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ERP - Praxis
Inhalt und Kurzvorschau:
1. Eigene Erfahrungen: Navision Baufinancials
1.1 Vorgeschichte
Der Praxisbericht ist in einer nicht börsennotierten dortmunder
Bau-Aktiengesellschaft mit etwa 1500 Mitarbeitern, im Zeitraum 1996 bis
2003 angesiedelt. Meine Sicht ist hierbei die des durch die Umstellung
betroffenen Sachbearbeiters, ohne Planungsmitwirkung.
Bedingt durch einen Strategiewechsel kommt es in einem konjunkturell eher
schwachen Umfeld zu einem unerwarteten Auftragshoch und damit nach einem
zuvor übermäßig und ungleichmäßig betriebenen Personalabbau zu völliger
Überlastung der Sachbearbeiter.
Anstatt organisatorische Schwächen und Fehlabläufe auszumerzen,
die - zuvor quasi nicht
vorhandene - EDV erst einmal aufzubauen oder (zumindest vorübergehend) neues Personal
einzustellen, wird die Einführung eines ERP-Systems beschlossen.
Einen leitenden Angestellten des Unternehmens zitierend werden dabei kurz
gesagt "mehrere Entwicklungsschritte übersprungen".
Anhand dieses vielleicht untypischen Beispiels lassen sich die Erfordernisse
einer ERP-Implementation jedoch sehr gut herausarbeiten.
1.2 Zielvorstellung
Das Personal wird über die Zielvorstellung im Unklaren gelassen.
Weiterer Personalabbau oder ein Ersatz durch Billiglohnkräfte scheint jedoch
geplant.
1.3 Systemeinführung
Als Software wird Navison Bau Financials, ein MS-Navision-Ableger der Firma
Nemetschek gewählt. Die Hardware wird im Sinne einer Minimalkonfiguration
eingerichtet, die Software überhaupt nicht, wenn man von der Übernahme
rein zahlungsbezogener Daten der Buchhaltung absieht. Gleichzeitig
mit der Einführung der Software beginnen neuerliche Strukturanpassungen
und weiterer Personalabbau.
1.4 Arbeitsalltag
Dieser Absatz läßt sich nicht zusammenfassen, da er ins kleinste Detail geht.
Rein theoretisch ist Navision
ein faszinierendes Programm, das - verglichen mit Lösungen im Stile von SAP -
sowohl weitaus weniger Einrichtungsaufwand als auch fortlaufenden Aufwand im
Tagesgeschäft erfordert. Angesichts eines beispielhaft geschilderten,
einfachen Arbeitsablaufs mag sich der Leser
selbst ein Urteil bilden über Sinn und Unsinn von ERP-Software, über
die sinnvolle Minimaleinrichtung sowie über die Daten, die normiert und
erfaßt sein sollten, bevor mit der praktischen Arbeit begonnen wird.
Die hier geschilderte ERP-Minimalkonfiguration führt im Endeffekt zu
kaum beschreibbarem Arbeitsmehraufwand.
1.5 Implementationsfehler
An der Hardware wird gespart. Zu viele Arbeiten werden fremdvergeben.
Die EDV-Abteilung verbleibt in derselben Personalstärke. Die Softwareeinführung
wird mit einer weiteren Strukturanpassung, u.a. mit weiterem Personalabbau
auf Sachbearbeiterebene zusammengelegt. Schlimmster Fehler: Das alte
Leitungspersonal, das aus den vorhergegangenen Strukturdefiziten und einer
unzureichenden EDV profitiert hatte, wird in die Planung miteinbezogen.
1.6 Programmfehler
Navision-Bau Financials bietet keine konkrete Unterstützung von Detailaufgaben,
im kaufmännischen Bereich ist es nahezu ein reiner Datenerfassungscontainer
für erledigte Arbeit,
im technischen Bereich bietet es allenfalls vage Entscheidungshilfen, wie sie
bei Pauschalaufträgen angebracht sind. Jeder kritische Bereich, der exakte
Berechnung erfordert, bleibt ausgespart. Letztendlich ist es eine völlig
unzureichend "auf Bau getrimmte" Buchhaltungssoftware.
Der Programmhersteller erhält Nachträge für die Implementierung
an sich selbstverständlicher, branchenüblicher Funktionen.
1.7 Hardwaredefizite
Falscherweise wurde der Ist-Zustand, also eine technisch
veraltete, im Mittel 5 Jahre alte Hardware zum Maßstab für die zentral
bereitzustellende Rechenleistung genommen.
1.8 Mängelbeseitigung
Außer der hastig vorgenommenen Einstellung neuen
Sachbearbeitungspersonals und der genannten Nachtragsvergabe an den
Softwarehersteller geschieht auch im Nachhinein praktisch nichts, was
normalerweise
schon vor einer Systemeinführung erledigt sein sollte.
1.9 Perspektiven
Das ERP-System wird auf lange Sicht nichts weiter sein, als
eine zusätzliche, unnötige Belastung. Eine auch nur halbwegs sinnvolle
Implementation
würde zu große Änderungen in Organisationsstruktur und Unternehmenskultur
voraussetzen.
1.10 tatsächliche Entwicklung
Die Zunahme des Personals bei gleichzeitigem Auftragsrückgang
spricht für sich.
2. Eigene Beobachtungen bei Geschäftspartnern
2.1 Ein Werkzeuglieferant
Das Unternehmen wird durch unzureichende Fakturierungsssoftware
gezwungen,
eine Mischkalkulation unterhalb vereinbarter Preise vorzunehmen.
2.2 Ein Baustofflieferant
Die Euro-Umstellung gerät durch eine eigens hierfür angeschaffte
Warenwirtschaftssoftware zum Desaster.
2.3 Ein Spezialwerkzeug-Weltkonzern
Umstellung auf Sammelabrechnung scheitert.
2.4 Ein Fassadenbau-Unternehmen
Verschickt plötzlich unsinnige Gutschriften.
2.5 Ein M-Dax Baukonzern
Chaos durch SAP!
2.6 Allgemeine Eindrücke
Während von Leuten, die gezwungen sind, selbst mit ERP-Software
zu arbeiten, nie etwas gutes zu hören ist, sprechen insbesondere die Aussagen
selbständiger Unternehmer für sich, die keine Postensicherung betreiben
müssen und somit auch eigene ERP-Programmentscheidungen nahezu immer
als Fehler bezeichnen.
3. Was Kolleginnen und Kollegen zu berichten wußten
Diverse kurze Schilderungen.
4. Fallstudien aus dem Internet
Unabhängige, detaillierte Fallstudien sind Mangelware. Zwei links
mit Pflichtlektürecharakter für ERP-Planer und einer im Vergleich zu dieser
Website positiven Allgemeinsicht des Themas werden geboten und kommentiert.
4.1 Vorbemerkungen
4.2 Deutsche BA (Navision)
4.3 Nestlé USA (SAP)
4.4 Nachbemerkungen
5. Fazit und praktische Empfehlungen
Es wird versucht, herauszuarbeiten, unter welchen Bedingungen die
Einführung von ERP-Software Sinn machen kann.
1. Eigene Erfahrungen: Navision Baufinancials
1.1 Vorgeschichte
Die Ausgangssituation für diesen Erfahrungsbericht liegt in meiner Arbeit
als kaufmännischer Sachbearbeiter in einem mittelständischen dortmunder Bauunternehmen,
einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft mit ungefähr 2000 Mitarbeitern
in Deutschland und Saudi-Arabien. In der Liste der größten deutschen
Bauunternehmen (gemäß Bauleistung) findet sich das Unternehmen je nach
Auftragslage regelmäßig in den Top 10 bis Top 20.
Wie von Parkinson (gemeint ist natürlich der Wirtschaftswissenschaftler
und nicht der Mediziner)
als allgemeines Gesetz beschrieben, war die Größe der
allgemeinen Verwaltung über die Jahre unablässig und unabhängig vom Umfang der
tatsächlich zu erledigenden Aufgaben angewachsen. Begünstigt wurde dies
insbesondere durch eine Machterhaltungsstrategie des Vorstandsvorsitzenden,
untypischerweise ein Kaufmann, die Techniker durch eine Vielzahl weder in
technischer noch in organisatorischer Hinsicht
notwendiger Ausführungsabteilungen - mit entsprechender Anzahl gut honorierter
Leitungsposten ruhig zu stellen. Die übertriebene Gründung neuer Niederlassungen
im Zuge der Wiedervereinigung tat ihr übriges.
An dieser Stelle sollen nun jedoch nicht nicht die Fehlentwicklungen in
den technischen
Organisationseinheiten des Unternehmens vertieft werden, sondern entsprechend
meinem eigenen Einsatzbereich und meiner eigenen Qualifikation die in der
kaufmännischen Organisationsstruktur:
Die typische Strategie eines gehobenen (kaufmännischen)
Angestellten (nach Parkinson), zuerst neue Ideen und Verwaltungsabläufe
(im kaufmännischen Bereich: Controllinginstrumente)
unabhängig von
einem tatsächlichen Zweck
einzubringen und dann bei erster Gelegenheit nach Unterstützung (also Untergebenen)
für deren Umsetzung zu rufen, möglichst aber gleich nach zweien, da ein einzelner
auf Dauer gefährlich werden könnte, und somit letztlich die eigene Position
zu stärken,
wurde quasi nicht nur berücksichtigt, sondern
sogar noch gesteigert.
Die nach und nach verwirklichte strukturelle Unterteilung des Unternehmens
in drei technische Grundrichtungen (Hochbau, Tiefbau, Wohnungsbau) hatte
dazu geführt, daß in der genannten Situation teilweise die Einstellung
von gleich drei
neuen Mitarbeitern möglich wurde. Die technisch begründete Untergliederung mit
strikter Trennung der drei Ausführungsbereiche wiederum machte es möglich,
die neuen Untergebenen in eine Vorgesetztenposition zu bringen, d.h.
eine neue Hierarchieebene zu schaffen. Vielleicht sollte noch erwähnt werden,
daß es insbesondere im kaufmännischen Bereich nicht zur Unternehmenskultur
gehörte, neue Funktionen oder Posten
aus dem eigenen Mitarbeiterstab zu rekrutieren, es sei denn dort, wo
diese zwar mit Arbeit, nicht aber mit Profilierungsmöglichkeit verbunden waren.
Das (vorläufige) Endergebnis waren Abteilungen, in denen die Zahl der
Vorgesetzten die der Sachbearbeiter überstieg. Auf das gesamte Unternehmen bezogen
hielt sich die Zahl der kaufmännischen Sachbearbeiter und "Leitenden" ungefähr die Waage.
Die Einbringung neuer Controllinginstrumente als persönliche Karrierestrategie
wird wohl jeden überraschen, der sich in der Bauindustrie auskennt. Gerade hier
herrscht aufgrund der Auftrags- bzw. Einzelfertigung die Überzeugung, daß ein
Controlling nicht oder allenfalls in Form einer projektbezogenen Kosten- und
Erlösrechnung möglich sei.
Der gesamte Aufgabenbreich der traditionellen Kostenrechnung war jedoch in
allen Facetten sowohl durch die Techniker als auch durch kaufmännische
Stabsabteilungen ohnehin schon mehrmals abgedeckt.
Im Endergebnis kam es hier zu einer mit dem Begriff Doppelarbeit nur unzureichend
umschriebenen Mehrfacherstellung und Überbearbeitung altbekannter
Kostenrechnungsinstrumente. Im Klartext wurden zumindest zu größeren Projekten
5 oder 6 nebeneinander herlaufende (unkoordinierte) Nachkalkulationen erstellt.
Desweiteren waren
mindestens 8 Personen mit der Erstellung und Kontrolle jeder einzelnen der projektbezogenen
Leistungsmeldungen beschäftigt (eine von den verantwortlichen Bauleitern aufgestellte
stichtagsbezogene Abgrenzung von Forderungen und Verbindlichkeiten über den
Buchungsstand hinaus, die zur Vermeidung von Ärger meist nach dem Prinzip der
Glättung erstellt wurden und somit in Wirklichkeit keinen über Kalkulation und Buchungsstand
hinausgehenden Zusatznutzen und abgesehen von Plausibilitätserwägungen auch
keine Kontrollmöglichkeit boten).
Ähnliches ließe sich
über weitere Instrumente sagen. Wichtiger ist jedoch die Feststellung, daß kaufmännische
Verantwortung in den naheliegendsten Bereichen, wie etwa der Ermittlung von
Preisinformationen
für die (rein technisch organisierte) Kalkulation so gut wie gar nicht stattfand.
Überflüssig zu erwähnen, daß nach Mitteln zur Effizienzsteigerung der
Kostenrechnungsinstrumente nicht wirklich gesucht wurde - wie auch eine Suche nach
moderneren und effizienteren Controllinginstrumenten noch nicht einmal testweise
stattgefunden hat. Auch computergestützte Auswertungen spielten - wo vorhanden -
angesichts
unkoordinierter Einzelprojekte und sehr eingeschränkter Kleinstlösungen eher eine
bremsende als eine unterstützende Rolle. Ca. 90% der Informationen - auch dort
wo weitere Berechnungen durchgeführt werden mußten - wurde in gedruckter Form
weitergegeben, schon Grunddaten - wie etwa Vertragspreise - ohne Not vielfach erfaßt.
Begleitet wurde diese Mischung aus Traditionalismus und
parkinsonscher "Sich-selbst-und anderen-Arbeit-machen-Strategie" noch auf durch
eine nur auf
den ersten Blick gut organisierte Kostenrechnung
mit umfangreichem Kostenarten und Kostenstellenplan, der bei genauer Hinsicht
mannigfaltige
Inkonsistenzen in Form von Mehrfachschlüsseln, Sammelkonten für umsatzstarke
Produktionsfaktoren und Einzelkonten für Centfaktoren aufwies.
Eine über projekt- bzw. auftragsbezogene Auswertungen hinausgehende Kostenrechnung
ließ sich anhand dieser Grunddaten nicht wirklich vornehmen.
Die Tatsache, daß mit der Bebuchung der an sich nicht aussagekräftigen Konten entsprechender
Aufwand verbunden war, führte zu Kritik von vielen Seiten. Vom größten
Teil der Mitarbeiter, auch der durch die Kostenrechnung mit überflüssiger Arbeit
belasteten Techniker wurde dies als "Scheincontrolling" durchschaut und entsprechend
kritisiert. Durch mehrere - den Aufwand
noch steigernde bzw. die Konsistenz verschlechternde Änderungen, teilweise
im Halbjahresrhythmus (!), mit entsprechend aufwendigen unterjährigen
Umschlüsselungsarbeiten wurde seitens der kaufmännischen Leitung
versucht, zumindest den Eindruck zu erwecken, die Kritik ernstzunehmen.
Zwischenstand:
Ein nicht nachvollziehbares Mißverhältnis aus Vorgesetzten- und
Sachbearbeiterstellen verbunden mit einem ebensowenig nachvollziehbaren
Maß an Doppel- und Unsinnsarbeit sowie einfachster Kostenrechnungs-Sachbearbeitung
bei den sogenannten Leitungsposten. Auch hier wohl überflüssig zu erwähnen, daß
eine Suche nach Arbeitserleichterungen und einem effizienten Einsatz des PCs
- von ineffizienten Alibiprojekten der Kaufmännischen Leiter abgesehen - eher auf
der Sachbearbeiter- als auf der Vorgesetztenebene stattfand.
Situationsänderung:
Der insbesondere durch Diversifikation und Ausweitung von Leitungsposten
angestiegene Verwaltungskostenanteil
führt zu einer stetigen Verschlechterung der Wettbewerbsposition des Unternehmens.
Die über mehrere Jahre durchgehaltene Strategie, auch unter diesen Bedingungen
vorwiegend kostendeckende Aufträge
hereinzunehmen, führt zu mangelnder Auslastung der Kapazitäten auf allen Ebenen.
Personalabbau findet nicht statt. Ein Strategiewechsel, die Situation durch Forcierung
von Baumanagement anstelle eigener Bautätigkeit zu verbessern - und somit Kostenvorteile
von außen hereinzuholen, bringt keinen ausreichend schnellen Erfolg.
Der Vorstandsvorsitzende wird entlassen und durch einen Bauingenieur ersetzt, der den
Baumanagementansatz fortführt.
Personalabbau wird als natürliche Kapazitätsanpassung verstanden und in erster
Linie - aber nicht nur - unter Ausnutzung der Fluktuation durchgeführt. Die grundsätzlich
schlechteste Position hat hierbei das kaufmännische Personal - unter anderem
wird die Revisionsabteilung vollständig aufgelöst und nur ein Teil der Aufgaben
an Finanzbuchhaltung und Betriebsabrechnung/Kostenrechnung weitergereicht.
In den übrigen Abteilungen führt die Fluktuationsausnutzung in erster Linie
zu einem Abbau an schlecht bezahlten Sachbearbeiterstellen, ohne daß eine
Umverteilung von Aufgaben
in Richtung des ohnehin fast ausschließlich mit Sachbearbeitung beschäftigten
Vorgesetztenbereich stattfände. Das Gegenteil war der Fall! Die Verlagerung auf Baumanagement und damit weitgehender Vergabe
von Bauleistungen an Subunternehmer sowie die allgemein stärkere Betonung des
Umsatzes als Erfolgsfaktor führen zu einer stetigen Verbesserung der Auftragslage,
die von den Arbeit gewöhnten und entsprechend organisierten und im Vergleich zu den
Leitenden oft auch noch besser ausgebildeten Sachbearbeitern über lange
Zeit aufgefangen werden kann. Ein Überdenken der Verwaltungsabläufe, der eingesetzten
Instrumente oder der Personal- bzw. Abteilungsstrukturen findet jedoch nicht statt.
Ebensowenig wird der Einsatz der EDV gefördert. Die betrieblichen Defizite in Form einer
Ungleichverteilung der Arbeit, einer dies noch unterstützenden, übertriebenen
Diversifikation und einem Beharrungsvermögen ineffizienter
Verwaltungsinstrumente führen in Verbindung mit stetig verbesserter Auftragslage,
insbesondere einigen Großprojekten und der Politik, auf Neueinstellungen bei den
zuvor zahlenmäßig extrem dezimierten kaufmännischen Sachbearbeitern zu verzichten,
zu der Situation, daß an vielen Stellen des Unternehmens aufgrund völliger
Arbeitsüberlastung kaum noch die nötigsten Arbeiten und diese kaum noch in
ausreichender Qualität geschweige denn termintreu durchgeführt werden konnten.
Um das ganze etwas nachvollziehbarer zu machen:
In der Endphase dieser Entwicklung aus Diversifikation und Hierarchieaufbau mit
anschließendem sozialverträglichem Fluktuations-Stellenabbau hielt man es
für normal, daß ein Sachbearbeiter 50 Eingangsrechnungen pro Tag zu etwa 50%
vollständig (anhand der zuvor sachlich geprüften Lieferscheine),
ansonsten preislich und rechnerisch zu prüfen, zu verbuchen hatte, während
ein Vorgesetzter sich im Schnitt um zwei Ausgangsrechnungen pro Tag kümmerte, die von
den Bauleitern bereits bis zur Nettosumme vorgegeben und von den Sekretärinnen
geschrieben, teilweise von diesen (je nach Vorlieben bzw. Faulheit des jeweiligen Vorgesetzten)
sogar noch weiter bearbeitet und auf Wiedervorlage waren.
Ähnliche Zahlenverhältnisse herrschten bei der Anzahl der zu verwaltenden Verträge,
den Controlling-Nebenbeiaufgaben, dem Schriftwechsel, dem "Außenkontakt" usw.
Erschwerend kommt noch hinzu, daß für die gesamte Ausgangsrechnungs-,
Auftraggebervertrags- und
Controllingseite bereits von Stabsabteilungen und auch dort teilweise direkt
durch das Leitungspersonal bis hin zum Vorstand mitverantwortet und
nachkontrolliert wurde, ja
teilweise auch der arbeitsreiche Teil der als "Leitungsaufgaben"
definierten
Arbeiten an die Sachbearbeiter delegiert wurde. Selbst Urlaubsvertretungen für
diese "wichtigen" Posten wurden größtenteils nicht von den
Vorgesetztenkollegen sonden
von den Sachbearbeitern durchgeführt.
Um es noch plastischer zu machen: Im Rahmen der von mir durchgeführten
Urlaubvertretungen - teilweise im Monatsabschluß - habe ich nie einen größeren
Arbeitsaufwand als 30 Minuten bis 2 Stunden pro Tag für die
Vorgesetztenarbeiten gehabt.
Natürlich haben diese Vorgesetzten - wohl zur Schau - jeden Tag
Überstunden gemacht und zwar unabhängig davon, ob gerade Flaute war oder -
was alle paar Wochen durch irgendwelche in reiner Handarbeit erstellten
Controlling-Sonderauswertungen, neue Aufträge oder die Vorbereitung von
Feierlichkeiten durchaus mal vorkam - tatsächlich mal viel zu erledigen war.
In dem Mißverhältnis aus Arbeitszeit und Leistung, das auf diesen Posten
zu beobachten war und das stärker im Blickfeld des Vorstands stand, als die
Tätigkeit
der Sachbearbeiter, ist wahrscheinlich der Grund zu sehen, weshalb die
Sachbearbeiter (die es tatsächlich gewagt haben, pünktlich Feierabend zu
machen, wenn die Arbeit erledigt war und deren Arbeitsergebnisse den
Vorstand offensichtlich nicht interessierten) als erstes ins Visier der
Rationalisierungsplaner gerieten. Hierzu später mehr.
Nun, jedes Unternehmen braucht Leute, die den Rücken frei haben -
für wichtige Entscheidungen, für kurzfristig notwendige Termine, für komplexe
Innovationen etc. - nur hatten diese Leute des mittleren Managements
tatsächlich nichts zu sagen.
Jedes Unternehmen braucht auch Leute, die Leistungsaufgaben wahrnehmen,
üblicherweise sind diese dann jedoch besser ausgebildet und berufserfahrener,
als ihre Untergebenen und vor allem nicht in der Mehrzahl.
Einige High-Tech-Unternehmen brauchen wohl auch einen hohen Anteil
hochqualifizierter Mitarbeiter, für die - wenn man keine bessere Lösung
findet - irgendwelche
Posten erfunden werden müssen, um sie im Unternehmen zu halten. Wir befinden
und jedoch in der Bauindustrie, in der Innovationen noch nie eine größere
Rolle gespielt haben und wo (in den fortschrittlichsten Unternehmen) im
kaufmännischen
Bereich gerade mal einige Grundideen aus den Anfangstagen der
Betriebswirtschaftslehre (meist falsch) umgesetzt werden.
Kurz gesagt: In einem Unternehmen, in dem nach überzogenem
Hierarchieaufbau mit anschließender unverantwortlicher Fluktuationsausnutzung
die Vorgesetzenstellen zumindest in einigen Abteilungen in der Mehrzahl
sind (was sofort zu erkennen ist)
und in dem die Sachbearbeitungsaufgaben schon längst an der Grenze des
Machbaren bzw längst unter Ausnutzung aller technischen Möglichkeiten und
allenfalls behindert durch eine von unterbeschäftigten Leitenden erdachte,
"beschäftigungstherapeutische"
Grundorganisation
durchgeführt werden (was sich jeder vernünftige Mensch - auch auf Vorstandsebene
- denken kann),
muß man wohl kaum lange nach Rationalisierungspotential suchen, trotzdem:
Anstatt nun also den mühsamen Weg zu gehen, hier einen massiven Neuanfang, einen Umbau
der Strukturen, ein Überdenken der Instrumente, einen Ersatz überflüssiger
Leitungsposten durch dringend benötigte Sachbearbeiter vorzunehmen, den langsamen
Aufbau ausreichender EDV-Kapazitäten zu versuchen oder (was am einfachsten gewesen
wäre, aber heute wohl nicht mehr zeitgemäß ist:) neue Sachbearbeiter einzustellen, wurde die Einführung eines
ERP-Systems als einziges Mittel beschlossen. Um hierfür nicht schon auf höchster
Ebene
gegen Widerstände kämpfen zu müssen, wurde der bremsende Finanzvorstand durch einen
aus einem bereits über ERP-Erfahrung verfügenden Unternehmen stammenden neuen Mann
abgelöst.
1.2 Zielvorstellung
Während auf Vorstandsebene die Preisgabe der tatsächlichen Zielvorstellungen
nicht zu erwarten ist, kann bei einer Fallschilderung aus Sachbearbeitersicht
nur spekuliert werden. Neben der Abschaffung von Doppelarbeiten, dem weiteren Abbau
von Sachbearbeiterstellen bzw. der weitgehenden Reduktion auf Hilfstätigkeiten war
mit dem ERP-System sicherlich die Hoffnung auf eine Vereinfachung der darüber
hinaus fraglos notwendigen Strukturänderungen und letztlich auf einen Abbau der zuvor
übermäßig aufgebauten Leitungsposten verbunden, wahrscheinlich auch die Hoffnung, mittels
der EDV bessere Controllinginstrumente zur Verfügung zu haben. Die Gerüchteküche
war jedenfalls angeworfen und die massiven Strukturänderungen, die in anderen
Unternehmen der Branche bereits durchgeführt waren, gaben genug Stoff dazu her.
Was von Seiten der Entscheidungsträger mitgeteilt wurde, beschränkte
sich auf die bekannten Werbesprüche der Softwareindustrie: Integration der
Verwaltungsarbeiten im Sinne einer Datenerfassung am Ort der Entstehung,
einem automatisierten Datenaustausch, einer weitgehenden Automatisierung
aller Arbeiten, einer Vereinfachung der Arbeit, nicht zuletzt einer
Arbeitserleichterung für die Sachbearbeiter.
Dementsprechend sollte im Zuge der Implementierung die Software zuerst als
Buchhaltungsprogramm eingesetzt werden. Beim weiteren Ausbau sollten dann vereinfacht
ausgedrückt zuerst die Kalkulation, dann der Einkauf, dann die Kostenrechnung
"angeschlossen" werden, um einen schlüssigen Informationsfluß zu gewährleisten.
Über die Einbindung der übrigen Funktionsbereiche wurde nichts konkretes mitgeteilt.
1.3 Systemeinführung
Die Software ("anspruchslos"):
Als ERP-Software wurde Navision von Microsoft gewählt, hierbei wiederum die
Branchenlösung Navision Baufinancials der Firma Nemetschek. Das Programm ist im
Vergleich zu SAP weitaus weniger umfangreich, auch ohne langwierige
Einrichtung von Datenbanken einsatzfähig, relativ einfach und ohne längere
Schulung zu bedienen, speziell für die Bedürfnisse und Abläufe der Bauindustrie
gedacht und nicht zuletzt konnten die ca. 30.000 Datensätze, die innerhalb
des zuvor eingesetzten Buchhaltungsprogramms derselben Softwarefirma erfaßt
worden waren, übernommen werden.
Die Implementierung(Scheitern der ursprünglichen Ablaufplanung):
Nach knapp einjähriger Planungsphase wurde das grundlegende Netzwerk
in der Firmenzentrale errichtet, an das nach und nach die Niederlassungen angeschlossen
werden sollten. Die bisherige Planung, als erstes die
Kalkulation anzuschließen, scheiterte an der dort eingesetzten Software, die
weiter verwendet werden sollte. Eine Vorabprüfung auf Kompatibilität hatte wohl
nicht stattgefunden (oder aber der Softwareanbieter hatte das Kompatibilitätsproblem
heruntergespielt). Dementsprechend war an eine Einbindung des Einkaufs zunächst
auch nicht zu denken, da man ohne automatische Übernahme der Kalkulationsdaten
scheinbar einen nicht machbaren Aufwand befürchtete, der wegen äußerst geringer
personeller Kapazitäten auch wohl begründet war. In der Tat war nicht nur aus
diesem Grund, sondern auch aus Gründen des Chancenmanagements und der technischen
Anforderungen ein Höchstmaß an Einkaufs-Vorarbeiten innerhalb der Kalkulation angesiedelt.
Nach einem Jahr werden Erfolge erwartet:
Nachdem an einen sinnvollen Arbeits- bzw. Datenerfassungsablauf ohne aufgrund
der personellen Situation nicht machbare neue Doppelarbeiten nicht mehr zu denken war,
wurde die Buchhaltung wieder ins Visier genommen. Ohne Frage hätten Buchhaltung
und Controlling am meisten von einem perfekt eingerichteten ERP-System profitiert,
hier hätte sich das größte Rationalisierungspotential ergeben, da ein Größtmaß an
Vorarbeiten schon gegeben gewesen wäre. Ich will hier als sehr einfache Beispiele
nur die Erfassung der Auftragnehmeradressen bereits in der Kalkulation oder der
nicht zu überschreitenden Auftrags- bzw. Zahlungshöhe je Vertrag im Einkauf nennen.
Angesichts der Situation, daß direkt auf die ERP-Software bezogene, meßbare
Erfolge allenfalls in der Vorstellung bzw. in zeitlich weiter Ferne existierten,
und fraglos nur mit weiteren Investitionen und im Hause oder extern zu erbringender
zusätzlicher Programmierarbeit zu erreichen waren,
mußten positive Effekte auf andere Weise erreicht und irgendwie mit der Software
in Verbindung gebracht werden.
Das Schein-Erfolgsrezept: Hektische Umstrukturierung als Ersatz
für eine ablaufbezogene EDV-Implementierung:
Das Mittel der Wahl war nichts anderes als eine Strukturänderung, die auch ohne
die ERP-Software möglich gewesen wäre. Wenn man die Unzahl an Leitungsposten
herausrechnete, die man offenbar als zu wehrhaftes Angriffsziel einer Umstrukturierung
sah, bestand die Buchhaltung des Unternehmens (einschließlich Betriebsabrechnung/
Kostenrechnung und operativer kaufmännischer Vertragsabwicklung/Rechnungsprüfung mit
der Auftragnehmerseite(!)) aus etwa 40 Personen, also aus ungefähr 2% der
Gesamtbelegschaft. Ca. 15 Personen waren innerhalb der Hauptverwaltung
beschäftigt, die restlichen ca. 25 über ganz Deutschland verstreut und mit
vielfältigsten operativen kaufmännischen Aufgaben betraut (die sogenannten
Rechnungsprüfer).
Die Zahl wird jedem gering vorkommen, der sich schon einmal mit typischen
Organisationsstrukturen in Mittel- oder Großunternehmen - und
erst recht bei Einzelfertigung - beschäftigt hat. Wenn man zusätzlich die oben
geschilderte Ausgangssituation bedenkt, in der ein Aufbau auf Vorleistungen
der Kalkulation und des Einkaufs nur auf Basis der in Papierform weitergereichten
Verträge möglich war, relativiert sich die Zahl noch weiter.
Eigentliches Ziel der Rationalisierung war die Abschaffung folgender Doppelarbeit
in Zusammenhang mit der Verbuchung von Eingangsrechnungen: Bei einem Teil der zu
buchenden Rechnungen wurde wiederum nur ein Teil Buchungsdaten in Form
handgeschriebener Kontierungszettel (ca. Din-A6) weitergereicht. Für ca. die
Hälfte der Rechnungen (den Subunternehmerbereich betreffend) existierte ein
Programm, das die sehr schematische, d.h. leicht zu automatisierende Kontierung
automatisch errechnete und ausdruckte. Bei der
übrigen Hälfte der Rechnungen wurde wiederum nur die Hälfte der Buchungsdaten manuell
erfaßt, da sich der Rest aus dem Beleg selbst ergab. Über den Kontierungszettel
hinaus wurde natürlich ein Teil der sonstigen Buchungsdaten zum Zwecke der
Wiedervorlage auch dezentral erfaßt, jedoch nicht in dem Umfang, wie er im
Rahmen einer ordnungsmäßigen Buchführung nötig ist. Die tatsächliche Doppelarbeit,
die durch Umstrukturierung abgeschafft und dann als Erfolg der ERP-Software
verkauft werden sollte, betraf de facto etwa 1/10 der täglichen
Buchhaltungsarbeit, die von 2% der Belegschaft durchgeführt wurde. Das ergibt
ein theoretisches Rationalisierungspotential von 0,2% bezogen auf die Arbeitsabläufe im
Unternehmen.
Selbst bei angenommener
völliger Unkenntnis des neuen Finanzvorstands, der dem kaufmännischen Bereich
zugeordneten 5-Personen-EDV-Abteilung (eine Aufstockung war bis dato weder vorgenommen
noch geplant, Netzwerk- und Softwareeinrichtung zum größten Teil als Vergabeleistung
durchgeführt bzw. größtenteils noch in Planung) und der in die Planung der ERP-Systems
einbezogenen übrigen Abteilungsleiter über die tatsächlichen Arbeitsabläufe konnte
kaum davon ausgegangen werden, daß man hier ein Rationalisierungspotential von mehr als
0,5% - oder (hart ausgedrückt)
zehn möglichen Entlassungen als Folge der Software und des Netzwerks erwartete und
dies zudem nur recht unterbezahlte Posten betraf. Anders ausgedrückt - und ohne
noch mal genauer auf die Strukturen des Unternehmens einzugehen: Mehr, als eine
Personalkosteneinsparung von 0,25% war durch die Software bis auf weiteres auch bei
optimistischer Schätzung nicht zu erwarten.
Die Strukturänderung hingegen war für die betroffene Mitarbeiter umso massiver:
Die Arbeitsplätze der ca. 25
auswärtigen kaufmännischen Sachbearbeiter sollten in die Firmenzentrale nach
Dortmund verlegt, Prüfungsarbeiten und abschließende Buchhaltung jeweils von
derselben Person durchgeführt werden.
Das Schein-Erfolgsmittel Personalabbau:
In einem ersten Schritt wurden innerhalb weniger Wochen die ausgegliederten
Dortmunder und Essener Sachbearbeiter (4 Personen) in das Gebäude der Zentralverwaltung
umgesiedelt und bereits der erste Personalabbau in Form der Versetzung
eines Mitarbeiters in einen neuen Aufgabenbereich vorgenommen.
Der nächste Schritt sollte die Eingliederung der Berliner Sachbearbeiter erfolgen,
obwohl andere Niederlassungen im (erweiterten) Tagespendelbereich sich eher angeboten
hätten.
Ab hier war klar, worum es ging, nämlich Personalabbau auf billigste Art,
durch Kündigung seitens der Mitarbeiter - ohne Abfindung.
Die Erwartung, daß unterbezahlte Sachbearbeiter mit voller Motivation in eine 600 km entfernte
Stadt ziehen, um dort eine Arbeit lediglich als Zuarbeiter einer zumindest
in der längerfristigen Planung perfekten Software auszuführen, während gleichzeitig
die mit doppeltem Gehalt aber noch nicht einmal dem halben Arbeitspensum ausgestatteten
Vorgesetzten vor Ort bleiben und dort zu 90% Arbeiten ausführen sollen, die in anderen
Unternehmen schon längst automatisiert oder zumindest zentralisiert sind, wird man auch
dem dümmsten Vorstandsmitglied nicht unterstellen wollen.
Desweiteren war deutlich geworden, daß der offensichtlich geplante Personalabbau
auch das optimistischste Maß an Erwartungen an die Leistungsfähigkeit einer
Software bzw. die Ersetzbarkeit spezifischen Sachbearbeitungs-Know-Hows
oder die Möglichkeit, aus den vorhandenen Sachbearbeitern nur die motiviertesten
auszuwählen, übertraf.
Unklarheit über die tatsächlichen Zielvorgaben angesichts des
bisherigen, scheinbar planlosen Vorgehens der Unternehmensleitung:
Die Art der Rationalisierung ließ aus Sachbearbeitersicht also nur folgende
Möglichkeiten zu:
- Grenzenlose Unfähigkeit bei den Entscheidungsträgern, verbunden
mit dem Fehlen sozialen Verantwortungsbewußtseins
(ein insgesamt sehr unwahrscheinlicher Fall).
- Die Planung einer totalen Umstrukturierung der Verantwortungsbereiche,
bei der noch mehr kaufmännische Aufgaben auf die Technikerseite verlagert werden,
so daß nur noch der reine Zahlungsverkehr, ergänzt vielleicht um rudimentäre
Einkaufsarbeiten und ein weitgehend automatisiertes Controlling als Aufgabe der
Kaufleute bliebe
(ein Fall, der angesichts ähnlicher Umstrukturierungen bei Konkurrenzfirmen
sehr wahrscheinlich war)
- Die Übereinkunft des kaufmännischen Leitungspersonals, das gesamte Projekt
scheitern zu lassen und schnellstmöglich zu den alten, überkommenen Strukturen
zurückzukehren, also die Posten zu sichern (ein wahrscheinlicher Fall).
Bestimmte Aussagen projektverantwortlicher Personen ließen dieses Szenario
sogar als sehr wahrscheinlich erscheinen, wobei es - nach allem
was in den vorangegangenen Jahren an Sachbearbeiter-Personalabbau bei
gleichzeitiger Zunahme
der Arbeit stattgefunden hatte - wirklich nicht anders interpretiert werden
konnte,
als daß hier ausschließlich Leitungs - bzw. die oben beschriebenen
Pseudo-Leitungsposten gesichert werden und die Sachbearbeiter
(bzw. deren wohl noch weiter unter Tarif bezahlte Nachfolger)
lediglich als das hierzu unabdingbare "Untergebenenvieh" herhalten sollten.
Man möge mir die Ausdruckweise verzeihen: Wie gesagt, ist dies eine
Fallstudie aus der Sicht eines Sachbearbeiters,
der jahrelang miterleben mußte, wie der eigene Aufgabenbereich von Vorgesetzten
schlechtgeredet wurde, die sich selbst vornehmlich mit Doppelarbeiten auf dem
Niveau von Grundschulmathematik beschäftigten und diese so überflüssigen wie
überbezahlten Posten
ganz allgemein mit allen, das Betriebsklima vergiftenden Mitteln zu
verteidigen versuchten.
An einer Restaurierung dieses status-quo konnte keinem Sachbearbeiter,
aber auch dem Unternehmen allgemein eigentlich nicht gelegen sein.
- Die Erwartung einer stetigen Abwärtskonjunktur der Branche mit
nicht auszugleichenden Auswirkungen auf die Auftragslage des eigenen Betriebs und
der Vorgabe, die Mitarbeiter jederzeit und sofort austauschbar/kündbar zu machen.
Die EDV hätte in diesem Fall keine effizienzsteigernde Aufgabe, sondern
sollte den Einzelnen lediglich ersetzbar machen(der vielleicht wahrscheinlichste, aber ein von Pessimismus und
unternehmerischer Unfähigkeit geprägter Fall).
Die Folgen für das Betriebsklima:
Überflüssig zu erwähnen, daß von der individuell mehr oder weniger
schlecht eingeschätzten Situation keine motivationsfördernde
Wirkung ausging und das an den Rechnungsprüfern vorgenommene Exempel nichts gutes
für das Betriebsklima oder die Arbeitsbedingungen der übrigen Funktionsbereiche
erahnen ließ, sobald diese an die Reihe kommen würden, mit der Software zu
arbeiten oder durch diese ersetzt zu werden. Einzig beim kaufmännischen
Leitungspersonal (auf mittlerer Ebene) war ein gewisser Humor zu beobachten.
Hier wurden
tatsächlich Forderungen laut, durch das ERP-System endlich eine Unterstützung
zu erhalten, die die meisten dieser Posten fraglos überflüssig gemacht hätte, dies
offensichtlich in der Gewissheit, daß die Software das auf längstmögliche
Sicht nicht leisten bzw. ein eventueller Stellenabbau auf dieser
Ebene ganz anders ablaufen würde.
1.4 Arbeitsalltag
Die Folgen im Kleinen: Praktische Buchhaltungsarbeit mit Navision
Baufinancials:
Zur Vorgeschichte und zu den ersten Implementierungsschritten des
ERP-Systems soll genug gesagt sein. Wie gestaltete sich nun die praktische Arbeit
mit der Software? Wie schon gesagt, war etwa ein Zehntel des Arbeitspensums
vor Einführung der ERP-Software nun irgendwie mittels dieser zu erledigen.
Als erstes mußte natürlich das Programm gestartet, der eigene Name und
das Codewort eingegeben sowie das Modul für die Rechnungsverbuchung geöffnet werden.
Die ist zunächst eine einzige Bildschirmmaske, die bei maximaler Fenstergröße
bereits den Großteil der belegrelevanten Datenfelder sichtbar machte.
Die Erfassung der neu eingegangenen Rechnungen lief dann folgendermaßen ab:
Die Eingangsnummer wurde nach Durchführung einer Aktivierungsprozedur für
den neuen Beleg (drei Mausklicks) automatisch vom System vergeben.
Danach wurde der Kreditor erfaßt. Hierzu erhielt man nach Eingabe des Namens
oder Kürzels der Firma eine Auswahlliste von im Mittel 10 Unternehmen, aus der relativ
unkompliziert das richtige ausgewählt werden konnte. Bei mehreren Rechnungen
derselben Firma merkte man sich den zugehörigen 5-stelligen Index, der zur Erfassung
des Kreditors alternativ eingegeben werden konnte. Als nächsten waren Ausstellungs-,
Eingangsdatum und voraussichtlicher Buchungsmonat(hier wird zunächst die Erfassung nach
Eingang aber vor Prüfung beschrieben). Die Eingabe war absolut unkompliziert
und vorbildlich gelöst (Das Datum ließ als 6-stellige Zahl ohne Punkte eingeben).
Ebenso unproblematisch war die Eingabe der Beleg-Ausgangsnummer, wenn man davon
absieht, daß die Anzahl der zur Verfügung stehenden Stellen recht begrenzt, d.h.
die oft astronomisch anmutenden Belegnummern der Auftragnehmer teilweise nicht
vollständig eingebucht werden konnten. Als nächstes wurden Netto, Brutto und
Mehrwertsteuerbetrag der Rechnung (und zwar jede Zahl von Hand, ohne automatische
Berechnung)
erfaßt, schließlich die Fälligkeit, aufgeteilt in eine Skonto- sowie
Bruttofälligkeit und (wir befinden uns in der Bauindustrie): den tatsächlichen
Zahlungstermin. Nun, da aufgrund gesunder Liquidität und Zahlungsmoral grundsätzlich
der früheste (Skonto-) Zahlungstermin, ansonsten aber der vertraglich
bestimmte eingehalten werden sollte und ein entsprechenden Auswahlverfahren
für die aus den Buchungsdaten resultierende Diskettenzahlung noch nicht
einprogrammiert war, mußte dreimal dasselbe Datum eingegeben werden.
Da die Fälligkeit einer Rechnung - wie auch jedes anderen zu bearbeitenden Belegs
zwar einen der wichtigsten Werte im Rahmen der Vorerfassung darstellt, entsprechende
Werte jedoch erst im Rahmen der ohne Unterstützung durch die Software stattfindenden
Prüfung ermittelt werden konnten, wurde zunächst ein Pauschaldatum (14 Tage nach Eingang)
erfaßt und dies natürlich nur einmal eingetickert.
Schnitt:
Als nächstes stand - insbesondere bei den Subunternehmerrechnungen
die sachliche Prüfung und Freigabe durch die Techniker an - mit Herausgabe,
Wiedervorlage, gegebenenfalls Nachverfolgung, Rückerhalt, schließlich
preisliche sowie rechnerische Prüfung, genereller Ausdruck von Zahlungsmitteilungen
und fertigen Kontierungen
für die Nachunternehmer (offizielles Firmenprogramm)sowie gegebenenfalls Änderungsmitteilungen für die
Lieferanten, für die auf Sachbearbeiterebene geschriebene Programme/Dateien eingesetzt
wurden, die teilweise auch fertige Kontierungen erzeugen konnten.
Nun kommt wieder die Software ins Spiel. Durch Eingabe der Eingangsnummer
wird die jeweilige Rechnung aufgerufen und die bereits eingegebenen Daten noch mal
überflogen. Das zuvor nur geschätzte bzw. pauschal eingegebene Zahlungsziel wird in
den meisten
Fällen abgeändert und dasselbe Datum (siehe oben) in drei verschiedene Felder
eingetragen. Andere Daten werden gegebenenfalls ebenso abgeändert.
Als zusätzliche Erfassungsarbeit wird der Skontosatz, das Sachkonto, die Kostenstelle,
der Nettobetrag und gegebenenfalls ein von 16% abweichender Umsatzsteuersatz eingetragen.
Die letzteren Daten je nach Rechnung eventuell auch mehrmals,
wo z.B. verschiedene Konten bebucht werden mußten. Innerhalb der eigentlichen
Kontierungszeilen war das Programm - im Gegensatz zu der oben geschilderten
Voraberfassung der Rechnungsausgangswerte - sogar in der Lage, eine Multiplikation
des in jedem Fall zumindest einmal von Hand einzutragenden Nettobetrags mit
dem Umsatzsteuersatz und die Aufsummierung zum Bruttobetrag vorzunehmen.
Die Erwähnung dieser nicht gerade überwältigenden Rechenleistung mag zwar
komisch erscheinen. Das einzig komische daran war jedoch, daß dies die einzige
Automatisierung war, wenn man von der geradezu "bahnbrechenden" sonstigen
Eigenschaften, nämlich automatisch eine fortlaufende Eingangsnummer und eine
Differenz zu den Rechnungsausgangswerten, also einen noch zu verbuchenden Betrag
zu ermitteln. Bei einer Abweichung zu den vorher eingegebenen Werten - auch bei
Rundungsdifferenzen, mußten die Rechnungsausgangswerte von Hand geändert werden.
Eine Speicherung der ursprünglichen Forderungen war also nur bei Fehlen
von Rundungsdifferenzen oder Kürzungen möglich. Eine Nachverfolgung
von Differenzen anhand der Datenbank - und wenn auch nur zum Zwecke der
Vorabinformation im Rahmen der Bearbeitung von Nachforderungen - nicht möglich.
Ebensowenig konnte natürlich datenbankmäßig auch nicht nachverfolgt werden, wie weit
die Erfassungsleistung des Einzelnen auf einem Abhaken beruhte oder wirklich
geprüft wurde, was zwangsläufig zu einer gewissen Anzahl von Differenzen
führte (aufgrund der Abrechnungsmethode am Bau oft auch Rechnungserhöhungen,
sofern nachvollziehbar).
Abschließend wurde ein Kontierungsbeleg ausgedruckt, der 5-mal unterschrieben
werden mußte. Das Maß der Ungleichverteilung von Verantwortung/Arbeit wurde ganz gut
daran sichtbar, daß 4 der Unterschriften vom einzelnen Rechnungsprüfer zu leisten war,
die Anweisung letztlich von einem der 4 (!) Vorgesetzten, wobei von einem
Sachbearbeiter zumindest bei Urlaubsvertretungen bis zu 5 Unterschriftenmappen
an drei Vorgesetzte zu verteilen waren.
Nach erfolgter Anweisung wurde die Rechnung nochmals in Navision aufgerufen
und zur endgültigen Buchung/Zahlung freigegeben. Damit war die Buchungsarbeit
beendet. Danach wurde kopiert/verteilt und abgelegt.
Der vorhergehende Absatz beschreibt die Prüfung und Verbuchung
einer einzigen
Eingangsrechnung und dennoch klingt das alles noch relativ harmlos,
die Tücken der Software lagen jedoch im Detail:
Ein vernünftiges Springen von Datenfeld zu Datenfeld war nur teilweise möglich,
aus unerfindlichen Gründen wurden relevante Datenfelder übersprungen. An zwei
Stellen mußte die Maus eingesetzt werden.
Wer wenig mit dem PC arbeitet, oder viele unterschiedliche Programme benutzt, wird
die Maus gerne benutzen, bei hohem Arbeitsanfall und immer gleichen Abläufen wird
die Maus jedoch zur Bremse, allein schon, weil eine Hand von der Tastatur genommen
werden muß. Erfahrene - zügig arbeitende - Sachbearbeiter werden
deshalb, wenn möglich die Tastatur benutzen. Dasselbe gilt umso mehr
für Datentypisten, zu denen die ehemaligen Sachbearbeiter - trotz fehlender
Ausbildung praktisch umfunktioniert worden waren. Eine tabellenartige Bearbeitung
mit Kopiermöglichkeit von gleichbleibenden Daten war gar nicht vorgesehen. Zwar konnten die
dem Programm zugrunde liegenden Datenbanken angezeigt werden, jedoch war ein
wirkliches Arbeiten innerhalb dieser unmöglich. Überhaupt: Sämtliche Shortcuts und
Tricks, mit denen man sich bei jedem Standardprogramm die Arbeit enorm erleichtern
kann, waren - wohl aus Sicherheitsgründen nicht verfügbar, da ansonsten auch
unbeabsichtigt riesige Datenmengen hätten zerstört oder verfälscht werden können.
Gespräche mit den Datentypistinnen, die bis dahin immer noch den weitaus größten
Teil der gesamtbetrieblichen Buchhaltungsarbeit erledigten und bereits länger mit der
Software vertraut waren, brachten zu Tage, daß
das Programm tatsächlich umständlicher und langsamer zu handhaben war, als
die alte DOS-Software, die auf derselben Datenmenge aufbaute, aber kein
Datenmasken- bzw. Fensterdesign aufwies.
Die Absicht eine Doppelarbeit abzuschaffen, war schon deshalb fehlgeschlagen,
weil das Ausfüllen von Kontierungszetteln in keiner Weise mit dem Aufwand einer
abschließenden Buchhaltung verglichen werden konnte, weder in der Menge der zu
erfassenden Daten, noch im Arbeitsaufwand - und letzteres auch bei besten
Maschinenschreibfertigkeiten und Ausnutzung aller Möglichkeiten, die eine
Software selbst bei Verzicht auf zeitraubendes Datenmaskendesign und besserer
Automatisierung bieten kann. Nicht zuletzt, da der größte Teil der Buchungsdaten schon
zuvor von offiziellen oder selbstgeschriebenen Programmen per PC errechnet
und die Kontierungszettel quasi nur noch dort ausgefüllt wurden, wo dies
schneller zu erledigen war, als ein Ausdruck.
Kurz gesagt: Anstelle einer Abschaffung von Doppelarbeit hatte nichts anderes
stattgefunden, als eine Arbeitsverlagerung bzw. Umverteilung und dies
unverständlicherweise auch noch von Fachkräften auf sogar geringfügig besser
entlohnte "Anfänger".
Weitere organisatorische Fehler ("Den Bock zum Gärtner gemacht"):
Unverständlicherweise wurde die Organisation des Umzugs auch gerade den Vorgesetzten
überlassen, die langfristig damit rechnen mußten, die Untergebenen auf diese
Weise (nicht nur räumlich) entzogen zu bekommen und auch sonst kein Interesse an der
Umstrukturierung
und EDV-Aufrüstung haben konnten (natürlich haben sich diese zum Zweck der
Profilierung - trotz nahezu völliger Unkenntnis (wenn man davon absieht, daß einer nach
eigenem Bekunden SAP-Aktien besaß) und einer zuvor verfolgten Verhinderungstaktik -
an der Planung der EDV zu beteiligen versucht). Als weitere Probleme neben dem völlig
untauglichen Programm und der unsinnigen Umverteilung der einzelnen Arbeiten kamen hier
scheinbar absichtlich herbeigeführter Platzmangel, gesplittete Ablagen und ständige
Rennerei hinzu. Nebenbei gesagt waren auch die Bürogeräte in Qualität oder Anzahl
(der einzige Kopierer z.B. wurde zuvor nur sporadisch benutzt, dasselbe
galt für das einzige Faxgerät) nicht den neuen Gegebenheiten
angepaßt. Die bei jeder Umstrukturierung dringend gebotene Taktik, neuen bzw. zuvor
vernachlässigten Leuten eine Chance zu geben, wurde völlig versäumt.
Einsicht in die Fehler / Lippenbekenntnisse der Leitenden:
Nach einem Sinn wurde nicht gefragt.
Die besten Kommentare kamen ungefragt von Vertretern des mittleren Managements - und
zwar ausgerechnet von denen, die sich durch die Umstrukturierung einen eigenen
Aufstieg oder zumindest eine Aufwertung der eigenen Position erwarten konnten.
Von einem Vertreter der Finanzbuchhaltung hieß es, man sei sich bewußt, daß mehrere
Entwicklungsschritte übersprungen worden seien(gemeint war wohl eine stärkere
Beschäftigung mit den
Möglichkeiten, Erfordernissen und Grenzen der EDV schon vor dem Kauf einer
letztlich eben doch anspruchsvollen Universalsoftware, also, technische Aufrüstung,
Anschaffung oder
Entwicklung einzelproblembezogener Software, Weiterbildung und
zumindest Pilotprojekte). Desweiteren sei die oben
geschilderte Fehlrationalisierung der Arbeitsabläufe und der Aufgabenverteilung
(die inzwischen auch auf Managementebene erkannt war) selbstverständlich ganz
anders beabsichtigt gewesen.
Vom Chef der EDV-Abteilung kam der äußerst vielsagende Kommentar, daß es nicht
auf seinem Mist gewachsen sei, zuerst die Rechnungsprüfer mit der Software
arbeiten zu lassen (deren Arbeit quasi am Ende des betrieblichen Datenflusses
angesiedelt war, während die Vorleistungen jedoch noch nicht einmal
testweise in das System eingespeist waren).
Der neue kaufmännische Vorstand - obwohl das Büro nur 5 Meter entfernt war -
hielt es aber für überflüssig, auch nur 10 Sekunden mit den auf unterster Ebene
beschäftigten Vorreitern und Hoffnungsträgern der Rationalisierung zu sprechen,
obwohl diese teilweise besser ausgebildet und/oder berufserfahrener waren, als
die Leitenden zwei Ebenen darüber. Neben den sprichwörtlichen studierten Taxifahrern
gibt es in deutschen Unternehmen - und ganz besonders in dieser Baufirma eine
Vielzahl studierter "Wasserträger" - teilweise nicht zu unrecht, teilweise
auch aufgrund der vielerorts umgekehrten Verantwortungsstrukturen bzw. die
umgekehrte Schwierigkeit der Aufgaben, aber bestimmt nicht in jedem Fall sinnvoll
begründbar.
Die Situation der "Rationalisierungsopfer":
Lange Rede, einfaches Ergebnis: Die Vorreiter der Rationalisierung/Umstrukturierung
waren weder sinnvoller eingesetzt noch entlastet sondern schlicht hoffnungslos
überlastet. Die Software war dabei nichts weiter, als eine zusätzliche Behinderung,
die organisatorische Versäumnisse der Vergangenheit nicht abstellte, sondern verstärkte.
An vernünftiges Arbeiten war nicht mehr zu denken, obwohl - wie auch
zuvor - alle Möglichkeiten der Arbeitsaufteilung, Stapelbearbeitung, Zusammenfassung
gleichartiger Aufgaben usw. ausgeschöpft waren. Kein Weg und kein Handgriff zuviel,
Arbeit wie am Fließband - aber ohne die Möglichkeit, das Denken dabei einzustellen.
Sachbearbeiter wissen, was ich meine.
Die vorherigen, weniger als 1/10 des Tagesgeschäfts ausmachenden
"Doppelarbeiten" beanspruchten
nun etwa 1/4 oder mehr. Anstelle einer einfachen Weiterreichung von Belegen war nun
zusätzlich Abstimmung
mit der Finanzbuchhaltung erforderlich, da beispielsweise das Recht zur Anlage von
Kreditorenstammdaten dort verblieben war, ohne diese jedoch keine Buchung erfolgen
konnte.
Gleichzeitig waren die Mängel des Programms natürlich auch von den
eigentlichen Buchhaltungsfachkräften erkannt. Alle paar Tage wurde demzufolge eine
neue Arbeitsanweisung herausgegeben, um die erfaßten Daten zumindest etwas
durchschaubarer zu machen. Dies alles nicht etwa in schriftlicher Form (dafür wäre
beim besten Willen keine Zeit mehr gewesen), sondern auf Zu- und Widerruf. Wer bis
jetzt Angaben über die Verbuchung von Sicherheiten vermißt: Die lief weiter
über die alte Software und wurde komplett von den alten Kräften durchgeführt.
1.5 Implementationsfehler
Die Fehler der Software bzw. der Implementation im Einzelnen. Mangelnde
Einsicht in notwendige Verbesserungen:
Was da fehlte, war selbstverständlich eine Ausfüllung der Datenbanken
und eine Hinterlegung der darauf aufbauen Formeln bzw. überhaupt Formeln, d.h.
bereits vom System hinterlegter Felder anstelle eines 95%igen Ausfüllens von Hand und
einer Funktionalität, die - von den fehlenden Datenbanken einmal
abgesehen - noch
nicht einmal die vier Grundrechenarten abdeckte. Grundsätzlich stand dem vor allem
eines entgegen: Mangel an Personal hierfür. Man war heilfroh, die alten,
rein Zahlungsverkehr-bezogenen Minimaldaten übernehmen zu können. An eine lückenlose
Erfassung aller buchungsrelevanten Informationen, also etwa vertraglicher
Zahlungsziele war nicht zu denken. Nichts wurde getan. Hinweise der Sachbearbeiter,
was da zu geschehen hätte bzw. Angebote, am Datenbankaufbau im eigenen Interesse
mitzuhelfen, da der Aufwand sich noch am selben Tag wieder auszahlen würde,
wurden abgewiesen (es würde schon daran gearbeitet, in einem halben Jahr
wäre alles fertig). Die Software selbst ließ - obwohl zu den derzeitigen Top-
Produkten gehörend und zusätzlich noch speziell für die Bauindustrie angepaßt -
keinerlei wirkliche Ansatzpunkte für grundlegende Verbesserungen erkennen.
Selbst die in der gesamten Branche nach demselben Schema durchgeführte
Subunternehmerabrechnung war in keiner Weise integriert - der Softwarelieferant konnte
hieraus einen Nachtrag machen, Fertigstellungsdatum unbekannt. Von einer
Lieferantenabrechnung ganz zu schweigen !
Trotz der zuvor offenbar gewünschten Kündigungen kein Personalabbau:
Schlagartig verschlechterte Arbeitsbedingungen, Überlastung, Lippenbekenntnisse
oder Desinteresse der Leitenden, die Aussicht, innerhalb einer perfekt
funktionierenden EDV austauschbar geworden zu sein, die Gewißheit, daß dies - sofern
angesichts völlig fehlender Erfahrungen überhaupt möglich - einige Jahre dauern
würde, die Befürchtung, zur Vermeldung von Scheinerfolgen schon vorher
weggekündigt und durch Billiglohnkräfte oder irgendeine andere unüberlegte
Strukturänderung ersetzt zu werden, die noch am besten erscheinende
Aussicht, über lange Zeit allenfalls zum Lückenbüßer einer völlig planlosen
Rationalisierung und EDV-Einführung zu werden. Die Tatsache, daß währenddessen das
sich bereits in der Mehrzahl befindende sogenannte "Leitungspersonal"
von jeder Rationalisierungsüberlegung unbetroffen war, vielleicht
irgendwann ersatzlos gestrichen würde. Das Mißverhältnis von direkt ergebnisbezogener
Verantwortung bei gleichzeitiger Ausnutzung und Unterbezahlung.
All dies ließ weder für die Firma
noch für die Mitarbeiter irgendetwas gutes erwarten und führte zu einer
zwischenzeitlich 100%igen Fluktuation. Dieser Bericht enthält im wesentlichen
Beobachtungen nach nach meiner eigenen Kündigung.
Die irrwitzigsten Ereignisse passierten jetzt:
Nachdem man beispielsweise für die dortmunder Ausführungsabteilungen zuvor innerhalb von 5 Jahren den Abbau der Sachbearbeiterstellen
durch Fluktuation oder Versetzung um 80% (auf einen von ehemals 5) trotz verbesserter
Auftragslage für völlig problemlos gehalten hatte (die gleichzeitige
Verdreifachung (!) der Vorgesetztenstellen durch Neueinstellung und ohne
Aufgabenerweiterung hatte ja auch niemanden gestört), wurde nun nicht
weiter gezögert:
1. Die Abteilung wurde durch Versetzung von drei Mitarbeitern sowie Einstellung
von drei Zeitarbeitskräften auf 7 Kolleginnen und Kollegen aufgestockt.
Die oben geschilderte Vorerfassung der Rechnungen wurde zusätzlich teilweise von
Kolleginnen des Empfangs und der Materialausgabe erledigt. Damit verbunden war
eine Umverteilung der einzelnen Arbeitsschritte, teilweise sogar eine
Zersplitterung der einzelnen Abteilungszuordnungen und Aufgabenbereiche.
2. Die bisherigen 4(!) Vorgesetzten der Abteilung wurden aus der Verantwortung
entlassen und durch einen erfahrenen Mitarbeiter der Finanzbuchhaltung ersetzt,
der jedoch mit der Planung des weiteren Vorgehens ausgelastet wurde und sich
darum kaum um den Ist-Zustand kümmern konnte.
Die Folgen: Vier oder 5 Wiedervorlagen, zu jedem Vorgang mindestens 10
mögliche Ansprechpartner (die von ERP-Software ausgewiesenen "letzten Bearbeiter"
hatten die Belege meist schon längst an irgendwen weitergegeben oder gehörten gar nicht
zur Abteilung bzw. waren nur versehentlich in die falsche Belegzeile geraten und dabei
vom Programm automatisch erfaßt worden), jeden Tag mindestens eine Änderung der
Arbeitsabläufe, Gruppenabsprachen, die man nur zufällig mitbekam, ständige
Verbesserungsvorschläge und so weiter und so weiter. Kurz gesagt: keine Spur
mehr von rationeller oder ganzheitlicher Arbeit, keine Möglichkeit für den
einzelnen, irgendetwas vernünftig, d.h. ohne zeitraubendes Durchfragen zu regeln.
Nur mit äußerster Anstrengung konnte vermieden werden, daß die Situation
nach außen, d.h. den Auftragnehmern bekannt wurde oder sich die aufgrund der
konjunkturellen Situation überall pünktlich benötigten Zahlungen sich verzögerten.
Der typische Erfahrungsaustausch der Sachbearbeiter hatte sich dabei von einem
"Lieferant X gibt derzeit Rabatte, versuch´ doch mal, ob du da auch was rausschlagen
kannst" oder "Nachunternehmer Y trickst bei der Abrechnung, paß´ auf!" eher in Richtung
"Ich habe versehentlich den falschen Button gedrückt und das Programm hat eine
Belegnummer vergeben. Du kannst die Belegnummer für Deine nächste Rechnung verwenden,
ich hab leider schon alles eingetragen." oder "Ist hier das Konto "Sonstige
Hilfsstoffe" oder das Konto "Sonstige Baustoffe" angesprochen. Guck´ doch bitte mal.
Nein, beides ist falsch, Du mußt das Konto "Sonstiges" nehmen".
Keine Einsicht in die notwendige Planrevision:
Trotz der bis dahin mit absoluter Offensichtlichkeit und bereits im
kleinsten Rahmen völlig fehlgeschlagenen Rationalisierung wurde weiter
an der ursprünglichen Planung festgehalten. Sichtbar wurde dies daran, daß
genau zu diesem Zeitpunkt die Eingliederung der 2 Essener Rechnungsprüfer
erfolgte, für die noch nicht einmal ein Postfach zwecks Austausch mit den
Technikern angelegt worden war (wegen Platzmangel mußte zuvor die EDV-Abteilung in den Keller umziehen).
Desweiteren war der Umzug der Berliner Sachbearbeiter als nächstes geplant.
Der mittlerweile mit Software- und ablaufbezogener Planung genügend
ausgelastete neue
Abteilungsleiter wurde vom Anweisen der Rechnungen befreit, da alein dies
selbst bei flüchtigem Drübersehen bereits einen halben Tag (bzw. Abend) an Arbeit
ausmachte, das heißt
die Rechnungsprüfer erhielten die alleinige Zahlungsverantwortung, wenn man
von den Bauleitern absieht, die die Ursprungsbelege zuvor sachlich geprüft hatten
und Kopien der abschließend gebuchten Rechnungen erhielten (wie jeder weiß,
haben Bauleiter und andere Ingenieure im allgemeinen jedoch besseres und vor allem
mehr zu tun, als tagesaktuelle Revisionsarbeit an eigentlich erledigten kaufmännischen
Belegen zu leisten). Währenddessen hatten sich jedoch die bis dato ohnehin kaum
entlasteten Datentypistinnen quasi als Revisionsabteilung etabliert, da sich
die Zahl der Buchungsfehler häufte. Nicht schwer vorzustellen, daß auch diese
mehr denn je zu tun hatten.
1.6 Programmfehler
Alles beherrschbar ?:
Wo gehobelt wird, fallen Späne, wird mancher denken. Jede Strukturänderung
ist mit zumindest zeitweiligem Chaos verbunden. Das mit der Einführung von ERP-Software
zwangsläufig verbundene Durcheinander ist mittlerweile sogar fast schon sprichwörtlich
geworden. Durch diese Phase muß man durch, normalerweise renkt sich alles irgendwann
wieder ein und wird besser als zuvor, so die üblichen Sprüche, insbesondere bei
Leitungspersonal, das selbst nicht wirklich etwas mitbekommt. Über die Fähigkeit
des einzelnen Unternehmens zu sinnvollen Strukturänderungen bzw. zur Bewältigung
der Veränderungen muß an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Diese Firma
jedenfalls hatte in der Vergangenheit schon öfter Strukturen umgestellt und in den
7 Jahren meiner Tätigkeit dort niemals etwas besseres geschaffen.
Die Leistungsfähigkeit der Software zur Problembeherrschung:
Viel wichtiger
ist wohl die Frage, was eine ERP-Software selbst zur Lösung von Problemen
beitragen kann. Aufgrund der Situation, anhand von Ablage, Wiedervorlage, oder
Gesprächen mit den Kolleginnen und Kollegen nichts mehr vernünftig bzw. zügig
klären zu können, bin ich also dazu übergegangen, mich näher mit Navision zu
beschäftigen.
Die Nutzung der durch das Programm automatisch erzeugten Listen war an sich
schon äußerst umständlich, da hierzu in mehreren Fenstern die üblichen Abfragen
und Angaben vorgenommen werden mußten. An die zügige Beantwortung einer einfachen
telefonischen Auftragnehmerfrage in der Art von "Wann bekomme ich mein Geld ?" war
nicht mehr zu denken. Schlimmer war jedoch die Tatsache, daß die Listen, die
man mit etwas Geduld schließlich angezeigt bekam
- erstens das Abfrageergebnis aus allen bis dahin angefallenen Buchungen des
Gesamtbetriebs
anzeigte(nach einem Monat waren das etwa 10.000),
die Rechnungsausgangsnummern
teilweise unvollständig, die Ausgangsbeträge teilweise geändert, also nicht mehr
auffindbar waren, das Ergebnis einer Abfrage nach Müller, Meier usw. entsprechend
umfangreich war, die Abfrage der vollständigen Firmenbezeichnung meist gar
kein Ergebnis brachte.
- zweitens also meistens weitere oder ganz neue Abfragen nötig wurden, da
in den umfangreichen Listen der gesuchte Beleg nicht immer auffindbar war.
- drittens die Listen sich zum schnelleren Suchen nicht oder nur teilweise
sortieren ließen.
- viertens teilweise die Anfragen vom System scheinbar unvollständig bearbeitet wurden,
also nicht alle erwarteten Ergebnisse brachten.
Nach vier enttäuschenden Telefonaten mit verschiedenen Auftragnehmern, jeweils
minutenlanger Sucherei und nur einem gefundenen Beleg, bin ich dazu übergegangen,
telefonischen Anfragen zunächst mit "Ich rufe Sie dazu zurück" zu beantworten.
Da ich die ERP-Software als mögliche Hilfe für jegliche Nachverfolgungsarbeit
erstmal abgehakt hatte, habe ich nun also die vollständige Buchungsliste nach MS-Excel
übertragen und die Telefonate fortan anhand dieser Liste beantwortet, sofern die
endgültige Zahlungsverbuchung denn schon erfolgt war. Ansonsten mußte ich auch
weiterhin erstmal aufwendig klären und dann zurückrufen, was aber nicht der
ERP-Software anzulasten war. Die Excel-Liste offenbarte jedoch, was innerhalb
der ERP-Software schiefgelaufen war und zu den unvollständigen Abfrageergebnissen
bzw. der mangelhaften Sortierung führte: Die Datenformate waren - mit Ausnahme
der Euro-Beträge offenbar nicht wirklich festgelegt, besonders sichtbar wurde dies
anhand der Rechnungseingangsnummern, deren Format nach wochenlangen Diskussionen
(und diesmal sogar Ratsuche bei den Sachbearbeitern) seitens der kaufmännischen
Leitung auf 00-000000 (Abteilungsschlüssel, Bindestrich, fortlaufende 6-stellige Nummer)
festgelegt worden war - und dies nachdem mit dem Zwischenergebnis 00-fortlaufende Nummer
ohne festgelegte Stellenanzahl bereits gebucht wurde. In Excel war als Ergebnis ein
Durcheinander aus korrekten Eingangsnummern, wie z.B. 11-009861 und Unsinnseinträgen,
wie z.B. 25.07.1837 09:12 (!) sichtbar, während im ERP-System am Monitor
alles perfekt aussah
(keine Fehlermeldung, kein Datenwirrwarr oder dergleichen), sich eben nur nicht mehr
richtig sortieren
ließ, da programmintern offenbar das nun sichtbar gewordene Chaos herrschte.
Überflüssig zu erwähnen, daß Auswertungen etwa im Rahmen abteilungsbezogenen
Controllings auf solch einer Datenbasis nicht wirklich möglich sind, zumindest
nicht automatisch. Blieb also
die Hoffnung, daß die mit unendlich vielen Vorschußlorbeeren ("große Arbeitserleichterung",
"überfällige Modernisierung", "alles automatisch", "Informationen überall und jederzeit
verfügbar", "alles viel einfacher, viel weniger Aufwand als bei anderen ERP-Programmen",
"alles genau auf die Bedürfnisse am Bau zugeschnitten" usw.)
überhäufte Programm wenigstens in der Lage war, Zahlungsbeträge richtig zu speichern
oder zumindest Warnmeldungen bei Inkonsistenzen auszugeben.
1.7 Hardwaredefizite
Die Qualität der Hardware:
Abgesehen von den Unzulänglichkeiten der Software bleibt die Frage nach der
Hardware. Das Netzwerk war in der Form errichtet worden, daß sowohl Rechenleistung
als auch Programme zentral bereitgestellt wurden und von den Arbeitsplatzrechnern
abgerufen
werden konnten.
Die dem einzelnen Rechner zugeteilte Leistung entsprach
dabei etwa einem 350MHz Pentium II-PC mit Betriebssystem Windows 98, also sozusagen
dem zuvor im Betrieb verwendeten
Standardgerät, das im Durchschnitt 5 Jahre alt, damit aber aufgrund der insgesamt mehr
als rückständigen Firmen-EDV ausreichend war. Von Mitarbeitern der Firma
"Datennetzwerk", die zur Errichtung des Firmennetzwerks öfters in jedem Büro
erschienen waren, hatte man vorher natürlich - auf Nachfrage - ganz andere
Aussagen gehört.
Ein Teil des nicht vorhandenen Leistungszuwachses war fraglos
auf das neue Betriebssystem zurückzuführen, das wohl zu hohe Ansprüche stellte.
Die alten Excel-Anwendungen, auf die für den größten Teil der Arbeit zurückgegriffen
werden mußte und die durch die ERP-Software wohl nicht überflüssig zu machen
waren, liefen also glücklicherweise noch aber weder langsamer noch schneller.
Komplexe Berechnungen, die den alten
PC zuvor zwar für eine Minute ausgebremst aber nicht überlastet haben, führten nun
jedoch mehrmals zu Systemabstürzen, von denen das gesamte Netzwerk betroffen war, so
daß desöfteren für eine halbe Stunde gar nicht mehr gearbeitet werden konnte.
Teilweise kam es auch zu Verlust ungespeicherter Daten, die durch eine vernünftige
Backup-Funktion des Netzwerks eigentlich hätten vermieden werden können, Datenerhalt
bei Abstürzen war mehr oder weniger vom Zufall abhängig.
Die größten Probleme machte jedoch ausgerechnet das einzige offizielle,
vorher performancemäßig eher unproblematische,
auf MS-Access-Basis erstellte Firmenprogramm, das teilweise gar nicht mehr zum
Laufen zu bringen war bzw. das gesamte Netzwerk verlangsamte, selbst wenn
es nur auf einem einzigen Rechner benutzt wurde.
Der Aufbau von Datei-Ordnerstrukturen wurde sinnvollerweise den Sachbearbeitern
überlassen. Dies führte jedoch dazu, daß jeder seine eigene Struktur weiterführte.
Der z.B. im Rahmen von Urlaubsvertretungen gerechtfertigte Aufwand, der Vertretung
diese Strukturen oder auch nur den Ort einer bestimmten Datei zu langwierig zu
erklären, war im
Tagesgeschäft fehl am Platze. Darum wurden die Dateien vorzugsweise per
E-Mail an die zwei Meter entfernt sitzenden Tischnachbarn versandt(!).
Währenddessen waren die Zeitarbeitskräfte noch gar nicht wirklich an das
Netzwerk angeschlossen, die Weitergabe einer Abrechnungsdatei scheiterte
tagelang daran, daß weder direkter Zugriff, noch E-Mail-Versand, ja noch nicht einmal
eine Weitergabe per Diskette möglich war, da den Zeitarbeitskräften nur kleine
Satellitenstationen zugeteilt worden waren, die noch nicht einmal einen
Disketten- oder sonstigen Datenträgereinschub besaßen, die langfristig jedoch
sämtliche PCs ersetzen sollten.
Das Fehlen von Datenaustauschmöglichkeiten über
Disketten, CD´s oder sonstige austauschbare Datenträger wurde mit dem auf diese
Weise verbesserten Virenschutz begründet. Neue Daten sollten nur noch unter Aufsicht
und an speziellen Stationen eingebracht werden können, ansonsten war
über kurz oder lang universelle Austauschmöglichkeit allein über das Netzwerk
geplant. Arbeit mit nach Hause zu nehmen, um bei privaten Terminen rechtzeitig
Feierabend machen zu können, wäre zumindest bei Computerdaten langfristig unmöglich
geworden - und das obwohl künftig alles über die EDV laufen sollte - auch der
Schriftverkehr.
Zum Zwecke des optimalen Netzwerk-Virenschutzes wurde im übrigen eines der besten
derzeit verfügbaren Programme, nämliche Norton Antivirus eingesetzt, das jedoch
derart ausgeklügelte - oder sagen wir übertriebene - Abwehrmechanismen besitzt, daß
im Zweifel auch völlig harmlose Dateien zu einem Systemstopp führten. Am Einzel-PC
sind die diese "intelligenten Abwehrmechanismen" durchaus ein Sicherheitsfaktor,
der nur selten Ärger macht, bei den in einem Netzwerk vorhandenen Datenmengen kommt
es aber zu häufig zu einer Bekämpfung harmloser Dateien und den damit verbundenen
Netzausfällen.
Als Gipfel der Ignoranz und als gutes Beispiel für die allgemeine
Fehlplanung zeigte sich ein Gespräch, das ich mit dem Leiter der EDV-Abteilung
geführt habe, dessen Büro drei Meter entfernt lag. Nach einem erneuten
Systemausfall nach Einsatz einer harmosen Excel-Datei, die zuvor auf
meinem 5 Jahren alten PC überhaupt keine Probleme bereitet hatte, hieß
es, daß mir schin das Maximum an Rechenleistung zugeteit worden wäre,
das für Mitarbeiter unterhalb der Vorstandsebene vorgesehen war. Meine Antwort
war die, daß ein Vorstand normalerweise nicht viel mit PC-Arbeit zu tun haben
bzw. die Rechenleistung eines PC´s vom Anfang der 80er Jahre
allemal ausreichen sollte. Tatsächlich ließ wohl das gesamte System kein Spiel
mehr zu.
1.8 Mängelbeseitigung
Endgültiges Scheitern vorprogrammiert
Währenddessen konnte man der EDV-Abteilung weder mangelndes Fachwissen oder
mangelnden Einsatz noch mangelnde Hilfsbereitschaft vorwerfen - ganz im Gegenteil.
Man hatte sich mit nur 5 Fachkräften an dieser Aufgabe einfach hoffnungslos
übernommen und die an andere Unternehmen vergebenen Arbeiten hatten diese Firmen
offensichtlich allenfalls zu ihrer eigenen Zufriedenheit ausgeführt.
Nun - die Schilderung bewegt sich - wie schon oft gesagt - in der Bauindustrie
und alles klingt vielleicht harmlos im Vergleich zu einer überschwemmten Baugrube oder
einem eingestürzten Dachgiebel oder auch "nur" einer vergessenen Trittschalldämmung,
aber: Ein einziger ruinierter Bau betrifft nicht die ganze Firma, im Zweifel
hat lediglich der Bauleiter den Ärger. Von einem ruinierten oder schlampig programmierten
ERP-System hingegen sind alle betroffen, pragmatische Lösungen im Sinne eines
"Geradebiegens" nicht möglich und echte Nachbesserungen entsprechend teuer und dies
alles unabhängig von der Branche. Versicherungsmöglichkeiten oder
Gewährleistungsansprüche: meist Fehlanzeige und dies auch bei besserer
Vertragsgestaltung.
Nicht zu vergessen: Diese Schilderung betrifft lediglich den Versuch, eine
einzige Abteilung mittels ERP-Software arbeiten zu lassen, noch dazu quasi ein
Vorzeigeobjekt für alle weiteren Schritte, noch dazu eine Abteilung, in der
zumindest ein paar Stammdaten schon vorhanden waren, noch dazu eine
rein kaufmännische Sachbearbeitungsabteilung, besetzt mit unterbezahlten Mitarbeitern,
die im wesentlichen mit leicht verständlichen
Daten, wie Adressen und Produktpreisen umgehen, keine geometrischen oder statistischen
Berechnungen, keine (Bau-)Physik oder dergleichen, kein Operations Research.
Kurz gesagt also nichts, was nicht mit wenigen
Worten verständlich zu machen wäre bzw. (wissenschaftlich ausgedrückt:)
eindeutig definiert werden könnte. Nichts also, was (mathematisch ausgedrückt)
über eine Anwendung der 4 Grundrechenarten hinausginge, von zu vernachlässigenden
Einzelfällen abgesehen, die eine professionelle Rechnungsprüfung manchmal
erforderte. Nichts also, was sich
(informationstechnisch ausgedrückt) nicht in Datenformaten ausdrücken ließe. Nichts,
was irgendwie den Charakter von echtem Neuland hätte. Kein Problem, das nicht schon
oft genug beschrieben und in jeder Bücherei erhältlich wäre.
Trotzdem gingen
kaufmännisches- und
EDV-Leitungspersonal zwar nicht intensiv aber doch zunehmend dazu über, die
Sachbearbeiter, die man vorher vielleicht innerhalb kürzester Zeit ohne jede Nachfrage
wegrationalisieren wollte, zu winzigsten Einzelproblemen um Rat zu fragen. Die
ehemaligen Vorgesetzten wurden gar nicht mehr gefragt. Die ERP-Software
und das Netzwerk hatten einfach ausgedrückt dazu geführt, daß die vorher
anstandslos von Sachbearbeitern ausgeführten Tätigkeiten nun in penibelster Weise
analysiert und quasi neu erfunden werden mußten.
Warnungen meinerseits (aufgrund eigener, tagesgeschäftbezogener Programmiererfahrung),
und vieler anderer Mitarbeiter (aufgrund von Erfahrungen bei anderen Firmen), daß dies
schon vor dem Beginn der praktischen Arbeit erfolgen müsse und, daß das Unternehmen
dies aufgrund insgesamt fehlender praktischer EDV-Erfahrung kaum schaffen würde,
Warnungen, den (Personal-)Aufwand nicht zu unterschätzen, Warnungen, daß die
Anspruchslosigkeit und sogenannte sofortige Einsetzbarkeit
einer Software (Navision) für eine ERP-Anwendung nicht gerade ein Qualitätsmerkmal sei,
daß mangelnde Vorarbeiten bzw. Grunddatenerfassungen sich nachträglich durch extremen
und sofortigen Mehraufwand
rächten, sobald mit der Software praktisch gearbeitet würde, die Warnung zunächst
den strukturellen
Ist-Zustand anzupassen, Ratschläge, den tatsächlichen Nutzen der Software unabhängig
von irgendwelchen Werbesprüchen der Softwareindustrie zumindest in stichprobenhaften
Testläufen zu prüfen, Hinweise, daß es im Unternehmen genügend andere
Rationalisierungspotentiale gäbe, die durch eine ERP-Software vielleicht sogar verhindert
würden, alle diese in bester Absicht gegebenen Warnungen, Ratschläge und Hinweise
wurden zuvor in den Wind geschlagen. Zu viele persönliche Karrierehoffnungen
und Rationalisierungswunschträume - nicht nur seitens der EDV-Abteilung - standen
der gebotenen Vorabprüfung scheinbar im Wege.
Währenddessen hielt sich der mit der Empfehlung einer angeblich erfolgreichen
SAP Einführung bei einem weitaus größeren Konkurrenzunternehmen angetretene
und seit fast einem Jahr beschäftigte neue Finanzvorstand zurück, zeigte zwar einen
einen rudimentären Sachverstand, glänzte
aber letztlich allein durch die Vergabe von Planungsaufträgen an andere,
obwohl - das muß man Navision zugute halten - eine perfekte Einrichtung
und ein vernünftiges Arbeiten tatsächlich mit weitaus weniger Schwierigkeiten
verbunden ist, als bei SAP, natürlich mit Abstrichen in Funktionsumfang
und Rationalisierungspotential. Auch nicht zu vergessen: Mit Navision kann
man tatsächlich ohne aufwendige Installation sofort arbeiten, der Arbeitsaufwand
steigt bei dieser Vorgehensweise nur in kaum vorhersehbarer Weise.
Der Wille, das Programm in sinnvoller Weise einzurichten, war aber nicht erkennbar,
stattdessen wurde quasi mit einer Rohsoftware gearbeitet, jeder Taschenrechner
konnte mehr, selbst mit Rechenschieber und Kontenblättern hätte man schneller arbeiten
können. Die Tatsache, daß überhaupt noch gearbeitet wurde hing eher damit
zusammen, daß die Sachbearbeiter noch einen Tischrechner und diverse
Excel-Programme besaßen.
Kein Zweifel, egal
was in der Konkurrenzfirma tatsächlich abgelaufen war - Erfolg oder nicht:
Wirklich geleitet oder selbst geplant oder mitbekommen hatte dieser Mann aller
Wahrscheinlichkeit nicht viel davon - oder aber er hatte sich entschlossen, nichts weiter als
ein(trotz angeblich größter Verdienste bei der Konkurrenz nunmehr) besserbezahltes und
willfähriges Instrument des Vorstandsvorsitzenden zu sein
und die Zeit bis zur Rente mehr oder weniger abzusitzen.
Der Vorstandsvorsitzende selbst hatte zu diesem Thema nichts weiter zu bieten,
als die
Erfahrung, bei einem Großkonzern der Branche zuvor eine völlig mißlungene
SAP-Einführung in einem nicht direkt beteiligten Aufgabenbereich, d.h. nur
am Rande mitbekommen zu haben,
hatte hieraus in lobenswerter Offenheit auch keinen Hehl gemacht,
steuerte aus diesem Grunde aber auch nicht mehr bei,
als die Anweisung, auf keinen Fall SAP zu nehmen.
Das mittlere Management verfügte im besten Fall auch nur über Erfahrungen am Rande,
auch nur negative, versuchte zwar, sich irgendwie zu profilieren, hätte aber
(die wenigen Rationalisierungsgewinnler in spe ausgenommen)am
liebsten die alte Verhinderungstaktik gegen jede Modernisierung weitergeführt, eine
Taktik die die meisten Posten des mittleren Managements erst möglich gemacht hatte,
die nun gefährdet waren. Motivation? - Fehlanzeige.
Die Sachbearbeiter hingegen verfügten selbst über mehr oder weniger große
Programmiererfahrung, hatten aufgrund stärkster Arbeitsbelastung die EDV immer
als Mittel der Arbeitserleichterung und Qualitätsverbesserung eingesetzt,
wußten, welcher Vorabaufwand nötig ist, wußten auch genau,
was alles schieflaufen kann,
welche Widerstände zu überwinden waren,
welche Defizite bei den Vorleistungen herrschten,
kannten jeden "Handgriff"
konnten genau einschätzen ,
welcher Vorabaufwand sich im Nachhinein auszahlt, hatten sich längst
mehr oder weniger ihr eigenes ERP-Programm geschaffen - und wurden nicht gefragt.
Motivation? - wurde nicht abgerufen.
Auch zu erwähnen: In der Finanzbuchhaltung wurde absolut korrekt gearbeitet,
die Möglichkeit
des "Pfuschens" ohne die man heute (nicht nur in der Bauindustrie) kaum noch
einen Auftrag bekommt, war nicht gefragt.
Die Frage war also insgesamt: Welches Chaos war erst zu befürchten, wenn die technischen
Abteilungen gezwungen wären, mit dem ERP-System zu arbeiten.
Aus der Kalkulationsbteilung fällt mir nur folgendes Zitat ein: "Wir wären
aufgeschmissen, wenn wir gezwungen wären, nur mit den offiziellen Programmen
zu arbeiten" und hiermit waren Spezialprogramme gemeint, keine sogenannte ERP-Software.
1.9 Perspektiven
Bleibt nicht viel zu spekulieren, wie das alles endet: Netzwerk und ERP-Software
werden zwar weiterhin genutzt, aber nur im beherrschbaren Rahmen, d.h. so gut
wie gar nicht. Es wird weitergearbeitet wie bisher, die eigentliche Umstrukturierung
findet auf andere Weise statt. Äußerungen des Vorstandsvorsitzenden, wie:
"Rechnungsprüfung können auch die Bauleiter machen." ließen nichts gutes ahnen.
Warum:? Erstens ist es
Unsinn, wenn gutbezahlte Diplomingenieure ausbildungsfremde - meist weitaus
schlechter bezahlte Facharbeit leisten sollen. Zweitens können diese Ihre wirklichen
Fähigkeiten
an anderer Stelle besser und ergebnisrelevanter einsetzen, haben also schlicht besseres
zu tun. Drittens haben die Techniker nicht nur am Bau schlicht genug zu tun, um neue Aufgaben
nötig zu haben.
Bleibt zu erwähnen, daß die Firma sich in einer Gewinnsituation befand und dies
bei gut gefüllten Auftragsbüchern und Auslastung auf Sicht von mehr als 12
Monaten. Der Firma ging es nicht schlecht, sondern höchstens zu gut.
Trotzdem - und wie jeder weiß -: Was ein Vorstandsvorsitzender
sich in den Kopf gesetzt hat, wird umgesetzt - bis zum Konkurs - oder
bis zum völligen Preisverfall der Aktie.
Beispiele hierfür gibt es genug.
1.10 Tatsächliche Entwicklung
Den Namen des Unternehmens werde ich hier nicht preisgeben, wer will
wird schon dahinterkommen und die weitere Entwicklung beobachten können.
Die obige Schilderung bewegt sich im Zeitraum 1996 bis März 2003.
Die Internetseite des Unternehmens wurde insgesamt zwei Jahre lang nur notdürftig
aktualisiert, so daß z.B. die "News" bis vor kurzem noch mit Meldungen aus Oktober 2002
begannen und endeten.
Mittlerweile (Januar 2005) ist die Internetseite aufgefrischt und weist
u.a. den Unternehmensprospekt des Jahres 2003 sowie einen "Image-Film"
im Bereich Publikationen aus.
Der Unternehmensprospekt weist für den 31.12.2003, also ein Jahr
nach dem Beginn der praktischen Arbeit mit der ERP-Software folgende
Kennzahlen aus (Prozentangaben autorenseitig, Vergleichsbasis 2002 bzw. der 31.12.2002):
Auftragseingang: -38% (Inland -40%)
Auftragsbestand: -31% (Inland -33%)
Belegschaft: +1,5% (!) im Inland (1385 Mitarbeiter).
Die Belegschaftentwicklung
in Saudi Arabien wird verschwiegen, dort dürften die Personalkosten inzwischen den
Umsatz übersteigen.
Die Zahlen zur Auftragsentwicklung bewegen sich im Bereich um ca. 300 Mio Euro, wobei die
Auslandsbauleistung etwa 10 % der Gesamtbauleistung ausmacht.
Das gesamte Zahlenmaterial ist sehr lückenhaft, so daß ich an dieser Stelle darauf
verzichte, alles im einzelnen zu nennen.
Die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage wird in diesem
Prospekt im Vergleich dazu fast schon
in epischer Breite diskutiert.
Der enorme Rückgang bei Auftragseingang und Auftragsbestand muß nicht verwundern,
da er sich noch im Rahmen normaler Schwankungen bewegt.
Die Zunahme der Belegschaft hingegen wiederspricht jedoch sowohl
allen offensichtlichen
Planungen als auch der Auftragsentwicklung.
Nach allem was man aus dem Unternehmen hört, hat jedoch kein Umdenken
stattgefunden, was den Abbau unsinniger Strukturen angeht. Im kaufmännischen
Bereich erledigt eine Minderheit
an Mitarbeitern nahezu alle Arbeit und trägt dabei de facto die
alleinige Verantwortung für den Unternehmenserfolg.
Währenddessen ruht sich
(mittlerweile) eine Mehrheit nicht auf eigenen Leistungen, sondern auf
diesen unangetasteten Strukturen aus und genießt dabei bereits auf
einflußlosen Positionen des unteren Pseudo-Managements eine Freistellung
von Aufgaben des Tagesgeschäfts, wie sie allenfalls für Entscheidungsträger
auf höchster Ebene angebracht ist.
Ein Unternehmen, das über Jahre hinweg nichts weiter tut, als die Fluktuation
auszunutzen, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann überzahlte Nichtsnutze auf
überflüssigen Posten
die Mehrheit der Belegschaft bilden und der Rest nach und nach so überlastet wird, daß
irgendwann gar nichts mehr läuft (soviel zum Thema "sozialverträglicher
Stellenabbau").
Der Unternehmensprospekt für 2004, der normalerweise im März 2005
zum Download bereitstehen sollte, wird noch mehr Aufschluß geben
2. Eigene Beobachtungen bei Geschäftspartnern
2.1 Ein Werkzeuglieferant
Die erste kürzere Schilderung betrifft einen Werkzeuglieferanten, der sich
über mehrere Jahre durch exzellente, äußerst kundenfreundliche Bestellabwicklung,
faire Preise - auch bei nicht verhandelten Positionen -
und 100% korrekte, d.h.
absolut fehlerfreie Abrechnung bei Tausenden von Einzelrechnungen
empfohlen hatte und somit zum Stammlieferanten geworden war.
Die Prüfung der Rechnungen hatte über Jahre hinweg keinen anderen Sinn
mehr gehabt, als anhand dieser die richtige Kontierung zu ermitteln.
Kürzungen, die man bestenfalls alle paar Monate vornahm stellten sich
immer als Prüfungsfehler heraus und führten lediglich zu Nachzahlungen.
Aufgrund der Tatsache, daß die relevanten Produkte einschließlich
der Preise von den Sachbearbeitern datenbankmäßig aufbereitet
worden waren, wurde die preisliche Prüfung quasi automatisiert durchgeführt, nicht
zuletzt, um sicherzustellen, daß sich an der korrekten Abrechnungsweise seitens
des Auftragnehmers nichts ändern würde. Wirtschaftliche
Schwierigkeiten, Umstrukturierungen oder auch nur die mangelnde Qualifikation
einzelner Bearbeiter führten bei anderen Firmen immer wieder zu
Schwankungen der Abrechnungsqualität, abrechnungstechnischen Tricksereien und mehr
oder weniger offensichtlichen
Betrugsversuchen, in Form von oft in Höhe eines Jahresgehalts der Sachbearbeiter
oder noch weiter überhöhten Rechnungen, machten also
generelle Wachsamkeit sowie vollständige Prüfung bei jedem Einzelbeleg nötig und
lohnend - auch bei den betragsmäßig meist etwas niedriger angesiedelten
Lieferrechnungen, von denen insgesamt gesehen an jedem Tag immer noch
das Mehrfache eines Sachbearbeiterjahresgehalts abgearbeitet wurde.
Nicht zu vergessen: Während von unzuverlässigen Auftragnehmern in der Regel ohnehin
schon alles versucht wurde, um insbesondere aus schlecht kalkulierten Aufträgen
schadlos herauszukommen, manchmal sogar durch betrügerische Konkurse, wäre
eine Überzahlung wohl der willkommenste Startschuß hierzu gewesen und eine
Rückforderung eher zweifelhaft.
Bei dem hier erwähnten Auftragnehmer war dies alles kein Thema.
Die korrekte Abrechnung war offensichtlich Firmenphilosophie und nicht nur
durch eine zuverlässige Software sondern wohl auch durch gewissenhafte Mitarbeiter
und wohlüberlegte Verwaltungsabläufe gesichert.
Jedoch ergab sich überraschend eine einschneidende Veränderung. Die automatische
Preisprüfung ergab nämlich von einem Tag auf den anderen , daß im Schnitt etwa ein
Fünftel der Preise überhöht
war sowie die Endsummen unerklärliche Rundungsdifferenzen enthielten und führte
zu entsprechenden - diesmal berechtigten Kürzungen in letztlich eher
geringem, sich aber aufwandsmäßig (Versendung der Kürzungsmitteilung, Kopierarbeit
etc.) immer noch so gerade lohnendem Maße.
Offensichtlich war beim Auftragnehmer irgendetwas schiefgelaufen bzw.
ein Fehler unentdeckt geblieben, der sicher in Kürze ausgeräumt werden würde, so
dachte ich.
Die Tatsache, daß trotz mehrerer versandter Kürzungsmitteilungen und
trotz des damit beim Auftragnehmer verbundenen Stornoaufwands keine Besserung
eintrat, machte dann aber deutlich, daß das Problem wohl schwerwiegender war.
Auch war für die anderen Rechnungsprüfer und mich das ganze nicht gerade angenehm,
da der Zusatzaufwand mehr als ungelegen kam.
Aufklärung brachte schließlich ein Telefonat, das ich etwa eine Woche nach
dem Beginn der Unregelmäßigkeiten mit dem zuständigen Abteilungsleiter der
Firma geführt habe.
Man hatte eine neue Software eingeführt, in diesem Fall lediglich ein neues
Warenwirtschaftssystem, der Übertrag der Grunddaten habe - im Gegensatz
zu den Versprechungen des Softwareanbieters nicht richtig funktioniert, man habe jedoch
bereits die Lehrlinge eingespannt, um die Daten zu erfassen, die auf diesem
Wege auch das Sortiment kennenlernen würden. Meine Zwischenbemerkung, daß
das aufgrund des Vertrages und insbesondere für Lehrlinge aber schwierig würde
(Der Liefervertrag basierte - obwohl jährlich erneuert und umgestellt - auf
dem überkommenen Materialstamm unseres Einkaufs und hatte mit der Datenbank
des Lieferanten nur mittelbar zu tun, war schon immer Grund für sinnlose
Preis-Sucherei, Nachfragen beim Einkauf und die letztlich auf Sachbearbeiterebene
gefundene Datenbanklösung, sinngemäß galt das zweifellos auch für den Auftragnehmer)
wurde bejaht, man arbeite aber einer vernünftigen Lösung und wolle unseren
Einkauf dazu drängen, eine sinnvolle Vertragsergänzung zu akzeptieren.
Leider würde alles aber wohl etwa ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Ich bedankte
mich für das aufschlußreiche Gespräch.
Im einzelnen war nach meinem Dafürhalten beim Lieferanten folgendes
schiefgelaufen: Das neue Warenwirtschaftsprogramm hatte erstens die Einzelvertragsdaten
ignoriert, den Auftraggebern also jeweils die Grundpreisliste zugeordnet
und zweitens vermutlich im Zusammenhang mit der Euro-Umstellung die Preise
auf vier Stellen hinter dem Komma gespeichert.
Beides aus Sicht von Kaufleuten absolute Anfängerfehler, die bei Softwarefirmen
aber wohl unausrottbar sind.
Die Tatsache, daß lediglich 1/5 der Preise fehlerhaft waren, die Kürzungen sich
auch bei Rechnungen über mehrere Tausend Euro im Bereich von nur etwa 10 Euro
hielten, und der bestehende Vertrag im Gegensatz zu der Datenbank der Rechnungsprüfer
bei der Abwicklung keine Hilfestellung bot, waren übrigens Beweis für die offenbar
nahezu völlig irrelevante - um nicht zu sagen behindernde - Arbeit des Einkaufs.
Angesichts dieses schlechten Beispiels war mir im Zusammenhang mit den seinerzeit
beginnenden ERP-Gerüchten in unserem Betrieb zusätzlich klar, daß es zumindest im
kaufmännischen Bereich an ganz anderem, als einer ERP-Software fehlte.
Über die Lieferfirma dachte ich nur, daß sie sich mit falschen Abrechnungen
im nächsten halben Jahr wohl kaum neue Freunde (d.h. Auftraggeber) machen würde.
2.2 Ein Baustofflieferant
Ein anderes Beispiel betrifft einen Baustofflieferanten. Bei dieser
Firma wurde grundsätzlich in ständig wechselnder Qualität abgerechnet.
Das dort eingesetzte Warenwirtschaftssystem war offensichtlich grundsätzlich nicht
geeignet ein sachbearbeiterübergreifendes Qualitätsniveau ohne größeren Aufwand
sicherzustellen,
was immer wieder zu berechtigten Kürzungen führte.
Weitaus häufiger waren allerdings die Fälle, in denen die Rechnungen eigentlich
hätten erhöht werden müssen. Hintergrund: Im Gegensatz zu der vertraglich
festgelegten Abrechnung von Bauholz nach Kubikmetern (wie allgemein üblich), konnte
das System
nur Längenmeter verarbeiten. Die insgesamt sehr korrekt arbeitende
und ansonsten allem Anschein nach gut organisierte Firma sah sich demzufolge
gezwungen, für die
in den einzelnen Vertragspositionen zusammengefaßten Einzelprodukte
eine Mischkalkulation anzuwenden, die in 2 von 3 Fällen zu ihren Ungunsten
ausfiel. Dies bedeutete für die Firma wegen großer Mengen einen Forderungsverlust
von mindestens 10.000 Euro pro Jahr bzw. im Schnitt ca. 100 Euro je Rechnung.
Eine pragmatische Lösung, also z.B. die betreffenden Rechnungen extern zu erstellen
(notfalls
mit der Schreibmaschine) und nachträglich einzubuchen, war mit dem
eingesetzten Warenwirtschaftssystem offensichtlich nicht machbar, obwohl der
Aufwand sich fraglos gelohnt hätte. Unserer Firma, in der nahezu alle
Ausgangsrechnungen zuvor quasi in Handarbeit erstellt worden waren, drohte
nach ERP-Einführung zumindest Flexibilitätsverlust
2.3 Ein Spezialwerkzeug-Weltkonzern
Drittes Beispiel, wieder ein Lieferant, aber diesmal ein Weltkonzern
für Spezialwerkzeuge - weitestgehend auch ein Handelsunternehmen.
Seitens des Unternehmens war der Vorschlag eingereicht worden, statt der
üblichen Einzelabrechnung jeder Lieferung auf Sammelabrechnung umzustellen.
Auch hier kann man vermuten, daß dies durch eine neue Software ermöglicht
werden sollte. In jedem Fall mußte ein Weltkonzern jedoch in der Lage
sein, dieses Vorhaben auch mit einem älteren EDV-System umzusetzen.
Unser diversifiziertes Unternehmen hingegen war auf abteilungsübergreifende
Sammelabrechnung überhaupt nicht eingestellt. Dem Einkauf war dies scheinbar
nicht bewußt oder egal - Sammelabrechnung ist ja an sich auch nichts
unvernünftiges und die um eine Woche verlängerte Zahlungsfrist brachte
schließlich ein paar Euro Zinsgewinn. Den Rechnungsprüfern - diese
erhielten ohne vorherige Rückfragen den unterschriebenen Vertrag -
brachte dies kaum beschreibliche Mehrarbeit. Von Seiten des Einkaufs
und des Vorstands hatte man den Vertrag unterschrieben, die Organisation
aber den nicht über irgendwelche Weisungsbefugnisse - noch über den
Notwendigkeit, sich überflüssige Arbeit aufzuhalsen verfügenden Sachbearbeitern
überlassen. Allein die Intervention der Rechnungsprüfer führte schließlich
dazu, daß der Auftragnehmer bereit war, Zugeständnisse zu machen, die
Abrechnung also zumindest standortbezogen zu splitten, so daß das ganze
überhaupt bewältigt werden konnte. Nach zwei Monaten wurde das Experiment
seitens des Auftragnehmers glücklicherweise eingestellt. Man hatte sich
scheinbar auch dort organisatorisch übernommen bzw. die Software war nicht
ausreichend. Dies wurde im Nachtragsschreiben sogar halbwegs offen zugegeben.
Wenn selbst Weltkonzerne sozusagen an Sekretariatsaufgaben scheitern und
die Software keine Unterstützung bietet, was sollte dann unsere Baufirma
mit einem ERP-Netzwerk ?
2.4 Ein Fassadenbau-Unternehmen
Weiter zu den Subunternehmern: Zunächst ein "lustiges" Beispiel: Von
einem mittelständischen Unternehmen, das seit Jahren nicht mehr für uns tätig war,
erhielten wir plötzlich Gutschriften über die volle Höhe der einst
ausgeführten Aufträge. Irgendein sachlich vernünftiger Grund war nicht
vorstellbar, die Bauleiter haben die Gutschriften jedoch
sofort unterschrieben. Selten waren Belege so schnell sachlich geprüft!
Anstatt der Versuchung nachzugeben, diese einfach einzubuchen, was
letztlich nur Arbeit gemacht hätte, habe ich jedoch bei dem Unternehmen
angerufen und nachgefragt, was die Gutschriften denn zu bedeuten hätten.
Die zuständige Sachbearbeiterin entschuldigte sich sofort und bat mich,
die Gutschriften zu vernichten. Auf meine Nachfrage, was denn wirklich passiert
sei, kam die wenig überraschende Antwort: Wir haben eine neue Software
im Einsatz. Auf genauere Nachfrage hieß es: "Nein, nicht SAP, aber sowas ähnliches".
Der Name des Programms fiel ihr nicht ein.
Super Weiterbildung, dachte ich nur: Die Leute wissen
noch nicht einmal womit sie da jetzt arbeiten. Auf meine Nachfrage, ob denn niemand
sich die Gutschriften vor der Versendung angesehen hätte oder irgendeine
Unterschrift oder so etwas nötig wäre, hieß es nur, die Gutschriften
seien automatisch ausgedruckt und versandt worden. Ich wollte zuerst noch mal
nachfraqen, mit welcher Software und welchen Bürogeräten diese "Vollautomatik"
denn möglich geworden
sei, nach kurzem Überlegen bedankte ich mich stattdessen für das Gespräch.
Eines stand für mich jedoch fest: Unsere Auftraggeber, bis auf wenige
Ausnahmen, die "leicht zu bescheißen" waren, allesamt "Lumpen" und "Verbrecher"
(so die Einschätzungen der Vorgesetzten) hätten die Gutschriften wohl eingebucht
und - nach Möglichkeit - verrechnet. Punkt.
2.5 Ein M-Dax Baukonzern
Nun zu einem Unternehmen, das SAP in wohl "perfekter" Weise eingeführt
hatte. Es handelt sich um ein M-Dax-Unternehmen der Bauindustrie. Eine
Spezialtiefbau-Tochter des Unternehmens war als Subunternehmer bei zwei
Bauvorhaben für
und tätig geworden. Eines Tages erhielt ich einen Anruf von der
für die Zahlungsverbuchung zuständigen Sachbearbeiterin mit
schwerem, scheinbar russischem Akzent, jedoch einigermaßen guten
Deutschkenntnissen. Wirklich verstanden, was sie wollte, habe ich jedoch
erst nach etwa 5 Minuten und mehreren Nachfragen. Scheinbar herrschte
beim Auftragnehmer Verwirrung über die letzten beiden Zahlungen. Ich verwies
auf die Prüfungsschreiben, die ich ihr noch mal zufaxte, da das Original
dort wohl falsch verteilt worden war. Damit war die Sache aber noch nicht
geklärt, nach zwei weiteren Telefonaten stand dann aber fest, daß zwei völlig
korrekt beglichene Rechnungen beim Auftragnehmer falsch verbucht worden waren.
Die Sachbearbeiterin hatte mir einen Buchungsauszug zugefaxt, durch
den sie selbst wohl nicht durchblickte. Nach meinem Rückruf und dem Rat, die
ursprünglichen Buchungen zu stornieren und die Zahlungen neu einzubuchen, kam
nur die Antwort: "Koennen doch njet maachen - mit SAP". Ich beendete das Gespräch
und wollte zurückrufen. Zuerst wollte ich den Vorgesetzten der Gesprächspartnerin
anrufen, dachte aber, daß das Gespräch wohl noch erfolgloser werden würde,
wenn schon die Sachbearbeiter im Tagesgeschäft nicht vernünftig weiter wissen.
Als Lösung wurden dann - in Absprache mit unserer Buchhaltungschefin - die
nächsten Zahlungen um den Hinweis ergänzt, wie sie genau zu verbuchen seien,
um die Konten beim Auftragnehmer in Ordnung zu bringen.
Nach diesem Erlebnis hatte sich bei mir folgende Vorstellung festgesetzt:
Wenn das mit der ERP-Euphorie in Deutschland so weiterginge, würden sich irgendwann
Billiglohnkräfte gegenseitig die Zahlungen zuschieben, das ganze
mit Programmen, die nicht mehr zu beherrschen sind, könnten sich zur
Kontenabstimmung aber wahrscheinlich zumindest in ihrer Muttersprache
unterhalten. Währenddessen würde ein Haufen dann womöglich noch besser bezahlten
Leitungspersonals wirklich nur noch Verantwortung tragen. Schöne neue Welt.
Um es klarzustellen: Dieses Land hat sowohl Einwanderung und als auch
Rationalisierung bitter nötig, in erster Linie aber auf der Leitungsebene
der Unternehmen.
2.6 Allgemeine Eindrücke
Als letzes will ich versuchen, alle übrigen Beobachtungen zusammenzufassen.
Von den Sachbearbeitern war im Zusammenhang
mit benutzter ERP-Software und selbst zu Spezialprogrammen eigentlich nie etwas
positives zu hören und dies meist sogar ungefragt.
Die Einschätzungen reichten von: "Die Vorgesetzten haben uns ja vorher nicht gefragt -
jetzt haben Sie den Salat" bis "Katastrophe" oder "Die Arbeit mit dem System
beschränke ich auf das nötigste" oder, wenn das Gespräch länger dauerte,
als nötig: "Augenblick bitte noch, unser Sanduhr-Anzeige-Programm braucht noch etwas
Zeit".
Im Gegensatz zu meiner eigenen, untergeordneten Position waren die Gesprächspartner
am anderen Ende der Telefonleitung zumeist selbständige Unternehmer, verantwortliche
Techniker, gehobene Sachbearbeiter oder zumindest kaufmännische Abteilungsleiter.
Aufschlußreicher war auch hier, daß quer durch die Bank nichts positives zu hören
war, auch von denen, die die Entscheidung für ein System vorher selbst
mitgetragen hatten. Da heiß es z.B., wenn ich zur gegenseitigen
Abrechnungsvereinfachung Modifikationen vorgeschlagen habe:
"Mein Steuerberater ist mit der
von Ihnen vorgeschlagenen Abrechnung einverstanden, mit dem Programm ist das
jedoch nicht machbar." oder : "Wir sind froh, daß wir es überhaupt geschafft
haben, mit dem Programm Rechnungen schreiben zu können. Eine Änderung ist derzeit
zu aufwendig. Meine Leute kommen vor lauter Beschäftigung mit dem Programm
ohnehin kaum noch dazu, ihre eigentliche Arbeit zu machen."
Als ich einmal eine Rechnung wegen teilweise mangelnder Nachvollziehbarkeit
gekürzt habe, kam der übliche, nicht unbedingt freundliche Anruf, den
Grund für die Kürzung konnte ich dem Anrufer jedoch erklären. Von der
anderen Seite hieß es: "Auf die Forderung werden wir dann zunächst verzichten,
das läßt sich mit unserem Programm nicht anders darstellen. Bis zur Schlußabrechnung
in einem halben Jahr lassen wir und etwas einfallen."
Wirklich gute Beispiele zum Einsatz der EDV kamen nur von denjenigen,
die sich ihre Programme selbst geschrieben hatten - meist auf Basis
von MS-Excel, Lotus 1-2-3 oder ähnlichen Produkten. Da kamen bei Problemen dann
Antworten, wie
"o.K., mach´ ich eben, ich ändere die Datei ab, druck´s aus und schick´s heute noch
ab. Wie schnell können Sie dann zahlen ?".
3. Was Kolleginnen und Kollegen zu berichten wußten
Wer den bisherigen Text gelesen hat, weiß ja, daß wirkliche EDV-Erfahrungen
bei meinem Arbeitgeber nicht vorhanden waren. Dasselbe galt für das Personal.
Ein paar Kolleginnen und Kollegen hatten jedoch aus vorherigen Jobs zu berichten,
meist nicht aus direkt beteiligter oder sachkundiger Position, aber dennoch
aufschlußreich.
Als gutes Beispiel über eine ERP-Einführung fällt mir ein Gespräch
mit einem Vorgesetzten ein. Dieser war zwar EDV-mäßig nahezu völlig ungebildet,
hatte bei einem mittelständischen Unternehmen der Wohnungs- und Bauträgerwirtschaft
aber
Mitte der 1990er Jahre die Einführung eines Vorgängerprogramms des heutigen SAP/R3
miterlebt. Auch in diesem Unternehmen war das ganze wohl eher die Folge zu guter als
zu schlechter Gewinnlage. Entlassungen oder sonstige Einsparungen waren weder geplant
noch vorgenommen. Das Ziel war einfach, angenehmer und erst in zweiter Linie
effektiver arbeiten zu können.
Die Firma hatte keine Kosten und Mühen gescheut, die Sache erfolgreich
durchzuführen, nicht an der Technik gespart und zusätzlich 15 SAP-Mitarbeiter
direkt im Unternehmen arbeiten lassen. Die Folgen waren dennoch diese:
"Nichts konnte man mehr auf einfache Art regeln. Bei Systemproblemen
war stundenlang gar keine Arbeit mehr möglich. Das ganze war ein völliger
Reinfall. Die 15 SAP-Leute hatten auf Jahre hinaus genug zu tun."
Andere Schilderungen zeigten ähnliche Erfahrungen.
Bei einem Maschinenbauunternehmen machte SAP nach Angaben einer Kollegin zwar
ständig kleinere Probleme, im Großen und ganzen konnte man jedoch damit arbeiten.
Nur hatte man sich in der Firma wohl keine Gedanken über die sonstige
Ablauforganisation gemacht. "Ständig mußte man hinter Belegen hertelefonieren,
die zwar im System, aber nicht im Original vorhanden waren. Einmal gab´s
eine Steuerprüfung, wo wir so gut wie nichts gefunden haben"
Eine andere Kollegin wies desöfteren darauf hin, schon mit SAP gearbeitet
zu haben und war sichtlich stolz darauf.
Konnte Sie auch, verfügte jedoch sonst kaum jemand in unserer Firma über
irgendwelche verwertbaren Praxiserfahrungen, auch die gesamte EDV-Abteilung nicht.
Auf meine interessierte Frage, ob das Programm denn wirklich so gut sei, wie
immer behauptet, guckte sie mich ungläubig an und sagte nur "Ne".
4. Fallstudien aus dem Internet
4.1 Vorbemerkungen
Wer sich im Internet auf die Suche nach Informationen zu ERP-Anwendungen
macht, wird nicht selten enttäuscht. Detailinformationen werden
so gut wie gar nicht gegeben.
Auch diese Seite will dazu keinen
wirklichen Beitrag leisten. Die Probleme und Lösungsmöglichkeiten sind hier
letztlich nur angerissen.
Das Wissen, das man sich vor der Entscheidung für ein ERP-System aneignen
sollte, um nicht von vornherein scheitern zu müssen, läßt sich von einer
einzelnen Person auch kaum mehr bereitstellen. Ich versuche jedoch, grundlegende
Tips zu geben.
Bei der Informationssuche im Internet fällt folgendes auf:
- Wissenschaftliche oder journalistische Fallstudien geben nur einen Teil der
relevanten Hauptinformationen wieder. Die Autoren verweisen an vielen Stellen
auf mangelnde Einsichtmöglichkeiten und das nicht nur bei Firmengeheimnissen
sondern z.B. auch bei dem Wunsch nach nachprüfbaren Belegen für Erfolge
- Interviews mit den Verantwortlichen oder Leitern der
Softwareanbieterfirmen berichten von unzähligen Problemen, jedoch nur die
Konkurrenzprodukte betreffend. Lösungsdetails der eigenen Software werden nicht
im mindesten genannt.
- Die Firmenseiten der Softwareunternehmen selbst enthalten keinerlei
wirkliches Informationsmaterial, jedoch eine unüberschaubare Anzahl an lediglich
mit Werbefloskeln gespickten Referenzprojekten.
- Man muß generell zwischen den Zeilen lesen können. Während in einem
Bericht noch von soetwas wie "die Abteilung konnte um 75% der ehemaligen Mitarbeiter
verkleinert werden" gesprochen wird, wird in einem anderen Bericht
(aber auch schon beim zwischen-den-zeilen-gelesenen ersten) zu demselben Fall
deutlich, daß die Leute in eine neue Abteilung versetzt worden sind, um die
Anforderungen der Software besser zu erfüllen, aber immer noch
mit demselben Aufgabenbereich beschäftigt sind.
4.2 Deutsche BA (Navision)
Folgender Link beinhaltet einen Bericht über den Einsatz von
Navision bei der Deutschen BA
Man verweist auf die geringen Kosten von weniger als 600.000,- DM,
die Finanzbuchhaltung kann nun eine (!) Arbeitskraft für neue Aufgaben einsetzen,
die
"Uniformverwaltung" wird über das ERP-System abgewickelt, das
Controlling erhält nur die Daten, wird aber über ein anderes Programm
erledigt.
Überschaubarer Aufwand, aber auch wenig Nutzen, scheint es.
In einem Werbebericht seitens des Anbieters Microsoft (derzeit nicht online)
wurde derselbe Fall dennoch als herausragendes Beispiel für eine gelungene
Impementierung genannt.
4.3 Nestlé USA (SAP)
Eine Fallstudie in englischer Sprache beschäftigt sich mit der
Einführung von SAP bei Nestlé USA.
Nestlé, schweizerischer Weltkonzern der Lebensmittelindustrie, betrieb
das US-Geschäft ursprünglich direkt von der Schweizer Konzernzentrale aus,
an die die US-Betriebe berichteten. Lange Zeit war es Teil der Unternehmenskultur,
die im wesentlichen durch Übernahme gewonnenen Tochtergesellschaften eigenständig
weiterwirtschaften zu lassen. 1991 wurde dann eine US-Zentralverwaltung errichtet,
um Größen- bzw. Synergieeffekte zu nutzen und Arbeitsabläufe zu standardisieren.
Die Versuche der neuen US-Zentrale, Aktivitäten der Tochtergesellschaften
zusammenzulegen, scheiterten an der dezentralen Kultur der ehemals unabhängigen
Töchter. Bis 1997 war es beispielsweise noch nicht einmal gelungen, zu verhindern,
daß die
Tochtergesellschaften demselben Händler 29 verschiedene Preise für denselben
Vanillegrundstoff bezahlten, geschweige denn, die dahinterliegenden
Einkaufsaktivitäten zu zentralisieren oder auch nur zentrale Preisvorgaben
für zu schaffen. Ein effizientes Controlling selbst für diesen wichtigsten und von
jeder einzelnen Fabrik benötigten Rohstoff scheiterte an mangelnder
Vergleichbarkeit der über das Berichtswesen gesammelten Daten.
Nachdem man also in 6 Jahren keine effiziente US-Zentralverwaltung
aufbauen konnte, entschied man sich 1997 bei Nestlé, das Problem mit Hilfe von
SAP zu lösen. Kosten bis 2002: 210 Millionen US Dollar. 250 IT-Fachkräfte sind mit der
Implementierung beschäftigt (bei insgesamt 16.000 Angestellten).
Das vorläufige Resultat: Weitere 6 Jahre Chaos - mit offenem Ende, angeblich
jedoch positiver Ergebnisauswirkung, nicht durch verbesserte Einkaufskonditionen
oder Personalabbau, sondern durch Optimierung von Lagerhaltung und Transport.
Die Fallstudie beschränkt sich auf das wichtigste und gibt in knapper, jedoch
sehr anschaulicher und leicht verständlicher Form Auskunft über die größten
Fehler, die bei der Einführung von ERP-Systemen gemacht werden. Ebenso enthält sie
in verständlicher Form Tips, wie diese zu vermeiden sind und ist daher
für jeden ERP-Planer zur Lektüre zu empfehlen.
Die Hauptlehre aus meiner Sicht dürfte jedoch sein, daß man sich keine Freude
macht, wenn man versucht, Probleme, die auf "konventionelle" Weise unlösbar scheinen,
mittels einer ERP-Software zu lösen. Wenn es beispielsweise schon in "Papierform"
nicht gelingt,
ein aussagekräftiges Berichtswesen aufzubauen, werden die Probleme umso schlimmer,
wenn man versucht, dies mit einer ERP-Software zu erreichen. Dasselbe gilt
noch mehr, wenn strukturelle Änderungen notwendig sind.
4.4 Nachbemerkungen
Diese zwei Verweise zu ERP-Informationen im Internet sollen
an dieser Stelle genügen. Beide habe ich deshalb ausgewählt, weil
das Thema hier mit großer Offenheit angegangen wird. Im Fall der Deutschen BA
werden zwar keinerlei Probleme erwähnt, sehr aufschlußreich sind hingegen die
minimalen Erfolge, die man der Software zuschreibt. Es wird im wesentlichen
weitergearbeitet wie vorher und man ist froh darüber. Im Fall von Nestlé
werden Erfolge ebenso kaum erwähnt, dafür werden die Probleme und Fehler
schonungslos offengelegt. Beide Unternehmen sollen hier nicht diskreditiert
werden, im Gegenteil: Die Deutsche BA ist offensichtlich so gut organisiert, daß
sie eigentlich keine ERP-Software nötig gehabt hätte. Nestlé hingegen bringt
sich durch die ERP-Software offensichtlich selbst um einen Erfolgsfaktor
der Vergangenheit, nämlich die dezentrale Entscheidungsgewalt und die damit
verbundene Motivation der Mitarbeiter bzw. die Reibungslosigkeit der Abläufe.
5. Fazit und praktische Empfehlungen
Der erfolgreiche Einsatz von ERP-Software ist an mehrere Voraussetzungen
gebunden, an denen sich ein Unternehmen vor der Einführung messen lassen
muß, sie eignet sich nur für:
- Größtunternehmen mit:
- weitestgehend perfekt organisierten und dokumentierten Arbeitsabläufen
- zentralisierten Strukturen
- ausreichend eigener IT-Kapazität in Technik und Personal
- dem Willen, einen im Vorhinein nur schwer abschätzbaren Planungsaufwand zu
betreiben, die Kosten der Implementierung besser zu über- als zu unterschätzen
die erwartete Effizienzsteigerung jedoch mit höchstens 5% zu veranschlagen
- der Fähigkeit, Rückschläge und Probleme auszusitzen und abzustellen bzw. auf
hektische
Umsetzungsversuche und vorschnelle Erfolgsmeldungen zu verzichten
- einer offenen Unternehmenskommunikation, die es ermöglicht, das Erfahrungswissen
gerade der untergeordneten Mitarbeiter abzurufen, wobei diesen dazu auch eine positive
Perspektive für die Zeit nach der Systemeinführung gegeben werden muß
- einer Struktur, die den Entscheidungsträgern der Systemeinführung genügend
Durchsetzungsmacht gibt, insbesondere bremsendes Leitungspersonal umgehend zu
entfernen.
- genügend Möglichkeiten für die ERP-Verantwortlichen, schadlos Selbstkritik zu
üben bis hin zu der Fähigkeit, nötigenfalls ein völliges Scheitern des ERP-Projekts
zu akzeptieren oder die Arbeit mit diesem auf das sinnvoll Machbare zu beschränken.
Jede Werbefloskel der Softwareindustrie, die ERP-Software für mittelständische
und kleinere oder dezentral organisierte Unternehmen attraktiv machen soll, ist
purer Unsinn.
Dasselbe gilt für übertriebene Effizienzsteigerungs-Versprechen. Ein Unternehmen,
für
das sich die Einführung von ERP-Lösungen nur dann lohnt, wenn die erwartete
Effizienzsteigerung der Verwaltungsabläufe mit mehr als 5% kalkuliert wird,
braucht dies gar nicht erst zu versuchen, sondern sollte zunächst einmal
"Ordnung" schaffen und verwertbare eigene EDV-Erfahrungen sammeln.
Sobald diese vorliegen, ist ERP-Software jedoch in der Regel endgültig
überflüssig
geworden.
Anders ausgedrückt: Die Fälle, in denen ERP-Software Sinn macht,
ohne daß alle o.g. Bedingungen erfüllt sein müssen, sind aus vielen
Gründen extrem unwahrscheinlich.
Wer angesichts eines konkreten Projekts eine zweite Meinung einholen möchte,
dem sei nochmals empfohlen,
selbst mit den ERP-Programmen beispielhafte Arbeiten durchzuführen. Jedes
Grundwissen, das nicht im Vorhinein aufgebaut wird, rächt sich spätestens
nach der Implementation der Programme.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß
die Eingriffe einer ERP-Software in Unternehmensabläufe und Unternehmenskultur derart
groß sind, daß viele Arbeiten und Entscheidungen nicht an Untergeordnete delegiert
werden können
oder aber der Versuch der Delegation gleichbedeutig mit einem Machtverlust wäre.
Also, mein Rat an Geschäftsführer und Vorstände: Opfern Sie mindestens
einen Tag dafür,
die den Sachbearbeitern nach Systemeinführung zugemuteten Arbeiten einmal testweise
selbst auszuführen, um zumindest einen vagen Eindruck vom tatsächlichen Nutzen
und den Mängeln der
Software zu bekommen. Die meisten ERP-Anbieter sind durchaus bereit, zu diesem Zweck
Testinstallationen einzurichten. Wo nicht, existiert zumeist Lernsoftware, anhand derer
die praktischen Abläufe durchgespielt werden können. Mittels dieser könnten Sie
zudem auch den Weiterbildungsaufwand für die Mitarbeiter abschätzen. Sparen Sie auch
nicht daran, den Arbeitsaufwand nach Systemeinführung mit dem tatsächlichen Ist-Aufwand zu
vergleichen und zwar nicht nur anhand Ihrer persönlichen Vorstellungen sondern anhand
der tatsächlichen Abläufe. Für viele Dinge, die Sie vielleicht an den bestehenden
Arbeitsabläufen bemängeln, sind im Tagesgeschäft längst pragmatische Abkürzungen
auf Sachbearbeiterebene entwickelt worden, die den tatsächlichen Arbeitsaufwand minimieren.
ERP-Software im Stile von SAP hingegen läßt (auch bei bester Motivation der Mitarbeiter)
praktisch keine sinnvollen Abkürzungen zu, fordert stattdessen aufgrund der allgemeinen
Auslegung zumeist Umwege und dies oft schon bei eigentlich sehr einfachen
Aufgabenstellungen.
Meine Anmerkungen für Betriebsräte: Auch wenn ich hier mehrmals klarstelle,
daß ERP-Software
in erster Linie den Charakter einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme hat und nicht etwa
eine "Arbeitsplatzvernichtungsmaschine" ist: Hauptgrund für die Einführung einer
ERP-Software ist zumeist der Wunsch der Unternehmensleitung nach Stellenabbau und der
wird in aller Regel durchgezogen - ob mit oder ohne ERP-Software. Mit ERP-Software wird
ein Stellenabbau aber ungleich schwieriger, um nicht zu sagen qualvoller - und zwar
für alle Beteiligten, von der Unternehmensleitung bis hin zu den einfachen Angestellten.
Die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens - auch dies sollte den Betriebsrat angesichts
der ausschließlich auf die eigene Karriere und nicht auf das Wohl des Unternehmens
fixierten Denkstrukturen vieler
Entscheidungsträger anonymer Kapitalgesellschaften verstärkt interessieren - wird durch
ERP-Software in der Regel schlechter.
Ansonsten spricht es für sich, daß die Ankündigung einer ERP-Systemeinführung
praktisch immer mit der Herabstufung der Kreditwürdigkeit des Unternehmens durch
die bekannten Börsenanlyse-/Ratingagenturen einhergeht. Nicht nur, weil ERP-Software den
Aufwand (bei gleichem Output) zumeist erhöht, sondern auch, weil vermutet wird, daß
mittels dieser
verdeckte Strukturprobleme gelöst werden sollen aber nicht gelöst werden können.
Wer eine zweite Meinung einholen möchte, ohne sich selbst mit praktischen Tests
der Software herumzuquälen, dem seien noch die
Arbeitspapiere der Beratungsfirma tse empfohlen ,die sich ähnlich
umfangreich mit dem Thema beschäftigen, wenn auch
in erster Linie auf das Beispiel SAP konzentriert und wenn auch wohl teilweise mit
dem Ziel, ein eigenes ERP-Produkt bzw. die eigenen Dienstleistungen
in den Blickwinkel zu rücken. Hier findet sich
auch ein
vielsagendes
Zitat von Hasso Plattner (SAP-Gründungsmitglied), befragt nach einer kurzen Beschreibung
der Software seines Hauses: "Das ist wie früher die Planwirtschaft bei den Russen,
nur viel besser". Mit der Firma tse habe ich übrigens nichts zu tun und möchte hier
mangels eigener Anschauung auch keine Werbung für die Beratungsleistungen oder die
Software dieses Unternehmens machen. Wie gesagt, gänzlich neutrale Informationen
sind einfach kaum zu finden.
Ein Beispiel für eine uneingeschränkt positive Aussage/"Fallstudie" zum Thema habe
ich weiter oben
bereits genannt. Hiernach
muß man auch nicht lange suchen, so daß ich an dieser Stelle keine weiteren Links
nenne. ERP-Software ist schlicht eine "Gelddruckmaschine" für
die Hersteller und die Beratungs- oder Schulungsfirmen, daher wundert es auch nicht,
daß die positiven
Aussagen eindeutig in der Mehrheit sind.
Bitte beachten Sie: Die positiven
Darstellungen/Referenzprojekte sind meist sehr kurz gefaßt, enthalten keine
Detailinformationen. Alles negative, alle Probleme
(auch die vielleicht gemeisterten) werden ausgelassen oder allenfanfalls in einem
Nebensatz abgehandelt, so als ob es bei der datentechnischen Abbildung eines gesamten
Unternehmens einschließlich seiner Kunden und Geschäftspartner sowie aller übrigen
relevanten Umweltdaten bzw. der Anpassung einer äußerst komplexen, im Kern vom Hersteller
geheimgehaltenen Software an die wettbewerbskritischen betrieblichen Besonderheiten
um eine Trivialaufgabe oder eine reine Fleißarbeit handeln würde.
Die Meinung der Anwenderfirmen wird meist mit einem einzigen Zitat abgehandelt,
ausgesprochen von einer Person, die durch die Umstrukturierung persönliche Macht gewinnt,
zumeist aus der EDV-Abteilung (kaum aus Vorstand oder Geschäftsleitung und praktisch
nie aus dem Anwenderbereich!). Beispiele für Erfolge und verbesserte Arbeitsabläufe
finden sich ebenfalls nur in sehr knapper Form. Eine Gegenüberstellung von
Implementationsaufwand und Nutzen findet sich hierzu jedoch nicht. Eine
Gegenüberstellung von
aktuellem Aufwand (Arbeit mit dem ERP-system) mit vorherigem Aufwand
(wie auch immer gestaltet) findet sich ebensowenig. Jede Detailbeschreibung - auch die
eines tatsächlich lösbaren Problems - könnte den potentiellen Kunden ja zum Nachdenken
bringen bzw. dazu, eine ERP-Programminvestition genau(estens) zu planen und hierbei
vielleicht eine negative Meinung zu entwickeln.
Viele Fragen bleiben also offen, deren Antworten sich aber immer
"zwischen den Zeilen finden" lassen.
In diesem Sinne sollte es jedem ERP-Interessenten letztlich möglich sein, eine eigene
Meinung zu entwickeln. Wie schon gesagt: Das hinter ERP-Lösungen stehende Konzept an
sich ist faszinierend;
die hoffnungslos überfrachteten Standardlösungen im Stile von SAP sind jedoch nicht dazu
geeignet, die in sie gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Abgesehen davon gehen
die "100%-Automatisierungen", wie ERP-Programme sie versprechen, ohnehin von einem
idealtypisch verkleinerten Aufgabenbereich aus. Viele Arbeiten des Tagesgeschäfts,
vieles auch, bei dem sich eine maßvolle, Spielräume und Anpassungsmöglichkeiten
lassende, eine einfache Erfassung (d.h. kein Durcharbeiten durch mehrere Bildschirmmasken,
für eine Aufgabe, die man auf dem Papier mit einem einzigen Haken oder einer
Unterschrift oder z.B. in
MS-Excel mit einem einzigen Klick erledigt)
ermöglichende Automatisierung
tatsächlich lohnen würde, bleibt ausgespart - und zwar schon bei Aufgabenstellungen,
die praktisch mit jedem Taschenrechner erledigt werden können. Die wirklichen Abläufe
in modernen Betrieben, auch solche, bei denen es auf Sachbearbeiterebene überhaupt
keine Umsetzungsprobleme gibt, sind tatsächlich so vielschichtig, daß die
ERP-Softwareindustrie sie einfach ausspart, da nicht schlüssig für alle Betriebe und
alle denkbaren Situationen programmierbar oder nur so, daß eben keine übersichtlichen
Bildschirmansichten mehr möglich wären, sondern sehr komplexe, die bei den
(oft der praktischen Arbeit entfremdeten) Entscheidungsträgern Kopfschütteln auslösen
könnten. Die ERP-Softwareanbieter befinden sich diesbezüglich - auch bei besten
Absichten - in einer Zwickmühle: Die beste, effektivste Software ist womöglich die
erfolgloseste! Abgesehen davon bleibt meine persönliche Meinung, daß das ERP-Konzept
als Universallösung ohenhin nicht wirklich umsetzbar ist. Zuviele Probleme stehen
schon auf der grundlegenden technischen Ebene im Wege und nicht erst bei der
Programmierung von
Arbeitsabläufen,
die Verstand, Erfahrung. Organisations- und Improvisationsfähigkeit oder die
Überwindung von
vielerlei Widerständen innerhalb von Unternehmensstrukturen und -hierarchien verlangen.
Nochmals meine Empfehlung an alle Entscheidungsträger, die vielleicht
der Ansicht sind, den
mit einer ERP-Software verbundenen Einrichtungsaufwand meistern, unzureichende
Standardabläufe eventuell durch Customizing und nachträgliche Auftragsprogrammmierungen
verbessern oder innerbetriebliche Widerstände überwinden zu können:
Prüfen Sie dies vor einer Systemeinführung, bilden Sie eine Arbeitsgruppe
oder einen Stab, setzen Sie es in kleinem Rahmen praktisch um und testen Sie es
eingehend: Es ist keine
vertane, unproduktive Zeit, sondern schlicht eine Notwendigkeit. Es ist sicherlich
besser, wenn ein
kleiner Software-Evaluationsstab Fehler erkennt und - wenn möglich - beseitigt, als
vielleicht tausende Mitarbeiter praktisch und womöglich jahrelang mit einem
Zeitaufwand verursachenden Fehler oder einem ineffizienten Ablauf arbeiten zu
lassen. Betrachten Sie die eigenen
Mitarbeiter diesbezüglich wie Kunden, denen Sie sicherlich auch kein ungetestetes
Produkt verkaufen, das womöglich in kostenspieligen und Image-schädigenden
Rückrufaktionen repariert werden
müßte. Und: Besetzen Sie einen solchen auch Stab mit Mitarbeitern, die die aktuellen
Arbeitsabläufe kennen und sich über eine Arbeitserleichterung (sofern diese mit der
Software möglich ist) freuen würden und möglichst mit breit gefächertem
Bildungshintergrund. Auch eine nur halbwegs sinnvolle, d.h. nicht im Chaos endende
Einrichtung einer ERP-Software
erfordert bereits weit mehr, als nur Ingenieurs- und Kaufmannsdenken.
Diese Empfehlungen sollen nun an dieser Stelle genügen.
Fazit: Die Umsetzung des hinter ERP-Anwendungen stehenden Konzepts
ist wesentlich einfacher vom einzelnen Unternehmen zu erbringen und zwar zu 95%
(sehr unaufwendig, flexibel bzw. tages- und einzelfallaktuell anpaßbar) bereits
mit den überall vorhandenen einfachen Büroprogrammen, wie MS-Office oder OpenOffice.org,
deren
Leistungsfähigkeit weit über die normalerweise genutzen Möglichkeiten
hinausgeht. Hier biete ich jedem Interessenten gerne meine Dienstleistungen an.
Die restlichen 5%, also die wirklich komplizierten Automatisierungen, die von Programmen
wie SAP versprochen
werden, bringen meist mehr Aufwand als Nutzen oder können - sofern unverzichtbar -
wesentlich besser von Spezialprogrammen und Eigenentwicklungen erbracht werden.
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