegen nervt und
ausbremst) aus den Programmen entfernt. Nebenbei gesagt hat Microsoft die Gelegenheit
leider auch genutzt, die zwar präsentationsartigen, aber gerade für Anfänger
sehr nützlichen Lernprogramme zu entfernen. Es ist erschreckend, welche Möglichkeiten
dieser zu unrecht als wenig leistungsfähig berüchtigten Office-Programme ungenutzt
bleiben, da die Gelegenheit, sich schnell, bzw. ohne Buchkauf oder Weiterbildungskurs
über die Optionen zu informieren, mittlerweile fehlt.
3. Customizing
Nachdem in der Anfangszeit der ERP-Programme, die sich bis in die 1970er Jahre
zurückverfolgen läßt (zuvor hatten sich Automatisierungsbestrebungen aufgrund
begrenzter Rechenleistung bei hohen Gerätekosten auf einfachste Stapelverarbeitungen
auf staatlicher- oder Großkonzernebene beschränkt) der Versuch unternommen wurde,
wirklich universelle, sofort einsetzbare Programme zu schaffen, hat man auf Seite der
Programmanbieter seit einigen Jahren erkannt, daß das Ziel auf diesem Wege nicht zu
erreichen ist. Für Firmen, die die Vorreiterrolle beim Einsatz von ERP-Systemen
eingenommen haben, endete dies unweigerlich in mehr oder weniger großem Chaos
(je nachdem wieviele Programmmodule man wirklich eingesetzt hat) und
war nicht selten der Anfang vom Ende.
Ein Teil der Gründe hierfür dürfte dem Leser aus den vorhergehenden Punkten im
Ansatz klar geworden sein. Die Menge der Optionen, die ein solches Programm
vorhalten muß, ist zu groß. Einerseits könnten auch große Softwareunternehmen
nicht alle möglichen betrieblichen Arbeitsabläufe in schlüssig durchprogrammierte
und einfach zu bedienende Verfahren umsetzen. Andererseits kann man Unternehmen
nicht zumuten, diesen meist nur zum Bruchteil benötigten Ballast bei jedem
Arbeitsablauf mitzuschleppen.
Als ideales Instrument zur Lösung dieser Probleme hat sich bei ERP-Programmen
ein als Customizing umschriebenes Verfahren durchgesetzt. Einfach ausgedrückt
erhalten Käuferfirmen die Möglichkeit, ein ERP-Programm an ihre
betriebsspezifischen Bedürfnisse, Strukturen und Arbeitsabläufe anzupassen.
Diese Möglichkeit wird mehr oder weniger aufwandsintensiv geboten. So können
beispielsweise Eingabefelder aktiviert oder deaktiviert werden. Für Eingabefelder, die
keine komplizierte Prüfung erfordern, können desweiteren Formeln hinterlegt werden,
die aus belegindividuellen Daten und Standardvorgaben Ergebnisse errechnen (also
z.B. das Zahlungziel einer Rechnung). Für komplizierte Aufgaben, wie etwa die
Implementierung eines rein betriebsspezifischen Verwaltungsablaufs können schließlich
mit Hilfe einer programmspezifischen Programmiersprache Bildschirmmasken oder ganze
Module programmiert werden.
Das Customizing bietet eine ganze Reihe von Vorteilen.
Erstens ist keine Firma mehr gezwungen, bei Einsatz eines ERP-Programms
die Betriebsstukturen dem Programm anzupassen. Es müssen also keine Abteilungen
auseinandergerissen oder Sachbearbeiter mit Aufgaben betraut werden, für die
sie erst langwierig qualifiziert werden müssen;
Betriebsleiter werden strukturelles Beharrungsvermögen und mangelnde Qualifikation
von Sachbearbeitern zu genüge kennen, um diese Option hochzuschätzen.
Sicherungsmechanismen, wie z.B.
das Vier-Augen-Prinzip können betriebsindividuell implementiert werden. Die
in ihrem Betrieb beschäftigten Programmierer können sich nach der Festlegung
auf eine bestimmte ERP-Software auf das Erlernen einer einzigen Programmiersprache
konzentrieren. Es müssen keine zusätzlichen Entscheidungen für den Ankauf
passender Programmiersoftware getroffen werden. Sie erhalten alles
aus einer Hand und müssen sich bei Problemen nicht auf mehrere Ansprechpartner
einstellen.
Die Wirklichkeit muß auch hier etwas differenzierter betrachtet werden:
Kein ERP-Programm, das erfolgreich sein will, kann es sich leisten, den Eindruck
zu erwecken, daß die Programmierarbeit letztlich auf die Käuferfirmen abgewälzt
wird. Ein Großteil des Customizing wird sich also darauf beschränken,
unsinnige Datenfelder und Auswertungsoptionen, mit denen zuvor Entscheidungsträger
von der Mächtigkeit des Programms überzeugt worden sind, zu deaktivieren.
Der Möglichkeit, überkommene Betriebsstrukturen im Programm abzubilden,
steht die Unmöglichkeit entgegen, ineffiziente Strukturen mit Hinweis auf die
neue Software abzubauen. überflüssige Leitungskräfte, deren gesamte Tätigkeit
(aus der Sichtweise eines Programmierers gesprochen) nicht mehr, als ein paar
einfache Rechenformeln (und vielleicht ein bißchen "Smalltalk" mit Auftraggebern)
umfaßt, könnten ihren Posten behalten. Leitende, die Ihre Daseinsberechtigung weniger
aus Leistung, als aus der Zahl der Untergebenen ableiten, finden mit Hilfe des
Customizing und guten Beziehungen zur EDV-Abteilung ausreichend Möglichkeit, diese
Zahl konstant zu halten oder zu steigern.
Die Festlegung auf eine einzige Software kostet auch entsprechend. Die Tatsache,
daß (aus der Sicht eines Anlegers geprochen) die Goldgräberzeiten für
Softwareunternehmen allgemein vorbei zu sein scheinen, belegt auch, daß die Preise
berechtigt sind. Aus wirtschaftlichen Gründen ist die Entscheidung für eine einzige
Software zwangsläufig langfristig; der Umstieg auf ein besseres Konkurrenzprodukt
ist erst dann sinnvoll, wenn die Kosten sich amortisiert haben oder die
Konkurrenzsoftware zu einer beschleunigten Amortisation beider Projekte führt
(ein sehr unwahrscheinlicher Fall).
Softwareunternehmen, die für sich herausnehmen, die Effizienz
anderer Unternehmen mit Hilfe ihrer Software zu steigern, können selbst nicht
nachstehen, d.h. bei Problemen erreichen Sie zunächst einmal nur Call-Center-
Mitarbeiter, die auch bei bester Motivation nicht jede Frage beantworten können.
Gerade die guten Call-Center-Mitarbeiter werden sogar versuchen, Sie (z.B. durch
hastige Lösungsvorschläge) abzuwimmeln, um das gewünschte Gesprächspensum zu
erreichen.
Es bleibt festzuhalten, daß das intensiv umworbene und gefeierte Customizing
doch nichts weiter bedeutet, als den Programmieraufwand auf die Käuferfirmen abzuwälzen
(selbst wenn dieses nicht so beabsichtigt ist) und Chancen, die sich aus dem Kauf
einer auf unabdingbare Arbeitseffizienz getrimmten,
d.h. unveränderbaren Software ergäben, verspielt werden.
4. Netzwerkvoraussetzungen
Bei den bisher angesprochenen Punkten, ist darauf verzichtet worden, die
wesentlichste
Voraussetzung eines ERP-Sstems zu nennen, nämlich das Vorhandensein
eines Firmennetzwerks.
Die einmalige, endgültige Erfassung von Daten am Ursprungsort (ohne übertragsfehler und
Doppelarbeiten) setzt das Vorhandensein eines Netzwerks voraus, über das diese Daten
sowohl versandt als auch abgerufen werden können.
Zur Errichtung eines Firmennetzwerkes sind zunächst einmal verschiedene technische
Optionen zu prüfen, auf die hier nicht im näheren eingegangen werden soll.
Fragen
Sie Ihre EDV-Spezialisten nach den verschiedenen Grundkonzepten des Datenaustauschs
im Netzwerk. Die Konzepte, durch die sichergestellt werden soll, das ein abgerufenes
Datenpaket beim richtigen Empfänger landet, ohne die benutzte Datenleitung (also das
Kabel) übermäßig zu beanspruchen sind mannigfaltig. Die Techniken zur Erreichung
dieses Ziels sind jedoch allesamt sehr ausgreift, so daß allenfalls Kosteneffekte,
im wesentlichen also Tagespreise zu beachten sind.
Der grundsätzliche Aufwand, der zur Errichtung eines Firmennetzwerks in jedem Fall
zu betreiben ist,
ist jedoch derart hoch, daß die Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten
geradezu geboten scheint. über die Option der zentralen Datenspeicherung wird
mittlerweile nicht mehr diskutiert. Sofern diese nicht ohnehin durch die eingesetzte
ERP-Software vorgegeben ist, wäre es schlichtweg unsinnig, über die der zur Erreichung
der arbeitsplatzbezogenen Funktionalität nötigen Datenaustauschfunktionen
bei zentraler Datenspeicherung hinauszugehen. Die Funktionalität, die benötigt würde,
um eine dezentrale Datenspeicherung bei gleichzeitiger zentraler Auswertbarkeit
und universeller Austauschmöglichkeit sicherzustellen wäre geradezu idiotisch groß.
Hierbei geht es jedoch um nicht mehr, als sicherzustellen, daß Sachbearbeiter B
die Vorleistungen von Sachbearbeiter A nutzen kann, ohne alles umstellen
und umrechnen zu müssen und gleichzeitig zu beachten ist, daß es auch in
mittelständischen Unternehmen tausende möglicher Kombinationen aus A und B gibt:
Darüber
hinaus will das Leitungspersonal - unabhängig von einer tatsächlichen Notwendigkeit -
natürlich auch nicht unwissend bleiben.
Fragen Sie einfach Ihre in Statistik vorgebildeten Mitarbeiter !
Wenn durch die Notwendigkeiten der Datenverarbeitung eine zentrale Datenspeicherung
also die einzig sinnvolle Option darstellt, ist zu prüfen, ob nicht auch die eigentliche
Rechenleistung und die Programme zentral zur Verfügung gestellt werden sollten.
Auch diese Frage wird meiner Ansicht nach in nicht allzu ferner Zukunft standardmäßig
bejaht werden. Der Aufwand, der betrieben werden muß, um die gundsätzliche
Funktionsfähigkeit und zusätzlich noch die Netzwerkfähigkeit
dezentraler Recheneinheiten (also Standard-PC´s, wie man sie im Laden kaufen kann)
aufrecht zu erhalten wäre zu groß bzw. gibt es in einer Firma, die ein ERP-System
eingeführt hat, dringlichere Aufgaben, als die Leistungsfähigkeit eines einzelnen
Sachbearbeitungs-Arbeitsplatzes bei Problemen sicherzustellen.
Die Wartung bzw, die Reparatur eines PC´s oder die Suche nach pragmatischen
Ersatzinstrumenten (z.B. Taschenrechner) bei zeitweisen Problemen kann man nicht mehr
dem einzelnen Sachbearbeiter überlassen, wenn davon direkt die Funktionfähigkeit
des gesamten Betriebs abhängt und die Art bzw. die technischen Spezifikationen
dieser Funktionalität durch eine ERP-Software bzw. durch das betriebliche Customizing
vogegeben sind.
Die Zukunft gehört also (trotz der enormen Rechenleistung moderner PC-Systeme)
zweifellos wieder den zentralen Recheneinheiten, wie sie früher üblich waren.
Ergänzt werden diese dann durch wartungsarme und kostengünstige Satelliteneinheiten
die im Gegensatz zu einem PC nichts anderes können, als zentrale Daten,
zentrale Rechenleistung und zentral gespeicherte Programme abzurufen.
Bisher dürfte klar geworden sein, daß die direkten Investitionskosten
vielleicht die einzig greifbare Konstante bei der Einführung einer ERP-
Software sind. Die positiven oder negativen mittel- und langfristigen Effekte
der Software selbst dürften kam abschätzbar sein. Der Bedarf an Speicher oder
Rechenleistung darf jedoch nicht zu knapp kalkuliert werden. Der Versuchung, einen
schnellen Erfolg des neuen Systems durch die Differenz aus Netzwerkkosten und den
alternativen Kosten aus Wartung und Ersatz von Einzel-PCs des alten Systems
abzuleiten, sollte erst nach sehr genauer Prüfung nachgegeben werden.
Normalerweise sollte man ohnehin davon ausgehen, daß die Anforderungen
an die EDV-Kapazitäten nach Einführung eines ERP-Systems steigen, insbesondere dann,
wenn vorher vieles in "Handarbeit" erledigt wurde. Zu prüfen ist auch, ob
die EDV-Mitarbeiter den Kapazitätsbedarf des einzelnen Arbeitsplatzes überhaupt
einschätzen können. Die Datenmengen, mit denen Sachbearbeiter umgehen, übersteigen
nicht nur das Vorstellungsvermögen von Leitenden sondern erreichen nicht selten
ein Niveau, das selbst EDV-Fachleute überrascht. Sofern man nicht alle Beschäftigten
mit einem pauschalen Kapazitätslevel ausrüsten will, der zwangsläufig eher zu hoch
angesetzt werden müßte, sind also aufwendige Einzelfallprüfungen
notwendig. Sofern man sich nicht völlig auf die ERP-Software beschränken will (ein
zwar denkbarer aber letztlich wirklichkeitsferner Ansatz) muß zudem für jeden
angeschlossenen Arbeitsplatz - unabhängig vom tatsächlichen Einsatz - ein
entsprechender Preis bezahlt werden. Einige Softwarefirmen machen zwar mehr oder
weniger günstige Pauschalangebote, jedoch sind die genauen Vertragskonditionen
im Einzelfall zu prüfen.
Festzuhalten bleibt, daß viele technische Alternativen sowohl kaufmännisch
als auch technisch zu prüfen sind, insbesondere da sie den Charakter einer
langfristigen Investition haben.
Im Vergleich zu Einzel-PC-Systemen ist die technische Stabilität dabei von
entscheidender Wichtigkeit, da bei einem Ausfall nicht nur ein einzelner Arbeitsplatz,
sondern die gesamte Firma betroffen ist. Im Extremfall liefe gar nichts mehr
bis das System wieder repariert ist.
5. Datensicherheit
Direkt mit der Netzwerkstabilität verbunden ist die Frage der Datensicherheit.
Da durch die zentrale Speicherung der Daten enorme Gefahren bei Datenverlusten
bestehen, muß Sicherungskapazität bereitgehalten werden. Im allgemeinen
werden die Daten doppelt und an verschiedenen Orten gespeichert. Dies
ist einfach Standard, über den nicht mehr diskutiert wird. Der Versuch, eine
darüber hinausgehende Sicherheit zu schaffen, würde ihre Konkurrenzfähigkeit
gefährden. Auf doppelte Datenhaltung zu verzichten, wäre hingegen fahrlässig,
da Datenverlust durch technische Ausfälle, Brände, Blitzschlag, gezielte Sabotage
usw. absolut nicht unwahrscheinlich ist. Die Doppelsicherung wird in der Regel
so vorgenommen, daß am Ende des Arbeitstags der Inhalt des Hauptspeichers
in den Sicherungsspeicher übertragen wird. Im Falle eines Ausfalls des
Hauptspeichers ist also schlimmstenfalls die Arbeit eines Tages (im Regelfall
jedoch deutlich weniger) zunichte gemacht und müßte rekonstruiert werden.
Zur Rekonstruktion dürfte es ausreichen, den Sachbearbeitern entsprechende
Anweisungen zu geben, die Arbeit des Vortags nachvollziehbar, d.h. wiederholbar
zu machen.
Abgesehen von der doppelten Speicherung der aktuellen Daten,
die die absolut nötige Grundsicherung darstellt, müssen von Zeit zu Zeit
zusätzliche, endgültige Sicherungen vorgenommen werden, um zu vermeiden, daß
die Daten einfach ausgedrückt zwar doppelt aber doppelt fehlerhaft gespeichert
werden. Für den Fall, daß jemand einen entscheidenden Fehler macht, der erst nach
mehreren Tagen
entdeckt wird, könnten große Datenmengen vernichtet sein. Der Hauptfall wäre
natürlich eine felerhafte Entscheidung des Systemadministrators, aber auch einzelnen
Sachbearbeitern kann nicht zugemutet werden, daß durch einzelne Fehlspeicherungen
wochenlange Arbeit zunichte gemacht wird. Auch die zeitweise endgültige Sicherung
erfordert letztlich keinen großen Entscheidungsaufwand. Zum einen gibt es
Faustregeln dafür, wie oft endgültig gesichert werden muß, zum anderen dafür,
wann diese endgültigen Sicherungen vernichtet werden können, der Platz in den
Archiven also wieder freigemacht werden kann. Desweiteren reicht es auch aus,
jeweils nur die veränderten Daten zu speichern und die Kosten für Speichermedien
sinken unablässig. Die Entscheidungen sind allesamt recht gut kalkulierbar.
Im Gegensatz zu den Gefahren, die von mangelnder Datensicherung ausgehen,
deren Grunderfordernisse wohl schon zur Allgemeinbildung gehören dürften und die
leicht und firmen- oder arbeitsplatzindividuell abgeschätzt werden können und
dementprechend verhindert werden, sind andere Gefahren weitaus unkalkulierbarer.
Das Zerstörungspotential von Viren, Würmern, Trojanern etc. ist völlig
unberechenbar. Die entprechende Schutz-Software ist nicht unfehlbar und muß immer
auf dem neuesten Stand gehalten werden. Die besseren unter den Antivirenprogrammen
versuchen, mögliche Schädliche zu erkennen, bevor diese überhaupt bekannt sind.
Die "besseren" unter den Viren hingegen ändern ständig ihre Form und ihren
Programmcode oder verstecken sich innerhalb harmloser Dateien und sind letztlich nur
an sehr allgemeinen Kriterien erkennbar. In der Folge wird gute Antivirensoftware
eine bestimmte Menge harmloser Dateien als "möglicherweise gefährlich" einstufen.
Die Programmierer von Antivirensoftware geben sich durchaus Mühe, dies nicht zu
übertreiben, also die Anwender durch zu viele unbegründete Fehlermeldungen zu
enttäuschen, die letztlich mehr Arbeit machen, als eventueller Virenbefall.
Die Menge an Daten und Dateien, die üblicherweise in Firmennetzwerken vorhanden ist,
ist jedoch groß genug, um tägliche falsche Virenmeldungen zur Regel werden zu lassen.
Machen Sie sich auf ausreichend unnütze Arbeit gefaßt.
Das beste Mittel zur Datensicherung besteht aus diesem Grunde nicht in der
Beherrschung, sondern in der Vermeidung von Gefährdungen, d.h in der Beschränkung
von Datenaustausch, Dateneinbringung und Datenänderung.
Im Klartext bedeutet das: Beschränkung der Programme auf die vom Systemadministrator
vorgegebenen. Beschränkung der Dateneinbringung auf das, was diese Programme
zulassen (eventuell noch weiter). Beschränkung des Datenaustauschs auf die Beziehungen
zu Geschäftspartnern. Beschränkung der Zugriffsrechte der Mitarbeiter selbst gemäß
der am einzelnen Arbeitsplatz benötigten Informationen, gemäß Abteilungsbefugnissen,
gemäß Geheimhaltungserfordernissen usw.
Mitarbeiter, die es gewohnt sind, bestimmte Programme einzusetzen, die durch das
Raster fallen, die die Programme in vollem Umfang ausnutzen (also nicht nur
die vom Administartor installierten Module), die gerne Arbeit mit nach Hause nehmen,
werden sich "bedanken", da ihnen diese Möglichkeiten verwehrt werden.
Mit anderen Worten: Die motivierten Mitarbeiter werden über die Maßen gegängelt.
Allen, die ihre Arbeit als "Job" auffassen, am Tag das unbedingt notwendige Pensum
erledigen, pünktlich nach Hause gehen, keine Ideen einbringen usw. werden nicht
opponieren, da ihnen genau dieses Verhalten sogar noch leichter gemacht wird.
Bei aller über die Anwendung von unbestrittenen Faustregeln hinausgehenden
Anwendung von Datensicherheitskonzepten ist demzufolge eine Prüfung auf Vertretbarkeit
bis in die kleinste Nuance des einzelnen Arbeitsplatzes nötig. Notfalls
ist festzulegen, welches Maß an Einschränkung und Demotivation der Mitarbeiter
durch die Fähigkeit der ERP-Software, dies zu kompensieren, noch gerechtfertigt ist.
6. Workflow
Workflow ist ein heute gerne benutztes Schlagwort der mit ERP-Systemen beschäftigten
Softwareindustrie. Im Grunde bedeutet es nichts anderes, als das aus der
Massenfertigung bekannte Fließprinzip (einige Kaufleute werden mit dem etwas
eingeschränkten Begriff des Fließbandprinzips vielleicht mehr anzufangen wissen)
auf ein gesamtes Unternehmen, also im Endeffekt auf die bisher oftmals ausgesparte
Verwaltung auszudehnen.
Der Versuch, Verwaltungsarbeiten fließbandartig zu organisieren, also dafür
zu sorgen, daß jede notwendige Arbeit pünktlich ausgeführt, an jedem Arbeitsplatz
ein notwendiges Leistungspensum erbracht wird, nachfolgende Abteilungen rechtzeitig
und in kalkulierbarem Ausmaß mit Informationen bzw. neuer Arbeit versorgt
werden, ist nicht neu. Aufgrund einer Unzahl kostenintensiver, fehlgeschlagener
und kontraproduktiver
praktischer Versuche
(und dies auch schon lange vor Erfindung des ersten Computers),
war dieses Thema lange Zeit für die betriebswirtschaftliche
und die in die im Bereich der Wirtschaft absolut nicht unverdiente soziologische
Forschung Tabu bzw. höchstens noch Anlaß für Erörterungen, warum dies unmöglich sei.
Die durch die moderne EDV gegebenen, automatisierten Kontroll- und Auswertungs
möglichkeiten sind für die Bildungsindustrie nun willkommener Anlaß, dieses
alte Thema wieder aufzugreifen und neu zu bewerten. Neben den Betriebswirten und
Soziologen haben nun auch Techniker und unter diesen insbesondere Informatiker
neue Arbeit bzw. Universitäten und Fachhochschulen neue Aufträge aus der
Industrie erhalten.
Der Hauptunterschied zwischen Massenfertigung und Verwaltung besteht zunächst
einmal in der Unterschiedlichkeit der "Werkstücke", die selbst in arbeitsteiliger
Verwaltung gegeben ist.
Darüber hinaus sind diese Werkstücke veränderbar, da jeder Beleg
zusätzlich von anderen Menschen verwaltet wird. Diese ändern ihr Verhalten
je nach Auftragslage, Dringlichkeit, finanzieller Situation, Anweisung oder
persönlicher Stimmungslage.
Desweiteren kann die Konzentration unmöglich von selbst (oder durch ein Fließband)
auf ein einzelnes
Werkstück gerichtet werden, diese Aufgabe muß der einzelne Sachbearbeiter
erledigen - durch Sortierung und konzentrierte Abbarbeitung der Aufgaben.
Letztlich ist die gesamte Fließarbeitsdiskussion überflüssig, da gute
Verwaltungsarbeit letztlich flußartig organisiert ist, mit dem Unterschied,
daß nicht ein mechanischer Prozeß, sondern das Organisationstalent einzelner
Menschen die Effizienz dieses Prozesses bestimmt.
Das Erfolsrezept ist dabei die Wiedervorlage von abzurufenden Leistungen, hierbei
handelt es sich um eigene Leistung, Vorleistungen und nicht selten auch um
Nachleistungen, die abzurufen und zu kontrollieren sind, wenn man - aus welchem
Grund auch immer - nach erledigter eigener Arbeit für die endgültige Fertigstellung
verantwortlich bleibt.
Workflow innerhalb der Verwaltung bedeutet nun nichts anderes, als durch den
Computer dieselbe Unterstützung zu gewährleisten, die ein Arbeiter am Fließband
erhält, nämlich die aktuell zu erledigende Arbeit paßgenau
ohne über- oder Unterlastung vorgesetzt zu bekommen.
Dazu gehört, die Fälligkeit eines Belegs festzustellen, den Bearbeitungsaufwand
abzuschätzen, die Arbeit dementsprechend gerecht zu verteilen usw.
Am Fließband ist das die Sache des Meisters, der mit dem Auge feststellen kann,
ob der Ablauf funktioniert. Die Planung kann sich dabei auf ein Minimum beschränken.
In der Verwaltung hingegen ist ein Höchstmaß an Planung nötig. Ein knapp
kalkulierter Prestigeauftrag aus dem man sich einen größeren Folgeauftrag verspricht
und den man selbst benutzt, um Auftraggebermentalität und sonstige Rahmenbedingungen
kennenzulernen, verursacht wohl zweifellos mehr Arbeit, als ein normal kalkulierter
Standardauftrag gleicher Größenordnung.
Die Unterschiede liegen dabei nicht unbedingt in der reinen Bearbeitungszeit
des einzelnen Vorgangs, sondern in dem Interesse, den Nachfragen, der Nervosität,
die von allen Seiten hinzukommt. Umsatz ist also kein Maßstab.
Menge ist auch kein Maßstab, da man z.B. eine 100seitige Rechnung nicht mit einer
Tankquittung vergleichen kann,
obwohl aus beiden im ERP-Programm eine Buchungszeile gleicher Größe übrigbleibt.
Eine rein mengenmäßige Betrachtung würde zudem nicht zwischen schlampiger
und sorgfältiger Arbeitsweise trennen.
Die Aussagen der Mitarbeiter sind auch kein Maßstab. Im Extremfall würden
nichtsnutzige Selbstdarsteller bevorzugt behandelt.
Wenn man sich nicht mit dem Fortbestand der alten Abteilungen in
Personalstärke und Belegfluß nicht zufrieden geben will, ist also wiederum
äußerst sorgfältige Kleinarbeit nötig, um eventuelle Ineffizienzen
im bestehenden System zu ermitteln, zusätzlich die Arbeitserleichterungen
bzw. (oftmals übersehenen) Mehrbelastungen durch die ERP-Software
abteilungsindividuell festzustellen,
die Akzeptanz von Umstrukturierungen zu ermitteln, die bisherigen Arbeitsabläufe
zu zerlegen, neu zu gestalten usw. Letztlich muß man genauso vorgehen, wie
es bei jeder Umstrukturierung nötig ist, nur daß man sich zusätzlich noch mit
den Anforderungen der Software (Datenbanken, Zugriffsrechte, festgelegte
Erfassungsabläufe, Customizing usw.) auseinandersetzen muß.
Keine Verwaltung kommt ohne Fließprinzip und ohne fallweise Unstrukturierungen aus;
der Einsatz von ERP-Software macht die Sache einfach ausgedrückt nur komplizierter.
7. Vertragspartner
Die Hersteller von ERP-Software sind meist relativ junge, oft noch von den
Gründern geführte Unternehmen, die sich mit einer Materie beschäftigen, mit der sich die
Auftraggeber im Zweifel nicht oder nur in Ansätzen auskennen, für die sie selbst
hingegen einen Experten- oder Vorreiterstatus einnehmen.
Zudem ist die Anzahl der Produkte,
die von diesen Unternehmen vertrieben werden, in der Regel so klein, daß für
Fragen der produktspezifischen Vertragsgestaltung mit Auftraggebern, die Ermittlung
möglichst vorteilhafter Einzelstandards geradezu Pflicht ist bzw. die Prüfung bis
ins kleinste Detail gleichermaßen geboten wie in der Gesamtbetrachtung unaufwendig
erscheint. übergeordnete Standards, wie es sie für jeden alteingesessenen
Wirtschaftszweig in Form von Gesetzen, Verdingungsordnungen, Musterurteilen usw.
existieren, gibt es praktisch nicht.
Diese Ausnahmestellung nutzen die Softwarehersteller in aller Regel aus.
Inwiefern Erfolg in der Softwarebranche ein Maßstab für Kundenzufriedenheit
und ordnungsgemäße Vertragserfüllung ist, sei also dahingestellt.
Im Einzelfall gestaltet sich die Ausnutzung der Sonderstellung folgendermaßen:
- Der Einrichtungsaufwand wird verschwiegen, stattdessen wird mit Vorteilen
geworben, die für computerunerfahrene Nutzer geradezu sensationell erscheinen.
Die Möglichkeit, Bilanzen oder Monatsabschlüsse auf Knopfdruck und innerhalb von
Sekunden zu erstellen, mag für manchen Entscheidungsträger geradezu
unglaublich erscheinen, der dahinterliegende Programmieraufwand angesichts
vorhandener - vom Programm vorgegebener - Datenbanken ist jedoch minimal.
Maximal wird hingegen der
Erfassungaufwand für diese Datenbanken, wenn nicht alle firmenspezifischen
und programmspezifischen Standardinformationen in den Grunddatenbanken hinterlegt
sind. Die Hinterlegung der Grunddaten bleibt aber zwangsläufig Sache des
Auftraggebers.
- Da ERP-Software bis heute vor allem in Form von firmenunspezifischen
Standardanwendungen existiert, ist die Möglichkeit eines Customizing zwar ein
gutes Werbeargument, aber nichts anderes als Verlagerung der Programmierarbeit
auf den Auftraggeber.
- Alle über Standardauswertungen hinausgehenden Analysen sind zunächst einmal
von Datenformaten abhängig, die vom Auftraggeber festzulegen sind. Ob z.B eine
Auftragsnummer 8- oder 16-stellig zu sein sein, hängt von der Auftraggeberfirma
ab und kann daher nicht standardmäßig einprogrammiert werden. Für größere
Unternehmen muß sogar bei jeder Tochterfirma ein eigenes Format möglich sein. Ob die
Auftragsnummer als Text, Zahl, Datum oder sonstwas gespeichert wird, ist ebenso von
der Progarmmierung innerhalb des einzelnen Unternehmens abhängig, darum kann
ein vom Unternehmen einmal vorgegebenes Datenformat auch nicht Standard für
weitere Vorgaben sein. Chaos ist vorprogrammiert oder anders ausgdrückt: Ein
Unternehmen, das nicht schon vor Einführung einer ERP-Software EDV-mäßig
auswertbare Standardindizes festgelegt hat, wird durch ERP-Programme nicht
durchschaubarer. Auswertungen, die man mit Hilfe der ERP-Software automatisieren
wollte, bleiben dann Handarbeit.
- Die Bereitstellung ausreichender Firmennetzwerke ist nicht die Sache
der Softwareindustrie. Der flüssige Ablauf des Programms ist also von
der Auftraggeberfirma bzw. von einem weiteren Vertragspartner abhängig,
der die Hardwarevoraussetzungen schafft.
Nichts ist wirklich greifbar. Auch die Softwareindustrie macht ihre Gewinne
mittlerweile nicht mehr mit den Hauptaufträgen, sondern mit Nachträgen.
Nur: Im Gegensatz zum Handwerker, der notfalls per Funktionalvertrag zur
Erbringung einer ausreichenden Leistung gezwungen ist, ist die Softwareindustrie
in der Lage, auch aus Gewährleistungsarbeiten Nachträge zu machen, da das
bei universeller EDV-Software mögliche Datenchaos immer als Ergebnis der vom
Auftraggeber falsch genutzten Funktionalität und Flexibilität des Programms
ausgelegt werden kann.
Einige Rechtsanwälte haben sich inzwischen
darauf spezialisiert, Auftraggeber von ERP-Projekten zu unterstützen, bzw.
Enttäuschungen
zu vermeiden, indem eine unternehmensspezifische Grundfunktionalität der Programme
in die Vertragsbedingungen mit aufgenommen wird.
Zu bedenken ist dabei jedoch, daß Rechtsanwälte und
Softwareunternehmen sich Leistungen und bestimmte Vertragsklauseln entsprechend
honorieren lassen
und daß ein nicht zu unterschätzender Datenbeschaffungsaufwand
zwangsläufig beim Auftraggeber verbleiben muß.
Anstatt weiter über den Wissensvorsprung der Softwareunternehmen und die
zwangsläufige - oft kontraproduktive - Funktionalität universell einsetzbarer
ERP-Software nachzudenken, sei folgendes gesagt:
Eine Firma, die mit unternehmensindividuellen Auftragsprogrammierungen schlechte
Erfahrungen gemacht hat, etwa weil das Produkt zu teuer oder bei
Strukturveränderungen zu inflexibel war, wird mit ERP-Standardsoftware
im Zweifel keine besseren Erfahrungen machen. Der Planungsaufwand für
individuelle Software entfällt zwar, dafür entsteht an anderer Stelle
entsprechender Zusatzaufwand aus dem Zwang, den unternehmensunabhängigen Teil
der ERP-Software irgendwie mit Leben zu füllen oder zu deaktivieren.
Zudem sollte man sich von der Vorstellung trennen, daß ERP-Software
etwas endgültiges darstellt, im Gegenteil !. Updates zur Abdeckung von
Gesetzesänderungen oder Programmverbesserungen sind an der Tagesordnung
und es gibt genügend Beispiele, wo nach einem Update die alten Daten und
Programmeinstellungen nicht vollständig übernommen werden konnten.
Eine Firma hingegen, die EDV-mäßig über keinerlei oder zu wenige Erfahrungen
verfügt, sollte von ERP-Software besser ganz die Finger lassen, da das ganze
zu leicht im Chaos endet und niemand gewährleistungspflichtig zu machen ist.
8. Information
Vor der Entscheidung für eine bestimmte ERP-Software bleibt zwangsläufig
die Frage, wo man sich die entscheidungsrelevanten Informationen besorgt.
Literatur zum Thema gibt es genügend. Die Darstellung des Aufwands und
die Bereitstellung detailierter Verfahrensanweisungen zu jedem Menüpunkt der Software
und zu jeder dahinterliegenden Datenbanken ist auch letztlich kein Problem.
Ebenso ist es kein Problem, allgemeine Beurteilungen zu einzelnen Softwareprodukten
abzugeben oder vage Abwägungen zu Vor- und Nachteilen zu publizieren, die auch bei
Anwendung wissenschaftlicher Verfahren subjektiv bleiben.
Da kein Entscheidungsträger in der Lage sein wird, sich das nötige
Detailwissen zu erarbeiten, kommt den Erfahrungsberichten aus der Praxis und
Einschätzungen von Mitarbeitern eine entscheidende Bedeutung zu.
Die Einführung von ERP-Software ist in aller Regel mit enormen Kosten,
großen - wenn nicht überzogenen - Rationalisierungserwartungen und vielen
persönlichen Karrierehoffnungen verbunden.
Die Frage ist also, von wem realistische Einschätzungen zu erwarten sind,
insbesondere muß man sich fragen: "Wer soll warnen ?"
- Bekannte aus Konkurrenzunternehmen, die eine Software eingeführt haben ?.
Auf Nachfrage wird man höchstens zu hören bekommen, daß große Probleme
erfolgreich gemeistert wurden.
- Kollegen aus anderen Unternehmen desselben Konzerns ?
Auch die werden nicht
zugeben, wenn etwas schiefgelaufen ist. Im Gegenteil, für das Projekt als
"Profit-Center" wird
grundsätzlich Gewinn ausgewiesen, selbst dann, wenn das Schwesterunternehmen als Ganzes
Verlust schreibt.
- Die eigenen EDV-Spezialisten ?
Die Einführung einer ERP-Software mit
Firmennetzwerk gehört
sicherlich zum Besten, was einem abhängig beschäftigten Informatiker
passieren kann. Die eigenen Karrierechancen steigen schlagartig. Je komplexer
das System, desto größer die Chance, quasi unkündbar zu werden, desto
besser die Position bei Gehaltsverhandlungen. Wenn etwas schiefläuft,
oder Rationalisierungseffekte ausbleiben, kann
man es auf die Technik schieben. Wenn alles im Chaos endet, hat man mit
den gewonnenen Erfahrungen trotzdem gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Das am schwierigsten zu beherrschende Programm ist gerade gut genug.
- Externe Berater ?
Diese werden nach langwieriger Analyse Ihres Unternehmens (für die wiederum
Sie die Informationen bereitstellen müssen) oft guten Rat geben.
Ganz von einer ERP-Software abraten werden sie jedoch nicht, sonst hätten
sie ihr Ziel verfehlt und könnten zudem nicht auf Folgeaufträge hoffen.
- Die eigenen Sachbearbeiter?
Auch die müßten zunächst mit Informationen versorgt werden, in Form von
Programmvorführungen, Kurzlehrgängen, Testläufen oder ähnlichem. Am Ende
wäre jeder Sachbearbeiter sehr wohl in der Lage, das für seine
Zwecke passende Programm zu empfehlen oder ganz abzuraten. Wegen des Aufwands
und der Gebundenheit durch das Tagesgeschäft werden Sachbearbeiter allenfalls
stellvertreterweise mit einbezogen, d.h. z.B. einer oder eine pro Hauptabteilung.
Kritische Typen, Leute, die Ihren Vorgesetzten gefährlich erscheinen, die
ihre Arbeit gut und schnell erledigen, vielleicht sogar eigene Programmiererfahrung
besitzen, mit Arbeit ausgelastet sind, also gerade die, die die wertvollsten Hinweise
zu Nutzen und Nachteilen einzelner Programme geben könnten, werden nicht selten
klein gehalten, schlecht gemacht oder sind im positivsten Fall für das
Tagesgeschäft zu wertvoll, um abgezogen zu werden.
Wer ausgewählt wird, empfiehlt schließlich das Programm, das
am wenigsten Intellekt abverlangt und am meisten, möglichst stumpfsinnige
und überflüssige Arbeit macht. Dazu erhält man in aller Regel noch mehrere
Empfehlungen je nach Einsatzort.
- Die Abteilungsleiter ?
Da wäre zunächst einmal zu fragen, ob diese denn wissen, was in ihren Abteilungen
im Detail abläuft. Sofern Leitende überhaupt eigene Sachbearbeitungserfahrung
haben, liegt diese meist lange zurück und wurde in anderen Abteilungen oder
anderen Unternehmen gewonnen. Zudem werden gerade die besseren Vorgesetzten
davon absehen, ihre Mitarbeiter zu sehr zu kontrollieren und damit zu demotivieren.
Und durch zeitweise Mithilfe bei Krankheit oder Urlaubsvertretungen setzt man sich
als leitender höchstens der Gefahr aus, Fehler zu machen oder den Eindruck zu
erwecken, mit der eigentlichen Leitungsaufgabe nicht ausgelastet zu sein. Soetwas
wird also nur in absoluten Notfällen geschehen und dann nur einen unvollständigen
Einblick ermöglichen.
Leitende können also nur in Bezug auf Ihre eigenen Aufgaben wirkliche Hinweise
geben. Auch hier werden dann wieder mehrere Programme empfohlen und nur solche,
die den einzelnen nicht arbeitslos machen, also nur möglichst begrenzte
Automatisierungen ermöglichen. Sofern die Frage dennoch auch auf die Arbeit
der untergebenen Sachbearbeiter kommt, wird das Programm gewählt, das deren Zahl
zumindest aufrechterhält, besser noch: erhöht. Sofern durch ERP-Software
Strukturänderungen absehbar sind, die den eigenen Posten gefährden,
wird das Programm empfohlen, das die erwarteten Änderungen nach Möglichkeit
verhindert oder im Chaos enden läßt. Sofern den Leitenden Erfolgsprovisionen für
Effizienzsteigerungen (oder Personalabbau) gezahlt werden, wird das Programm
gewählt, das am wenigsten Aufwand macht, von ungebildeten Kräften bedient werden kann,
notfalls werden schnelle Entlassungen durchgeführt und die verbliebenen Sachbearbeiter
überlastet. Die Funktionsarmut eines Einfachstprogramms, ungebildetes und überlastetes
Personal ist aber wohl nicht, was im heutigen Konkurrenzkampf benötigt wird.
Als vielleicht überraschendes Ergebnis bleibt, daß die beste
Entscheidungsgrundlage für die Wahl einer ERP-Software in akribischen Auswertungen
besteht, die am besten auf der obersten Leitungsebene des Unternehmens stattfinden
sollten. Hierzu sind alle möglichen Quellen heranzuziehen, dazu gehört auch die
oben ausgesparte Möglichkeit der Information anhand der Werbematerialien der
Softwarefirmen. Die Aussagen dieser Quellen sind kritisch zu hinterfragen,
notfalls ist Weiterbildung nötig (Unternehmensleiter sind - von der Softwareindustrie
abgesehen - selten Computerspezialisten).
Die einfachste Möglichkeit der Abschätzung besteht wohl darin, seitens der
Unternehmensleitung Testversionen der Softwareprodukte auszuprobieren, sich
genauestens über die Voraussetzungen und Möglichkeiten zu informieren und
zumindest test- bzw. tageweise selbst mit diesen Programmen
zu arbeiten. Nach erfolgter Entscheidung muß dann nur noch der Vertrag mit
der ausgewählten Softwarefirma so gestaltet werden, daß sich die Realität
nach der Installation des ausgewählten Programms an den Testbedingungen messen
lassen kann bzw. die Auftragnehmer bei Abweichungen regreßpflichtig gemacht werden
können. Das ist dann aber aufgrund des auf die Auftragnehmer verlagerten Aufwands
und Risikos letztlich wieder eine Kostenfrage.
Als überspitzte Abschlussbemerkung bleibt festzuhalten, daß nicht wenige
Unternehmensleiter - nach dem Ausprobieren von ERP-Software - zu dem Ergebnis
kommen würden, daß stattdessen besser Kontenblätter, Kohlepapier, Taschenrechner,
Standardformulare und ähnliches angeschafft werden und Computer - soweit möglich -
aus dem Unternehmen verbannt werden sollten.
9. Der Entwicklungsstand der EDV im Allgemeinen
Die großen Fortschritte der EDV insbesondere in den letzten 30 Jahren sind
unbestritten. Das Entwicklungstempo, mit dem die Leistungsfähigkeit der Systeme
schon auf PC-Ebene gesteigert wird, steht immer noch an der Spitze, verglichen
mit allen
übrigen Industrien und Techniken. Jedoch gibt es, sobald man von
den technischen Grunddaten - wie etwa der Prozessorleistung - absieht,
eine große Menge bremsender Einflüsse.
Zunächst ist zu bemerken, daß das hohe Entwicklungstempo, wenn es
konsequent umgesetzt würde, zur Folge hätte, daß heutige Standardgeräte und auch
Standardsoftware innerhalb eines Jahres hoffnungslos veraltet wären. Zur Vermeidung
dieses Effekts, der nicht verantwortbare Investitionskosten
und ständiges Umlernen und Umprogrammieren zur Folge hätte,
gibt es in der EDV-Industrie den Grundsatz der Abwärtskompatibilität.
Die heute üblichen 32- oder 64-bit-Prozessoren können nicht darüber hinwegtäuschen,
daß die auf 8 bit oder lediglich 256 (bzw. 28) Zeichen ausgerichtete
Computertechnik der 1960er Jahre das Maß der Dinge bestimmt. Versuchen Sie einmal,
mit Hilfe Ihrer Standard-Computer-Schrifttypen einen
Brief an Ihre polnischen oder türkischen Geschäftspartner zu schreiben, in dem
zumindest der (bestimmte Sonderbuchstaben enthaltende) Name korrekt geschrieben ist.
Sofern Sie überhaupt wissen, daß es bestimmte, über die Zeichen der Tastatur
hinausgehende Sonderzeichen gibt, werden Sie unter den insgesamt 256 Zeichen die
richtigen fast nie finden. Das Problem ist natürlich lösbar, aber nur mit einem
Aufwand, der anhand der Leistungsfähigkeit der heutigen PC´s nicht mehr
gerechtfertigt ist.
Gleichzeitig sind aus den Anfängen der Computertechnik
abgeleitete Geisteshaltungen scheinbar unausrottbar. Die Grundsätze der
Datenbankgestaltung orientieren sich beispielsweise immer noch an technischen
Beschränkungen der Vergangenheit. Speicherplatzminimierungen, die die erste
Mondlandung angesichts der seinerzeit geringen Kapazitäten überhaupt erst ermöglicht
haben, sind immer noch Ansporn für die aktuelle Wissenschaft und eventuell
Ansporn für die Schöpfer von ERP-Software.
In der Forschung spricht man von Normalformen der Datenhaltung, von denen
nur die ersten drei allgemein anerkannt, in den meisten Fällen sinnvoll und überhaupt verständlich
sind, von denen aber mittlerweile neun existieren, die in der Konsequenz und einfach
ausgedrückt zu einer Inflation einzelner Teil-Datenbanken führen, aus denen
nichts mehr direkt mit dem Auge abzulesen ist und die demzufolge auch eine
programmiererische Auswertung erschweren. Inwieweit Speicherplatzminimierung
mit Aufwandsminimierung bei Datenerfassung und Datenauswertung einhergehen, bleibt
dabei die Designentscheidung der einzelnen Softwarefirma.
Das dumme an dem ganzen betriebenen Forschungsaufwand ist nur, daß jeder,
der versucht, eine Datenbanken anzulegen, nach wenigen Tagen die für ihn passenden
Datenhaltungsprinzipien selbst herausgefunden hat und auch unbestreitbar
schlecht strukturierte Datenbanken mit geringem Zusatzaufwand in jeder
Beziehung auswertbar bleiben, während übertriebene Speicherplatzminimierung
kaum kompensierbar ist.
über die bremsende Abwärtskompatibilität und veraltete Forschungsansätze hinaus
muß natürlich noch das Bestreben der Programmentwickler betrachtet werden,
Leistungszuwächse im Hardwarebereich innerhalb der Software auszunutzen.
Wo einzelne Softwareprodukte im Funktionsumfang nicht mehr mit den technischen
Leistungszuwächsen mitgehalten können, wird z.B. das optischen Design anspruchsvoller.
In der Folge ist über meinen eigentlich veralteten 386er PC mit Windows 3.1,
den ich ab und zu
noch nutze, folgendes zu bemerken: Der Rechner startet schneller, die älteren
Versionen der Programme öffnen sich schneller und zumindest einfache Berechnungen
laufen schneller ab, als auf meinem neuen 3000MHz XP-PC oder dem 350er Pentium II
mit Windows 98, den ich für Büroanwendungen und Internet immer noch standardmäßig
nutze. Seltsamerweise hat man sich aber scheinbar daran gewöhnt, daß neue Rechner
immer langsamer werden, so daß seitens der Softwareindustrie wohl kein Bedarf
zum Gegensteuern besteht.
über Abwärtskompatibilität und bremsende Funktions- oder Designansprüche hinaus
muß als drittes der Konkurrenzkampf innerhalb des (mittlerweile nicht mehr so stark)
boomenden EDV-Markts gesprochen werden. Bis heute - das wird wohl niemand bestreiten -
hat die Firma Microsoft mit einem nahezu monopolartigen Marktanteil das Rennen
gemacht, obwohl die zugrundeliegenden Strategien recht einfach zu durchschauen sind.
Der lobenswerte Ansatz von Microsoft war dabei immer, besser zu sein, als andere,
besser in Stabilität, Funktionsvielfalt und gleichzeitig Bedienbarkeit der
Programme. Wer bei dieser Aussage opponiert, sollte folgende Einschränkung lesen:
Zur besseren Qualität der Produkte gesellte sich bei Microsoft selbstverständlich
auch ein Verdrängungswettbewerb, der Wille, im Sinne des Gesamterfolgs des Unternehmens
notfalls auch Verlustsparten hinzunehmen, mit denen Konkurrenten beseitigt werden
konnten, Knebelverträge mit Auftraggebern (!) abzuschließen, die Konkurrenzprodukte
ausschlossen. Dies alle auf der finanziellen Basis lange zurückliegender,
wirklich rein technisch bzw. qualitätsbedingter Erfolge der ehemals auf Betriebssysteme
spezialisierten Firma.
Die wirklichen Probleme heutiger Microsoft-Produkte (diese dürften inzwischen zum
Allgemeingut geworden sein, selbst für Leute, die ansonsten wenig mit Computern arbeiten)
begründen sich aber in einer weiteren, diesmal vielleicht fatalen Entscheidung dieses
Unternehmens, nämlich zugunsten eines minimalen Vorteils an weiterer
Funktionalität, Sicherheitsstandards in Bezug auf Datenzugriff und Datenmanipulation
aufzugeben. In Verbindung mit der Entscheidung
für eine möglichst zentrale Datenhaltung, eigentlich zum Zwecke verbesserter
Wartungsmöglichkeiten geschaffen, sind Microsoft-Systeme und Microsoft-Produkte
in unverantwortbarer Weise durch Viren, Würmer, Trojaner etc. aber auch durch jedes
eigentlich harmlose Programm und sogar unbeabsichtigt angreif- und zerstörbar.
Die Schwierigkeiten, die sich aus dieser Designentscheidung ergeben, bzw. die
Unmöglichkeit, die Gefahren durch weitere Zusatzprodukte wieder auszuschließen,
ergeben sich schon aus der Tatsache, daß Microsoft den Markt für Antiviren- oder
Systemoptimierungsprogramme nahezu kampflos der Konkurrenz überläßt.
Daß die Sache nicht mehr wirklich in den Griff zu bekommen ist, merkt man schon daran,
daß sogar bei Microsoft-Pressevorführungen Systemabstürze vorkommen, auf
Computern, die eigentlich dazu eingerichtet sein dürften, so etwas auszuschließen.
Darüber hinaus
wird an einer Rückgängigmachung des Zugriffsdesigns von Windows derzeit wohl nicht
gearbeitet, da die Abwärtskompatibilität nicht mehr gegeben wäre. Der bei einer
völlige Systemumstellung fällige Aufwand (die alten Programme würden einfach nicht
mehr funktionieren)wäre groß genug, um Konkurrenzprodukte attraktiv zu machen. Der
nicht mehr vorhandene, an sich schon heute winzige Funktionalitätsvorteil würde ein
übriges bewirken.
Wer wenig mit dem Computer arbeitet, wird die dann sporadisch auftretenden Probleme
harmlos finden, sofern größerer Probleme überhaupt auftreten. Wer die
Computertechnik jedoch intensiv nutzt, wer gezwungen ist, ein Problem mit oft
zwangsläufig sehr aufwendigen Methoden zu lösen, wird ganz anders darüber denken.
Jede ERP-Systementscheidung muß also auch die Wahl des gewünschten Betriebssystems,
notfalls einer Kombination mit einbeziehen.
Als letztes ist die Fixierung der Softwareindustrie auf den Massenmarkt
zu erwähnen. Der Massenmarkt möchte Produkte, die sofort verständlich sind,
deren Möglichkeiten man visuell oder durch Ausprobieren ausloten kann.
Kaum jemand ist bereit, sich vor der ersten Benutzung einer Software mühsam
einzuarbeiten. Die heutigen Softwareprodukte sind also entweder sehr einfach gestrickt,
so daß eine grafische Benutzeroberfläche nicht abschreckt oder aber die
Benutzeroberflächen sind so verschachtelt, daß zumindest auf den ersten Blick
keine Überforderung der Konsumenten eintritt. Praktisch gesehen haben grafische
Oberflächen aber eine Folge: Anstelle des Aufwands, eine bestimmte
Kommandozeilensprache zu erlernen steht nun der Aufwand, dieselben Kommandos
innerhalb eines Menüsystems überhaupt zu finden bzw. diese bei mehrmaliger Anwendung
jedesmal wiederzufinden. Zudem hat das Abschreckungspotential der alten
Kommandozeilenprogramme dazu geführt, daß der Befehlsumfang gering blieb, während
heute eine Unzahl oft mehrfach verschachtelter Menüpunkte kaum noch erfaßbar
ist und wichtige Grundfunktionen sich auf der tiefsten Ebene finden. Der Verdienst, grafischer Benutzeroberflächen, einen Massenmarkt erst
möglich gemacht zu haben, ändert nichts daran, daß eine einmalig erlernte
Kommandosprache weitaus effektiver zu handhaben ist.
Wo früher eine Kommandozeile in 10 Sekunden eingetickert war, müssen heute Programme
geöffnet und mehrere Menüpunkte in verschiedenen Untermenüs ausgewählt werden.
Eine Vervielfachung des Aufwands! Zudem sind gewisse
Grundmöglichkeiten einer Kommandosprache, also z.B. die Automatisierung bestimmter
Arbeitsabläufe mit Menüsystemen nicht möglich oder selbst bei großen
Softwareprodukten erst in Ansätzen vorhanden, da schwer zu programmieren und letztlich
oft schwieriger zu erlernen, als eine alternative Kommandosprache selbst.
Die besseren Programme bieten daher zusätzlich zum Menüsystem die Möglichkeit
eine Kommandozeilenbedienung. Die wirklich guten Programme bieten sogar zusätzlich
zur Kommandosprache eine eigene Programmiersprache, wie etwa Visual Basic von
Microsoft oder ABAP von SAP, mit der nahezu jede individuelle Anpassung möglich ist, diese
meist firmenspezifischen, d.h. in großer Vielzahl vorhandenen Kommando- und Befehlssprachen
müssen aber auch erst erlernt werden.
In Wirklichkeit wird die EDV nicht einfacher, sondern schwieriger. Wer nur den
Massenmarkt und das heute vorhanden EDV-Allgemeinwissen sieht, sollte sich vor Augen
halten, daß auf dieser Basis nur selten Effizienzsteigerungen entstehen.
Bleibt angesichts verschiedener Grundkonzepte und firmenindividueller
Programmiersprachen, Menüstrukturen, Datenformate (alles geschaffen, um Konkurrenz
auszuschließen, indem Benutzern ein eventueller Umstieg oder Austausch erschwert wird) die Frage
nach übergeordneter Normierung. Diese gibt es praktisch nicht. Die heute vorhandenen
Normierungsbehörden, wie etwa das W3-Konsotium im Internetbereich sind selbst weniger
mit ordnungsliebenden Beamten oder praktisch denkenden Technikern als mit
technikfaszinierten EDV-Pionieren besetzt. Die Folge sind ständig geänderte Normen
und Empfehlungen, die, sofern sie von der Softwareindustrie überhaupt beachtet werden,
nur unzureichend oder wiederum mit firmenspezifischen Besonderheiten umgesetzt werden.
Das Standardrezept angesichts ungelöster Probleme und praktisch nicht vorhandener
Normen in der EDV ist die Beschränkung auf das Machbare. Gerade dies können die
großen ERP-Systeme aber nicht leisten, da sie ihren zweifelhaften Reiz mehr
noch als andere Programme aus den mannigfaltigen Funktionsmöglichkeiten ziehen.
10. Das Personal nach Systemeinführung
Bei Einführung eines ERP-Systems ist ebenso die Frage zu stellen, welche
personellen Konsequenzen sich ergeben. Die Frage ist zum einem, wie die Mitarbeiter auf
die Software reagieren, aber auch, welche Qualifikationen benötigt werden.
Da wären zuerst die EDV-Abteilung oder die hausinternen Experten - wie auch
immer dies organisiert ist - zu betrachten. Zunächst sollten Sie das vorhandene
Fachwissen nicht zu hoch einschätzen. Sofern es doch vorhanden ist, sollten Sie
nicht unbedingt davon ausgehen, daß über das spezifische Fachwissen hinaus
mehr als nur eine vage Ahnung davon vorhanden ist, was in den einzelnen
Abteilungen zu tun ist. Der Beruf des Organisationsprogrammierers (der in der
Ausbildung darauf trainiert wird, Alltagsprobleme mit Hilfe selbsterstellter,
überschaubarer Programme zu lösen, Detailarbeit zu leisten und dabei die Firma als
ganzes,
also z.B. einem möglichst reibungslosen Datenaustausch zwischen den einzelnen
Anwendungen nicht aus den Augen zu verlieren) ist heute fast ausgestorben.
Wenn Sie einen erfahrenen Organisationsprogrammierer in Ihren Reihen haben, können
Sie sich wahrscheinlich glücklich schätzen. Ansonsten bleibt die Frage, welche
Berufsbilder übrig bleiben. Bei Diplominformatikern oder Diplom-
Wirtschaftsinformatikern (Uni oder FH) kann von unzureichender Ausbildung oder mangelnder
Problemlösungsfähigkeit sicherlich nicht die Rede sein. Inwieweit sich diese
jedoch praktisch umsetzen läßt, hängt in erster Linie von der persönlichen
Einstellung und der Motivation dieser Mitarbeiter ab. Ein Training auf
praktische Lösungen hin, findet in der akademischen Ausbildung kaum statt
und kann nur durch Berufserfahrung erworben werden. Wem es bis jetzt noch nicht
klar geworden ist, sollte sich zusätzlich vor Augen halten, daß die Errichtung
eines ERP-Systems vom Fachpersonal in Grunde das Persönlichkeitsbild von
Nobelpreisträgern verlangt, nämlich enormes Fachwissen, gepaart mit
der Bereitschaft, mühevolle und oft frustrierende Kleinarbeit zu leisten.
Wer von Ihren bisherigen Mitarbeitern vergleichbare Fähigkeiten noch nicht
bewiesen oder trotz Motivation und Kleinarbeit noch nichts zustande gebracht hat, oder
jahrelang an Kleinstanwendungen herumprogramiert, die trotzdem nicht
wirklich fertig werden, wird vielleicht nach der rettenden ERP-Software schreien,
aber einrichten, warten und verwalten kann so jemand diese Software nicht.
Die Errichtung eines ERP-Systems, die Entwicklung von Datenkonzepten,
Datenerfasungsrichtlinien, Datenformaten, Netzwerken etc. ist keine "Herrenarbeit".
Auf dem Arbeitsmarkt werden Sie genügend Leute finden, die sich mit ERP-Systemen
auskennen, aber jemanden, der in der Lage ist, diese Programme wirklich zu meistern, werden
Sie auch entsprechend bezahlen müssen, denn diese Leute sind sehr rar gesät und
sich ihres Wertes durchaus bewußt.
Neben den Verwaltern eines ERP-Systems müssen natürlich noch die eigentlichen
Arbeiter bzw. Datenerfasser betrachtet werden. Bei einem schlecht oder unvollständig eingerichteten
ERP-System (wo ERP-
Software diese Möglichkeit zuläßt, ist es eine unvollständige Einrichtung
übrigens nicht immer verkehrt, es muß nur der Einrichtungsaufwand einer
Programmoption mit dem Datenerfassungs-Doppelarbeits-Aufwand bei fehlender Einrichtung
verglichen werden) benötigen Sie für die Arbeit mit dem ERP-System vor allem
unkritische Mitarbeiter, die unsinnige Arbeit auf sich nehmen bzw. diese
zumindest zeitweise vielleicht sogar angenehm oder entspannend finden und die
gleichzeitig bereit sind, die Mängel und Lücken des Programms eventuell durch eigene
Lösungen auszugleichen. Zugleich müssen Sie dafür Sorge tragen, daß diese
Motivation aufrecht erhalten wird und nicht gleichzeitig der Eindruck entsteht,
durch ein perfektes und einfach zu bedienendes ERP-System ersetzbar geworden zu sein.
Bei einem perfekt eingerichteten ERP-System hingegen sind viele Mitarbeiter
tatsächlich weitgehend ersetzbar und können gleichzeitig kaum etwas eigenes mehr einbringen.
In diesem Fall benötigen Sie tatsächlich Mitarbeiter, die auch bei fehlender
Motivation, auch bei fehlenden Karrierechancen noch bereit sind, gute Arbeit zu
leisten. Einen solchen Mitarbeiterstamm aufzubauen, kann jedoch schwierig
werden, da zahlenmäßige und wirklich vorteilhafte Bewertungsmaßstäbe nur schwer
zu finden sind. Wie wollen Sie feststellen, ob die hohe Erfassungsleistung
von Mitarbeiter A nicht auf schlampiger Vorarbeit beruht (auch das beste ERP-System
kommt nicht ohne nicht implementierbare Vorarbeiten aus!), die geringe
Erfassungsleistung von Mitarbeiter B jedoch auf einer sorgfältigeren Vorarbeit
mit eventuell direkt, d.h. erfolgs- oder gewinnmäßig meßbaren, im ERP-
System jedoch nicht mehr nachvollziehbaren Effekten ? Individuelle Leistungsbewertung
und Erhaltung eines vorteilhaften Betriebsklimas wird durch ERP-Software also
nicht einfacher.
Auf die Schulung der Sachbearbeiter soll hier nicht gesondert eingegangen
werden. Der Aufwand kann zwar nicht vernachlässigt werden, jedoch entfällt vieles,
was beispielsweise bei sonstiger Standardsoftware zu erwähnen wäre und dem einzelnen
die Arbeit extrem erleichtern kann. Bei ERP-Software gibt es - vornehmlich aus
Sicherheitsgründen - viele Möglichkeiten einfach nicht. Was zu lernen übrig bleibt,
ist zwar nicht wenig, aber beherrschbar. Die Leistungen werden von vielen
Dienstleistungsunternehmen auf einem - auch vorab - gut einschätzbaren
Qualitätsniveau angeboten. Durch Vertragsklauseln sollte jedoch auch hier
sichergestellt werden, daß es nicht zu größeren Enttäuschungen kommt.
Neben EDV-Leuten und Sachbearbeitern ist das Leitungspersonal zu betrachten.
Die Konsequente Umsetzung des ERP-Prinzips hat zur Folge, das tatsächlich alle
Daten dort erfaßt werden, wo sie entstehen, erkannt oder festgelegt werden.
Dies heißt zwangsläufig auch, daß auch das Leitungspersonal zur Datenerfassung
herangezogen würde. Inwieweit dies im einzelnen durchsetzbar ist, bleibt zu fragen.
Generell ist heute ja ein Trend zu erkennen, in den tatsächlich auszuführenden
Aufgaben nicht mehr zwischen Sachbearbeitung und Führung zu unterscheiden. Oft ist
dies Folge vergangener Umstrukturierungsmaßnahmen, bei denen (vereinfacht ausgedrückt )
es entweder darum ging, trotz nicht
vorhandener Leitungsaufgaben Hierarchien zu schaffen oder
unterbeschäftiges Leitungspersonal innerhalb unsinniger Hierarchien wieder in
Arbeit zu bringen. Leitungspersonal, das ohnehin nur bessere
Sekretariatsaufgaben erfüllt, wird also nicht - oder nur zur Schau - opponieren, wenn am Bildschirm
bestimmte oder mehr Eingaben am PC gemacht werden müssen.
Schwieriger wird es bei denen, die tatsächliche Leitungsaufgaben erfüllen.
Bei halbwegs kaufmännisch vorgebildetem Personal wird die derzeitige Tendenz,
die alte Aufgabenteilung zwischen Sekretariats-, Sachbearbeitungs-, Datenerfassungs-
und Führungsaufgaben ungeprüft aufzuheben, ohnehin Unverständnis auslösen.
Wenn hingegen höchstbezahlte Manager Daten eintickern sollen, wird wohl
jeder nach dem Sinn fragen. Soweit wird es also nicht kommen. Unabdingbar ist
hingegen ist, beim Top-Management zumindest ein Grundverständnis nicht nur
für die Möglichkeiten sondern auch für die Erfordernisse des ERP-Programms
zu schaffen, auch und insbesondere dort, wo die Beziehungen zur Außenwelt
durch die Software beeinflußt werden.
Bei allem ist auch zu bedenken, daß das Top-Management, wenn es dann doch -
und sei es nur bei Vorführungen oder beim Abruf wichtiger Unternehmenskennzahlen -
mit dem ERP-System in direkte Berührung kommt, nur perfekt eingerichtete Geräte
vorfindet. Systemabstürze, Verzögerungen, mangelnde Rechenleistung, übertriebene
Sicherheitsabfragen, abgeschaltete Tastaturmakros, fehlende Datenkopiermöglichkeiten,
schlecht
strukturierte Datenmasken, Zugriffsbeschränkungen, Programmfehler, Doppeleingabefelder
usw., also schlicht alles, womit die Sachbearbeiter im Zweifel zu kämpfen haben,
in der Regel nicht zu sehen bekommt. Die EDV-Abteilung würde sich nicht selten
lächerlich machen, wenn das Spitzenmanagement mit der Konfiguration arbeiten müßte,
die den Sachbearbeitern schon aus Kosten- und Sicherheitsgründen nur zur Verfügung stehen kann.
Bleibt neben den grundsätzlichen Fragen nach Managementeinbindung und
Managementinformation noch zu erwähnen, wie weit innerhalb der Unternehmensleitung
überhaupt Akzeptanz für ein ERP-System geschaffen werden kann. Bedeutet dieses
doch nicht selten einen extremen Eingriff in die Unternehmenskultur.
über Jahrzehnte gewachsene Arbeitsabläufe, Erfahrungen, Strukturen,
ganze Unternehmenskulturen
werden schlagartig verändert und für ineffizient erklärt. Nicht nur die
Ineffizienzen, sondern auch mancher Wettbewerbsvorteil wird zunichte gemacht.
Aufgrund des Beharrungsvermögens alter Strukturen, sind die
Verantwortlichen
für ERP-Einführungen meist neu im Unternehmen oder werden sogar zu diesem Zweck
eingestellt. Wer jedoch - beispielsweise als neuer Unternehmensvorstand - unsinnige Strukturen
erkannt hat und diese mit Hilfe eines ERP-Systems bekämpfen will, sollte bedenken,
daß sich auf schlechte Strukturen und ineffiziente Arbeitsabläufe keine EDV-technische
Ordnung aufpfropfen läßt. Zumindest Grundstrukturen, die das Programm voraussetzt,
müssen bereits vorhanden sein. Die Datenbanken auch der leistungsfähigsten Software,
so einfach und wohlstrukturiert sie auch aussehen mögen, müssen zunächst gefüllt
werden und dies ist in einem schlecht organisierten Betrieb weitaus schwieriger,
als es auf den ersten Blick erscheinen mag bzw. endet bestenfalls im Mehrarbeit,
schlimmstenfalls im Chaos. Ein gut organisierter Betrieb hingegen
kann diese Aufgabe meist auch dann meistern, wenn zuvor die EDV eher stiefmütterlich
behandelt worden, bzw. viele Daten quasi in Handarbeit verarbeitet worden sind.
In jedem Fall ist anzuraten, notwendige Strukturanpassungen nicht mit oder nach,
sondern vor Einführung des ERP-Systems vorzunehmen, um nicht an "zwei Fronten",
also gleichzeitig gegen beharrliche Strukturen und die Besonderheiten der Soft- und
Hardware kämpfen zu müssen, die sich anhand dieser Strukturen auch meist nicht
lösen lassen.
11. Sonstige Rahmenbedingungen
Wem der Text bis jetzt schon zu lang erscheint, sollte bedenken, daß ich
versucht habe, mich möglichst allgemeinverständlich auszudrücken, teilweise
mit Vereinfachungen zu arbeiten, und Kernaussagen nur dort zu wiederholen, wo
dies angesichts eines neuen Blickwinkels auch eine Zusatzbedeutung bekommen.
Die Probleme, mit denen man - auch bei der unbedeutendsten Detailaufgabe -
und nicht erst bei strategischen Grundsatzentscheidungen zu kämpfen hat, sind
hier größtenteils noch nicht einmal angerissen. Desweiteren habe ich Praxisbeispiele
bisher ausgespart, da diesen eine eigene, vom Umfang her kleinere, vielleicht aber
sogar aufschlußreichere Unterseite gewidmet ist.
Auch ist die betriebliche Wirklichkeit, wie sie heute nicht nur in deutschen
Unternehmen vorzufinden ist, zwar teilweise überspitzt, aber eigentlich noch zu
"harmlos" dargestellt worden. Das Hauptproblem der deutschen Wirtschaft liegt
derzeit nicht in erster Linie in der Globalisierung (die gab es schon, bevor
unsere Großeltern geboren waren), auch nicht in zu hohen Löhnen (die real gesehen
seit Jahrzehnten sinken), sondern darin, daß Unternehmertum immer mehr
zu Gunsten von anonymen Kapitalgesellschaften zurückgedrängt wird. Unternehmensleiter,
die selbst nur ersetzbare Angestellte sind, richten ihr Handeln primär auf
Machterhalt (also Postensicherung).
Machterhalt und Leistung haben jedoch nicht unbedingt miteinander zu tun.
Wo Leistungs-Anreizmechanismen, wie z.B. Gewinnbeteiligung vorhanden sind, wird
der kurzfristige Gewinn höher bewertet, als der langfristige Wettbewerbsvorteil oder
der Unternehmenserhalt. Die Folge sind die, an der Börse mittlerweile gefeierten
Massenentlassungen. Früher galt Stellenabbau noch als Scheitern, als Aufgabe von
Chancen und Erwartungen. Aus der Sicht eines (kurzfristig orientierten) Anlegers
ist jedoch gegen Stellenabbau nichts einzuwenden. Massenentlassungen heißen
langfristig gesehen aber nichts anderes, als neue Mitarbeiter langwierig rekrutieren
zu müssen,
wenn sich plötzlich doch neue konjunkturelle Chancen ergeben, diese Chancen also
nicht als Vorreiter wahrnehmen zu können. Gleichzeitig wird man von den Mitarbeitern,
die nicht entlassen wurden, kaum mehr die nötige Motivation erwarten können. Dies wird
insbesondere dort noch verschlimmert, wo sogenannter sozialverträglicher Stellenabbau
vorgenommen wird (Frühpensionierungen, Ausnutzen der Fluktuation ohne Neuorganisation
oder Neueinstellungen oder zumindest einen gehaltsmäßigen Anreiz für die Übernahme
der Aufgaben ausgeschiedener Mitarbeiter), der mit der
Förderung der Leistung des einzelnen oder dem Abbau struktureller Ineffizienzen
nicht mehr in Verbindung zu bringen ist.
Die sonstigen Auswirkungen des heutigen Wirtschaftssystems sind in der Literatur zur
genüge behandelt. Die Bücher "Parkinsons Gesetz" und "Nieten in Nadelstreifen" sollen hier
nur als herausragende Beispiele erwähnt werden. Ansonsten ist insbesondere
diverse Literatur zu empfehlen, die sich mit der Unmöglichkeit einer funktionierenden
kommunistischen Wirtschaftssystems auseinandersetzt. Das meiste, insbesondere
das Scheitern von Anreizmechanismen und das Fehlen echter, marktbezogener Korrektive
läßt sich quasi 1:1 auf die in Deutschland derzeit vorherrschenden
Wirtschaftsverhältnisse anwenden, da Unterscheidungsmerkmale der einzelnen
Unternehmen kaum noch gegeben sind. Im Sinne eines falsch verstandenen Benchmarking
werden Erfolge der Konkurrenz immer schneller und unüberlegter kopiert. Die Suche nach
Wettbewerbsvorteilen und Unterscheidungsmerkmalen findet fast nur noch in
mittelständischen Unternehmen statt.
Wenn Globalisierung als Grund für die derzeitigen
Probleme des deutschen Wirtschaftssystems oben noch ausgeschlossen wurde, bleibt
dennoch festzuhalten, daß der im kommunistischen Bildungssystem aufgewachsene
ostasiatische Jungunternehmer in den meisten
Fällen effizienter handelt, als ein deutsches DAX-30-Unternehmen.
Nicht verleugnet werden kann jedoch, daß ein genereller Anreiz zur Leistung
in Deutschland immer noch vorhanden ist, nur der zeitliche Horizont ist sowohl bei
Managern als oft auch bei Mitarbeitern einer anonymen Kapitalgesellschaft
einfach kurzfristiger und damit weniger an langfristigen Chancen (und den damit meist
verbundenen kurzfristigen Risiken und Rückschlägen) orientiert, als bei einem
Unternehmer, der seine eigene Existenz und auch die seiner Nachkommen durch
unternehmerische Tätigkeit absichern will.
Um es deutlicher zu machen: Das heute vorherrschende System aus
Voständen und Aufsichtsräten, die kein persönliches Risiko tragen, kein
vernünftig erklärbares Interesse am (langfristigen) Erfolg eines Unternehmens haben,
nichts zu sagen haben bzw. bei allem darauf achten müssen, sich nicht durch
irgendeine Entscheidung unbeliebt zu machen und abgewählt zu werden, sich aufgrund
völlig überzogener - meist gegenseitig abgesegneter - Gehälter und Abfindungen
auch keine Existenzsorgen machen müssen, ist langfristig nicht überlebensfähig.
Die beste "Strategie" für einen Vorstand, der seinen Posten langfristig behalten
bzw. sich nicht unbeliebt machen will,
ist entweder möglichst wenig zu tun oder überall den einfachsten Weg zu gehen,
d.h. wirkliche Strukturanpassungen nicht in Angriff zu nehmen.
Das ganze ist ein Beamtensystem, dem jede wirkliche Kontrolle - abgesehen
vom rein
kurzfristigen Interesse des meist anonymen Kapitalmarkts - fehlt.
Hier besteht dringender politischer Handlungsbedarf: Unternehmensvorstände
müssen persönlich haftbar gemacht werden, nicht mit Ihrem
Gesamtvermögen, aber mit einem Teil, der die (so oft vorgegaukelte) Leistung und
Motivation auf dieser Hierarchieebene wieder lohnend macht und (was
vielleicht wichtiger ist)zumindest
den unqualifizierten Teil des Personals davon abhält, ständig an der Karriere zu
"feilen", anstatt zu arbeiten.
Gegen die in letzer Zeit häufiger kritisierten Vorstandsbezüge
ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden.
Nur sollte man folgendes bedenken: Sobald ein Vorstand entlassen ist, ist er
plötzlich kein Genie mehr, das jeden Cent des Gehaltes wert ist, sondern wird
im Gegenteil meist fast schon als unfähiger Idiot dargestellt.
Tatsache ist: Die meisten Vorstände sind ersetzbare Durchschnittsmenschen,
meist ohne übermäßige Motivation und mit einem Job, der sicherlich nicht zu
den leichtesten und angenehmsten gehört, aber die derzeit erreichten
Gehaltssummen nicht rechtfertigt. In der öffentlichen Wirtschaft und der
Politik arbeiten genug
Leute in vergleichbaren Positionen oft für ein hundertstel dieser Gehälter.
Die Strukturen in deutschen Unternehmen sind nach langen Jahren des Wohlstands
auch grundsätzlich nicht so, daß die Leistungsbereitesten gefördert würden,
ganz im
Gegenteil: Jeder Beamte, der innerhalb des so oft kritisierten deutschen
Verwaltunsgsystems nach Dienstjahren bezahlt wird, hat zumindest
Berufserfahrung, während man bei den Leistungsträgern der Privatwirtschaft
zumeist
nach den Posten rechtfertigenden Qualifikationen und Leistungen suchen muß
und diese oft nicht finden wird.
Auch hier gilt: Gesetzliche Regelung ist gefragt: Aufsichtsräte und
Vorstandskollegen müssen
haftbar gemacht werden, wenn überbezahlte, angebliche Genies (eine maximal vertretbare
Gehaltshöhe müßte definiert werden) Unternehmen ruinieren.
Ebenso müßten Abfindungshöhen in jedem Fall begrenzt werden. Derzeit liefern
die vereinbarten Abfindungen fast schon eine Motivation, Unternehmen absichtlich
zu vernichten.
Um es zusammenzufassen: Es wird viel Geld verbrannt in deutschen
Großunternehmen, die größtenteils Verwaltungs- und insbesondere
Hierarchiestrukturen aufweisen,
die vor 100 Jahren schon als veraltet
bezeichnet wurden
und es wird noch mehr Geld verbrannt mit dem derzeitigen Versuch, diejenigen,
die im Moment noch die eigentliche Leistung erbringen, durch
Lohnkürzungen und
unbezahlte Mehrarbeit zu bestrafen oder besser gesagt: zu demotivieren, d.h.
zu der Bezahlung entsprechenden Schlechtleistungen anzuregen - und dies nur aus
dem kurzfristigem Eigeninteresse einiger Karrieristen heraus, die bei
allem kein
persönliches Risiko tragen und sich selbst als "Leistungsträger" bezeichnen.
Dies alles wird nichts weiter hervorbringen, als eine ständige
Abwärtsspirale
unseres Landes,
die darin münden wird, daß - überspitzt ausgedrückt - die Einwohner der
heutigen,
sogenannten Entwicklungsländer sich schon in wenigen Jahren billige deutsche
Radios in Ihre
selbstproduzierten Autos einbauen.
Schon heute ist es soweit, daß wir japanische Vokabeln lernen müssen,
für fortschrittliche Produktions- und Verwaltungsprinzipien, die vor über
80 Jahren in
Deutschland entwickelt, aber hierzulande bis heute nicht umgesetzt worden sind.
In Japan sind die Löhne doppelt so hoch, wie in Deutschland und "Managertraining"
besteht dort aus Fließbandarbeit anstelle wirklichkeitsfremder Seminare in
Luxushotels.
Die Tatsache, daß das deutsche Wirtschaftssystem im Moment
noch leidlich funktioniert, leitet sich
aus einem immer noch vorhandenen Technologie- und Bildungsvorsprung ab, der
sich aber im wesentlichen aus den Leistungen einer lange zurückliegenden
Vergangenheit speist. Die direkten Konkurrenten sind dabei aber längst nicht
mehr
andere Industrienationen, stattdessen heißt es, daß wir uns mit
Schwellenländern messen müssen. Eine wirklich gute Leistung unserer
"Leistungsträger".
In bezug auf die Einführung eines ERP-Systems ergeben sich folgende Probleme:
Das gesamte ERP-Projekt ist meist nicht die Folge einer betriebsinternen Bedarfsanalyse,
sondern das Kopieren von (angeblichen) Erfolgen der Konkurrenz mit diesem Instrument.
Die Erfolgserwartungen sind primär kurzfristig. Eine lediglich Kosten verursachende
Planung findet im Vorhinein meist nur unzureichend statt. Erfahrungen mit anderer -
meist aufgabenspezifischer - Software werden überbewertet, insbesondere dann, wenn
Probleme erfolgreich gemeistert wurden. Die Vorteile, die sich bei einem umfassenden
ERP-Ansatz im Vergleich zu Einzellösungen zwangsläufig ergeben, werden überbewertet,
gleichzeitig der Aufwand für das Management dieser allumfassenden Software
unterschätzt. Ein Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz ist aus ERP-Software
schon deshalb nicht gegeben, da diese nach und nach überall eingesetzt wird.
Die Fähigkeit, eine Vorstellung für die Komplexität der Arbeitsabläufe
im Unternehmen zu entwickeln, fehlt bei Managern, die größtenteils selbst nie
praktisch gearbeitet haben und Ihre eigenen Entscheidungen, die auf fertig
vorbereiteten, perfekt präsentierten Daten basieren, für besonders schwierig
halten. Aus diesem Grund werden die Anforderungen an eine
Unternehmenssoftware generell unterschätzt, aus diesem Grund meint man, daß
ein Softwarekonzern wissen könnte, was für das eigene Unternehmen das beste ist
und dies auch noch soft- und hardwaretechnisch perfekt umsetzen kann.
Gegen die Theorie der ERP-Systeme ist dabei nichts einzuwenden.
Die Grundideen (keine doppelten Datenerfassungen, überall verfügbares
Datenmaterial, vorprogrammierte Auswertungsmöglichkeiten, zentrale
Steuerungsmöglichkeit usw.) sind faszinierend. Es ist also durchaus verständlich,
wenn selbst gestandene Praktiker auf diese Programme hereinfallen und nicht
nur "Nieten in Nadelstreifen".
Ein einziges Beispiel führt diese Theorien aber bereits ad absurdum:
Es ist schneller, eine Auftragnehmeradresse zwei oder drei mal neu zu
erfassen, als sie innerhalb einer unüberschaubaren Unternehmensdatenbank
auch nur ein einziges mal zu finden bzw. über eine Abfrage auszuwählen und
schließlich nach mehreren weiteren Schritten zu irgendeinem
Zweck, also beispielweise für ein einfaches Schreiben nutzen zu können.
Dies sind aber die Haupttätigkeiten, nicht irgendwelche einmal im Jahr
durchgeführten Evaluationen, bei denen man dann z.B. alle Daten eines
Lieferanten sehen will.
Wie schon gesagt: Vor jeder wichtigen Investition finden
normalerweise Besprechungen, Verhandlungen, Reisen, Berechnungen, Schätzungen,
Hochrechnungen usw. statt.
Im Falle von ERP-Software könnte vieles davon ersetzt
werden, indem Entscheidungsträger in testweiser praktischer Arbeit mit der
Software versuchen,
auch nur die Hälfte des Arbeitspensums zu schaffen, das die einfachen
Angestellten
schon vor der Softwareeinführung tagtäglich erbringen.
Es wird (auch unter den zwangsläufig vereinfachten Bedingungen einer solchen
Testsituation) selbst nach Tagen nicht gelingen und selbst dann nicht, wenn
man darauf verzichtet, irgendwelche Testaufgaben zu wählen, für die der
Entscheidungsträger nicht qualifiziert oder nicht schnell genug ist und
auch dann nicht, wenn zusätzlich ständig Hilfe bei Problemen zur Stelle ist
und schließlich auch dann nicht, wenn dem Entscheidungsträger erlaubt ist,
das zu tun, was die durch die ERP-Software genervten Sachbearbeiter schließlich
auch tun werden, nämlich sich eigene Nebentabellen anzulegen, die in
übersichtlicher Form z.B. Indizes bereitstellen, durch die dann die ein oder
andere Abfrage des Programms umgangen werden kann oder (wo immer möglich) ohne
die ERP-Software zu arbeiten - also eine pragmatische
Doppelerfassung vorzunehmen, die
ja eigentlich durch ERP-Software vermieden werden soll.
Die Mängel des ERP-Konzepts lassen sich durch keine noch so praxisfremde
oder pragmatische Testanordnung ausgleichen.
Natürlich gibt es Ansätze, ERP-Systeme überschaubarer und
benutzerfreundlicher zu machen, nur ist der Planungsaufwand und die fortlaufende
Pflege bzw. die Komplexität, die solche Ansätze erfordern, viel zu groß, da sie
einerseits auf dem gesamten Unternehmensdatenmaterial (bzw. auf dem, was
der Softwareproduzent dafür hält) aufbauen und dann
arbeitsplatzindividuell heruntergebrochen werden muß und dies nur, soweit
die womöglich um den Job fürchtenden Sachbearbeiter ihr hierzu notwendiges
Wissen preisgeben und soweit die
Software oder die Leistungsfähigkeit der Hardware dies zulassen . Schon in der
Grundkonfiguration zeigen sich aber viele ERP-Systeme als
"Sanduhr-Anzeige-Programm".
Der Blick auf das Ganze ist vielleicht aufschlußreicher, als die Abwägung
der sich für das einzelne Unternehmen aus dem Einsatz von ERP-Software ergebenden
Chancen und Risiken. Die vor zwanzig Jahren noch vehement geführte Diskussion
über den Einsatz der EDV als Jobkiller, als die ultimative Rationalisierung,
die alle zuvor dagewesenen Entwicklungen in den Schatten stellt, ist nahezu verstummt.
Die Wirklichkeit sieht eher so aus, daß der übertriebene Einsatz EDV-technischer
Möglichkeiten heute den Charakter einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme aufweist -
für die eigenen Sachbearbeiter, die nicht selten mehr als zuvor zu tun haben, für die
Softwareindustrie, Beraterfirmen, Schulungsunternehmen, Zeitarbeitskräfte,
die eigene Personalabteilung, die
zur Software die passenden Arbeitskräfte besorgen muß, schließlich für das Management,
das nach Möglichkeiten suchen muß, das Projekt als Erfolg zu verkaufen - und sei
es durch die Suche nach Möglichkeiten für den Ausweis zweifelhafter, kalkulativer
Gewinne oder der statistischen Untermauerung und "Monetarisierung"
verkürzter Durchlaufzeiten oder ähnlichen "Beschäftigungstherapien".
Das traurige daran ist natürlich nicht, daß durch ERP-Systeme Arbeitsplätze
geschaffen werden, sondern daß in aller Regel dieselbe Leistung mit
mehr Aufwand erbracht wird.
Nicht der grundsätzliche Ansatz, betriebliche Abläufe mittel einer Planungs- und
Steuerungssoftware zu rationalisieren, ist jedoch falsch, sondern die
Herangehensweise der ERP-Softwareindustrie, den gefundenen Lösungen einen möglichst
allgemeingültigen Charakter zu geben, dies jedoch nicht durch Beschränkung auf das
Wesentliche, sondern durch Funktionsvielfalt und einer trotz sorgfältiger Auswahl
letztlich immer übertriebenen Integration aller
nur erdenkbaren Daten zu untermauern. Der Aufwand, der mit der Analyse der
betrieblichen Ist-Situation verbunden ist, wird vermieden oder nur in Form eines
lukrativen Nachtrags in Abgriff genommen. Darüber hinaus bildet die betriebliche
Realität das genaue Gegenteil, nämlich den Wunsch nach beherrschbaren Instrumenten,
und kurzfristig sichtbaren Erfolgen, insbesondere dort, wo Ineffizienzen auf
normalem Wege nicht mehr zu beseitigen scheinen. Anders ausgedrückt: Die
Beschäftigung mit den Möglichkeiten einer ERP-Software kann ohne weiteres ein
Hochschulstudium ersetzen. Nicht ersetzbar ist jedoch die Fähigkeit, den Sinn
des einzelnen Instruments zu verstehen, es zu hinterfragen und durch Bereitstellung
der notwendigen Daten auch tatsächlich - und zwar unter Aufwandsminimierung -
verfügbar zu machen oder (ein viel zu selten genutzter Fall:) es komplett zu
deaktivieren.
In der Folge aller Schwierigkeiten, die sich bei der Einführung einer ERP-Software
ergeben - in Verbindung mit dem Fehlen wirklicher Einsichtsmöglichkeiten - sind
namhafte Rating-Agenturen inzwischen dazu übergegangen, die Kreditwürdigkeit von
Unternehmen ohne längere Prüfung herabzustufen, sobald auch nur die Ankündigung
einer ERP-Systemeinführung gemacht wird.
Die dürfte nicht zuletzt daran liegen, daß die Einführung von ERP-Software
nicht selten einen Versuch darstellt, die praktische Lösung vorhandener
Strukturproblemen zu umgehen bzw. auf einem (angesichts der bei Betrachtung
aller Umstände besseren Effizienz
kleinerer EDV-Lösungen) überflüssigen und kostspieligen
Umweg erreichen zu wollen.
12. Implementationsbeispiele und Zusammenfassung
Abschließend sollen als Ergebnis zwei Extremfälle für die Implementierung eines
ERP-Systems herausgenommen werden. Beide sind in der Realität häufig anzutreffen.
Die Fälle einer völlig planlosen oder durch übertriebene Vorabplanung ERP-Systemeinführung,
die meist zum Scheitern verurteilt sind, sollen hier ausgespart werden, da sie die Diskussion nicht weiter
bringen. Desweiteren sollen die Rahmenbedingungen und schließlich der tatsächliche
Nutzen von ERP-Systemen zusammengefaßt werden.
A) Die Implementierung
1. Extremfall:
Die Schwierigkeiten, auf die man sich mit dem Kauf einer ERP-Software bzw.
mit der betrieblichen Umsetzung einläßt, sind bekannt. Um Risiken zu vermeiden,
werden insbesondere kostenmäßige Beschränkungen festgelegt. Auf Neueinstellungen
wird verzichtet. Selbst die für den Erfolg des Projekts wohl am meisten
ausschlaggebende EDV-Abteilung wird in gleicher Stärke belassen, da man besonders
hier davon ausgeht, daß die Beschränkung auf ein klar strukturiertes Projekt
(anstelle von Einzellösungen) ausreichend Effizienzvorteile bringt. Technisch gesehen
beschränkt man sich auf ein Minimum. Die bisherige PC-Rechenkapazität wird zum
Maßstab für das nötige Netzwerk genommen. Die gewählte ERP-Software verlangt
minimale Einrichtungserfordernisse. Theoretisch kann die Arbeit mit der neuen
Software direkt nach der Installation aufgenommen werden, um nicht einen unnützen
Kostenblock vor sich herzuschieben, geschieht dies auch. Strukturelle Anpassungen
werden nur soweit vorgenommen, wie sie einem von der EDV unabhängigen, aber mit Hilfe
der EDV erwünschtem Ziel dienen, wie z.B. dem Personalabbau. Am eigentlichen
Organisationsschema wird nichts geändert. Arbeitsabläufe, die innerhalb der EDV
nicht oder noch nicht implementiert sind, werden in exakt der alten Weise
weitergeführt. Weiterbildung der Mitarbeiter findet nur im unabdingbarem Ausmaß statt.
Es werden nur die bereits vorhandenen Datenbanken (meist aus Einzellösungen) in das
System übertragen.
Folgen: Da sich weder an zu erledigenden Aufgaben noch an der Struktur des
Betriebes wesentliches geändert hat, entsteht Mehraufwand, der größtenteils
auf die mit der EDV arbeitenden Sachbearbeiter abgewälzt wird. Der Mehraufwand ergibt
sich dadurch, daß das ERP-System auf der einen Seite die erwünschte Automatisierung
nicht oder noch nicht leistet, gleichzeitig aber bereits eine Datenerfassung verlangt,
die auch die ausgeklügeltsten Auswertungen und Abläufe möglich macht. Die gleichzeitige
Weiterführung alter Arbeitsabläufe führt zu Doppelarbeit. Vorschneller Personalabbau
muß in der Regel überkompensiert werden. Am Ende wird mit einer gesteigerten Anzahl
an Sachbearbeitern ein individuell gesunkenes Arbeitspensum erledigt.
Eingriffe der einzelnen Sachbearbeiter in das System (z.B. zum Zwecke der
tatsächlichen Automatisierung wiederkehrender Arbeitsabläufe) sind aus Sicherheitsgründen
nicht möglich, da hier ein Zugriffe auf das zentrale Datenmaterial
zugelassen werden müßten, die - von der Möglichkeit absichtlicher Datenvernichtung
einmal abgesehen - an anderer Stelle vielleicht gar nicht gewünscht sind.
Nicht wenige der Sachbearbeiter werden sich schlichtweg verschaukelt fühlen und
Ihre Arbeitsleistung auf das effektiv mögliche reduzieren, werden sich als in den
Augen der Unternehmensleitung ersetzbare Datenerfasser verstehen, während
gleichzeitig das Wohl des Betriebs immer noch von ihrer persönlichen -
auf den Einzelfall bezogenen Problemlösungsfähigkeit abhängt. Die EDV-Abteilung kann
sich währenddessen von jeder Schuld freisprechen, da sie in alter Personalstärke
und Fachkompetenz die Funktion einer zentralen Anlaufs- Entscheidungs- und
Umsetzungsstelle für Verbesserungen nicht leisten kann.
Einem Betrieb, der diesen Irrweg bestritten hat, stehen zwei Möglichkeiten
zur Verfügung, entweder die Ineffizienzen hinzunehmen und zumindest die in der
ERP-Software ohne weiteres gegebenen Auswertungsmöglichkeiten zu nutzen oder aber
massiv - und meistens durch Neueinstellungen gegenzusteuern. Statt motivierter
Sachbearbeiter werden dann eben Datenerfasser eingestellt, denen egal ist,
womit sie ihre Arbeitszeit verbringen, die sich aber auch um die - über die
datentechnisch meßbaren Größen hinausgehende - Qualität ihrer
Arbeit keinerlei Sorgen machen oder machen müßten. Andererseits wird die
EDV-Abteilung fachlich und personell aufgestockt, um zumindest langfristig grundlegende
Verbesserungen möglich zu machen.
Das bei ERP-Einführung übergangene Leitungspersonal hingegen findet eine Vielzahl
von Argumenten für eine Rückkehr zum alten System, so ineffizient es auch gewesen
sein mag.
2. Extremfall:
Die Schwierigkeiten, auf die sich der einzelne Betrieb mit einer ERP-Software
einstellen muß, sind auch hier bekannt. Anstelle einer Minimierung wird eine
Optimierung des Aufwands angestrebt. In bezug auf die Einrichtung der ERP-
Software wird dabei das an sich selbstverständliche Sprichwort "Von nichts
kommt nichts" zum Maßstab genommen. Tatsächlich kann per EDV mittels einmaliger
Datenerfassung oder einmaligem Programmieraufwand ein mehrfacher Aufwand vermieden
werden. Die Schwierigkeit besteht aber in der Entscheidung darüber, welche
Automatisierung und welche Datenerfassung sich tatsächlich lohnt. Dies - zusammen
mit den Erfordernissen der Datensicherheit - führt zur Schaffung einer Zentralstelle
innerhalb des Betriebs, die das ERP-System schon vor Aufnahmen der eigentlichen
Arbeit in akribischter Weise einrichtet und versucht, sinnvolle
Automatisierungspotentiale schon im Vorhinein zu erkennen, Beschränkungen und Fehler
möglichst zu vermeiden, notwendige Strukturanpassungen herauszufinden und - sobald
mit dem System gearbeitet wird, zumindest die sensibelsten Grunddaten weiterhin
zentral erfaßt. Die Weiterbildung der Mitarbeiter wird ebenso optimiert. Neben der
Vermittlung der am einzelnen Arbeitsplatz notwendigen Handgriffe, werden zumindest
grundlegende allgemeine EDV-Kenntnisse aufgearbeitet und ein Überblick über die
Vor- aber auch die unvermeidlichen Nachteile der ERP-Software im Vergleich
zu den bisherigen Arbeitsabläufen erörtert. Computertricks, Kopiermöglichkeiten,
Übernahme bereits erfaßter Daten bei neuen und ähnlichen Fällen - soweit das System
sie aus Sicherheitsgründen überhaupt zuläßt - werden vermittelt. Dem einzelnen Mitarbeiter
wird ebenso die Zielvorstellung des Unternehmens mitgeteilt. Welcher Grad der
Rationalisierung wird angestrebt ? Welche Zusatzaufgaben ergeben sich. Wie
wird die Qualifikation und Motivation des einzelnen innerhalb des Systems
zukünftig bewertet. Will man mehr Leistung erbringen, Chancen wahrnehmen oder
lediglich dieselbe Leistung mit reduziertem Aufwand sicherstellen. Drohen Entlassungen
und die Reduzierung des Einzelnen auf einen ersetzbaren Datenerfasser oder wird
persönliches Engagement immer noch als Schlüssel zum Erfolg des Unternehmens
gesehen ?
Folgen: Ein erheblicher Arbeitsaufwand muß für die betriebsinterne
Kommunikation aufgewandt werden. Dies wäre zum einen in der Überprüfung der
einzelnen Automatisierungs- und Erfassungsoption begründet. Wo sollen Ermessensspielräume
eingeschränkt, wo zugelassen werden ? Was wir in den einzelnen Abteilungen wirklich
getan. Wie hoch ist der Aufwand des einzelnen Arbeitsschritts, wie hoch der
Effizienzgewinn der einzelnen Automatisierung ? Welche Daten werden als
unveränderlich angenommen, welche können individuell im Einzelfall festgelegt werden.
Wie muß die Datenstruktur aussehen, um Einzelfälle bearbeiten zu können. Welche Daten
müssen individuell erfaßt werden, um alle Fälle durch das System abdecken und
möglichst optimal automatisieren zu können. Welche Kommunikationsrechte
hat der einzelne Sachbearbeiter gegenüber der Zentralabteilung. Wie ist der
einzuhaltende Dienstweg ? Welchen Stellenwert innerhalb des Unternehmens soll die
zentrale EDV-Abteilung selbst erhalten. Welche Anforderungen werden an die
Qualifikation des Personals gestellt. All das ist in jedem Unternehmen und erst
recht in jedem Betrieb, der die kritische Größe oder auch nur das nötige Kapital
für die Einführung eines ERP-Systems besitzt schon längst gelöst und wird tagtäglich
praktiziert, in Form von Arbeitsabläufen, Formularen, Abteilungsstrukturen oder auch
mit Hilfe von Spezialsoftware oder selbstgemachten EDV-Lösungen
einzelner, hierfür talentierter Sachbearbeiter.
Im Zuge der aufwandsoptimalen Einführung eines ERP-Systems muß quasi alles neu
erfunden werden und zwar innerhalb der vorgegebenen Struktur der ERP-Software.
Abgesehen von diesen Extremfällen, bei denen entweder die Investitionskosten (also
der Vorabaufwand)
oder die Software selbst (also der Aufwand bei der Arbeit mit der Software)
beherrscht werden sollen, gibt es natürlich noch eine Vielzahl von Zwischenformen.
Mehr auf die Kostenseite zielt z.B. ein Ansatz, bei dem man sich vollends
auf die vorgegebenen Strukturen der Software einläßt, die vorgegebenen Datenbanken
ohne längere Kommunikation und Sinnhinterfragung mit Leben füllt und Schwierigkeiten
mittels Umstellung von (Abteilungs-) Strukturen und Abläufen zu umgehen versucht.
Mehr auf die Beherrschungsseite zielt ein Ansatz, die vor Softwareeinführung vorhandenen
Arbeitsabläufe zum Maßstab zu nehmen, diese unter Ausnutzung von
Automatisierungsmöglichkeiten möglichst vollständig zu implementieren und alle
anderen Möglichkeiten der Software zu deaktivieren.
Eine Hilfestellung des Softwareanbieters für die Wahl der richtigen Strategie
darf nicht erwartet werden, allenfalls in Form bezahlter Zusatzaufträge.
B) Die Rahmenbedingungen
- Die zentrale Datenhaltung vermeidet theoretisch Doppelerfassungen, jedoch
müssen Datenformate und Zugriffsrechte penibel festgelegt werden, um das nun
extrem wertvolle,
da betriebsweit verwendete Material zu schützen, konsistent zu halten und für jeden
Zweck auswertbar zu machen.
Trotz eingeschränkter Zugriffsrechte müssen jedoch Wege gefunden werden, damit die
an jeder beliebigen Stelle des Unternehmens aktuell benötigten Daten möglichst schnell
bereitgestellt werden können. Der Werbespruch der Softwareindustrie "Daten
werden nur einmal und zwar dort erfaßt, wo sie entstehen" klingt sehr vernünftig,
nur muß man zur Festlegung der entsprechenden Zugriffsrechte erst einmal wissen,
wo. Der Vertriebsmitarbeiter, der einen potentiellen neuen Kunden anruft, erzeugt
spätestens dann einen Adreßdatensatz, wenn Informationsmaterial per Post
versandt werden soll. Der Techniker, der ein spezielles Ersatzteil sofort braucht,
erzeugt einen Liefervertragsdatensatz. Eine potentielle Auftragnehmerfirma erzeugt
unter Umständen ein Auftrags-Leistungsverzeichnis. Die Liste ließe sich unendlich
fortsetzen. Daten entstehen kurz gesagt überall und selbst sehr spezielle Daten lassen
sich entstehungsmäßig kaum einer einzigen Abteilung zuordnen. Ebenso können die
Auswertungsoptionen, also die Datenformate und der Umfang der zu erfassenden Datenfelder
nicht auf die Erfordernisse einer einzigen Abteilung beschränkt bleiben. Damit
Daten konsistent, schnell verfügbar, sicher und vielseitig verwendbar bzw. auswertbar
sind, ist hoher Koordinierungsaufwand nötig. Wo nicht anders möglich, müssen
Datenerzeugungs- und Datenerfassungskompetenzen eingeschränkt und vom Grundsatz
einer sofortigen und für verschiedenste Arbeitsabläufe möglichen Verfügbarkeit
abgewichen werden.
In der Praxis läuft die Arbeit dann nicht selten in der gleichen
Weise, wie bisher, also werden Daten weiterhin mehrfach erfaßt, innerhalb und
außerhalb der ERP-Software. Anstelle von Automatisierungen wird oft weiterhin das
meiste in Handarbeit erledigt. Die ERP-Software wird dann oft als zusätzliches,
nutzloses übel und nicht als Arbeitserleichterung empfunden.
- Die Konzentration auf ein einziges Programm mit festgelegten Arbeitsabläufen
vermeidet theoretisch Beschaffungs-, Wartungs- und Weiterbildungsaufwand. Je
universeller jedoch das Programm, desto höher zunächst einmal der Grundpreis,
desto höher die Zahl der Updates, die die Anbieterfirma auf den Markt bringt und
die sinnvollerweise meistens auch installiert werden müssen, und sei es nur
um die ständigen Gesetzesänderungen aufzunehmen, desto höher
die Komplexität und die Zahl der Fehler, desto größer auch der Zwang, einzelne
Fehler abstellen zu müssen, desto schwieriger die Beseitigung des einzelnen
Fehlers, desto geringer die Eingriffsmöglichkeiten des Einzelnen, desto
unwahrscheinlicher die Möglichkeit, daß die individuelle Arbeitsmethodik zumindest
eines Teils der Mitarbeiter durch das Programm gefördert bzw. das Programm positiv
aufgenommen wird. Je zentraler die Entscheidungsfindung, desto größer die Gefahr,
daß eine einzelne Fehlentscheidung den Unternehmensbestand gefährdet. Je starrer
der einzelne Programmablauf, desto unmöglicher, individuelle Lösungen einzubringen
und fehlerhafte Entscheidungen pragmatisch auszugleichen. Je höher die angelaufenen
Kosten, desto
unmöglicher die Abschaffung eines Systems, der Umstieg auf ein besseres.
Nicht zu vergessen: Im Gegensatz zu einer unrentablen Fabrik, einem brachliegenden
Werksgelände, kann ein ERP-System nicht einfach verkauft werden. Im Gegensatz zu
einem unzuverlässigen Mitarbeiter oder einem unfähigen Geschäftsführer kann ein
ERP-System nicht entlassen werden.
Auch nicht zu vergessen: Die Entscheidungsgewalt über das Design des Programms
liegt in erster Linie beim Anbieter der Software und wird damit zum Instrument
der Verkaufsförderung und Kundenbindung. Dies läßt sich am einfachsten erreichen,
indem Datenaustauschmöglichkeiten mit anderen Programmen eingeschränkt werden. Alle
Daten sind im Extremfall zunächst einmal im speziellen Format des Anbieters
gespeichert, das wiederum von anderen Softwareanbietern nicht unterstützt wird, also
einen Umstieg erschwert, da nochmalige Datenerfassung nötig wäre
Desweiteren führt dies dazu, daß Geschäftspartner, d.h. insbesondere Auftragnehmer
angehalten werden, mit Produkten desselben Softwareanbieters zu arbeiten, sofern ein
externer Datenaustausch vorgesehen ist.
Die Auftraggeberfirma wird zum Sklaven
und zum Werbeträger des Softwareanbieters.
- Die Möglichkeit, mangelnde Qualifikation der Mitarbeiter durch die unbestechliche
Logik der Software auszugleichen, führt einerseits dazu, sich dieser Programmlogik
ausliefern zu müssen. Andererseits wird die Motivation der Mitarbeiter in dem
Maße gesenkt, in dem sich der einzelne plötzlich als völlig ersetzbaren Datenerfasser
ohne die Notwendigkeit eigener Kreativität versteht oder durch die Software
zu Arbeitsabläufen gezwungen wird, die letztlich wirklichkeitsfremd und ineffizient sind
bzw. Zeit für wichtige Aufgaben verloren geht.
Das Leitungspersonal wird in dem Maße demotiviert, wie die bisherigen
Verwaltungsabläufe durch die Software für ineffizient erklärt und beseitigt bzw.
alte Abteilungsstrukturen zerstört und Leitende de facto entmachtet werden.
Ungeachtet des grundsätzlichen Demotivationspotentials von ERP-Software werden sich alle notorischen
Schlaumeier, Besserwisser und Karrieristen (seien es nun Leitende oder Sachbearbeiter) kaum
davon abhalten lassen, eine Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen einzubringen,
anstatt erstmal ihre Arbeit zu machen,
meist in völliger Unkenntnis der durch die Software gesetzten Gegebenheiten.
C) Der tatsächliche Nutzen
Der Hauptanteil der Rationalisierung (sofern Rationalisierungseffekte überhaupt
eintreten) betrifft zunächst einmal Sachbearbeitungsaufgaben. Die sind in erster Linie
relativ unterbezahlte Tätigkeiten. Personalabbau bringt in diesem Fall nur marginalen
Erfolg, sofern er überhaupt möglich ist. Unter den Sachbearbeitungsaufgaben, die
rationalisiert werden können, befinden ist nun in erster Linie Doppelarbeiten. Hier
ist zu fragen, ob zum Abbau von Doppelarbeit wirklich ERP-Systeme nötig sind. Darüber
hinaus ist zu fragen, inwieweit ein Unternehmen mit hohem Doppelarbeitsanteil schon
auf Sachbearbeiterebene überhaupt in der Lage ist, die Anforderungen eines ERP-Systems
zu meistern. Desweiteren ist zu fragen, wie hoch der Anteil an Doppelarbeit
tatsächlich ist
und wie diese sich - mehr oder weniger vernünftig - begründet. Wenn beispielsweise
handgeschriebene Belege einzelner Mitarbeiter zentral nochmals und dann per
Computer erfaßt werden, ist zu fragen, inwiefern durch
die Spezialisierung auf - mehr oder weniger komplexe - Sachbearbeitungsaufgaben
auf der einen Seite und die im wesentlichen auf Maschinenschreibfertigkeiten
begrenzte Datenerfassung auf der anderen Seite eine Effizienzoptimierung
gegeben ist. Wenn handgeschriebene Zusatz-Belege sich nur auf einen Teil
der zu erfassenden Informationen beziehen, der Rest aber schon durch einen externen
Originalbeleg festgelegt ist, ist zusätzlich bereits keine wirkliche Doppelarbeit
mehr gegeben.
Wenn Doppelarbeit also bereits in Umfang und tatsächlicher Ineffizienz
zu hinterfragen ist, bleibt offen inwiefern ERP-Systeme davon abgesehen
Unterstützung leisten können.
Hier stellt sich dann meist heraus, daß
der Hauptteil der Sachbearbeitungstätigkeit von ERP-Systemen ausgespart bleibt.
Die Vielzahl der Aufgaben, Abstimmungsarbeiten, Ermessensspielräume und
Gestaltungsmöglichkeiten und Sonderfälle,
die per Gewohnheit, per Gesetz, per Unternehmenskultur, per Vertrag, per Absprache
oder wie auch immer bereits bei der unbedeutendsten Tätigkeit möglich sind, und
die zum Teil sehr große Ergebnisauswirkungen haben, wird
kein ERP-Programm jemals abdecken.
In der Folge wird ein ERP-System oft noch nicht
einmal die vier Grundrechenarten oder einfachste Datenauswertungsabläufe bieten,
wo die Gefahr besteht, hierdurch einen fehlerhaften Arbeitsablauf zu erzeugen oder
auch nur den Anschein mangelnder Perfektion zu erwecken. Das meiste wird weiterhin
in Handarbeit oder mittels der alten Programme zu erledigen sein. Unüberschaubar
werden hingegen die softwarespezisfischen neuen Funktionen und damit der darauf bezogene
Datenerfassungsaufwand, falls keine Deaktivierung oder Anpassung stattfindet.
Kurz gesagt: Im Extremfall wird auf Sachbearbeiterebene durch die Arbeit mit einem
ERP-System ein unüberschaubarer Aufwand erzeugt, um untergeordnete Probleme zu lösen.
Wo andererseits durch ERP-Programme die ein oder andere Leitungsfunktion überflüssig
wird, bleibt (insbesondere, wenn es sich in Wirklichkeit nur um überbezahlte
Sachbearbeitung handelt),
zu fragen, ob diese nicht in Wirklichkeit schon vorher überflüssig war. Als Beispiel
soll das Controlling herausgegriffen werden, das seltsamerweise auch in großen
Familienunternehmen meist als Ein-Personen-Aufgabe, in den meisten echten
Kapitalgesellschaften - gleicher Größe - aber als die Sache größerer
Zentralabteilungen mit entsprechender Anzahl an "Leitungsposten" und einer Vielzahl
operativer Zuarbeiten und Zusatzposten definiert ist.
Die Tatsache, daß die derzeitige ERP-Euphorie weder eine positive Konjunktur, noch
die schlechte Konjunktur eine weitaus höhere Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat,
sollte eigentlich jede theoretische Diskussion und Detailerörterung überflüssig
machen In Wirklichkeit ist der ERP-Ansatz die beste Möglichkeit, Wasserköpfe
auszubauen, Motivation zu vernichten und insbesondere diejenigen zu bestrafen, die
die eigentliche Leistung erbringen. Die Möglichkeiten der EDV hinsichtlich
Effizienz und Produktivitätssteigerung bzw. Arbeitserleichterung bleiben mit dem zwangsläufig viel zu
allgemeinen und gleichzeitig zu komplexen ERP-Modell ungenutzt.
Dem bleibt nichts hinzuzufügen.
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